Historia Plantarum (Gessner)

Manuskript von Conrad Gesner

Als Historia Plantarum oder Historia stirpium wird ein unvollendetes Werk von Conrad Gessner bezeichnet, an dem er während seines letzten Lebensjahrzehnts arbeitete. Bis zu seinem Tod Ende 1565 hatte Gessner über 1500 Pflanzenzeichnungen zusammengetragen, die er teilweise selbst angefertigt hatte.

Verbleib von Gessners Nachlass Bearbeiten

Nach Gessners Tod gelangten die mit umfangreichen Notizen und Textfragmenten versehen Illustrationen in den Besitz seines Assistenten Caspar Wolf. 1566 veröffentlichte Wolf in einer an Johann Crato von Krafftheim als Pollicitatio bekannten gewordenen Schrift beispielhaft sieben Illustrationen aus Gessners Nachlass:[1]

Sie zeigen die Terpentin-Pistazie (Pistacia terebinthus), die Hiobsträne (Coix lacryma-jobi), den Hasenkümmel (Lagoecia cuminoides), die Zimtkassie (Cinnamomum cassia), eine Art der Milchsterne (Ornithogalum sp.), eine Art der Gattung Artemisia (Artemisia sp.) sowie das Europäische Alpenveilchen (Cyclamen purpurascens).[2]

Wolf verkaufte den Nachlass schließlich um 1580 an Joachim Camerarius den Jüngeren. 1586 besorgte Camerarius mit De plantis epitome utilissima eine erweiterte Neuausgabe von Mattiolis Compendium de plantis omnibus aus dem Jahr 1571. Sie wurde noch im selben Jahr ins Deutsche übersetzt und unter dem Titel Kreutterbuch herausgegeben. Camerarius benutzte für beide Werke sowohl bereits geschnittene als auch vorgezeichnete Holzschnitte nach den Vorlagen Gessners, die er von Wolf erworben hatte.[3]

Nach Camerarius Tod erbte sein Sohn Ludwig Joachim Camerarius (1566–1642), ein Halbbruder von Ludwig Camerarius, Gessners Nachlass. Ludwig Joachim Camerarius selbst hatte keine männlichen Nachfahren. Seine Tochter hatte in die Familie Nützel eingeheiratet. Gessners Nachlass geriet schließlich in den Besitz von Johann Georg Volkamer. Sein gleichnamiger Sohn Johann Georg Volkamer bot das Manuskript 1711 für 300 Gulden erfolglos der Bürgerbibliothek Zürich an. 1744 erwarb Christoph Jacob Trew den Nachlass und beauftragte den Erlanger Professor Casimir Christoph Schmidel mit der Bearbeitung und Herausgabe von Gessners Nachlass.

Zwischen 1751 und 1771 veröffentlichte Schmidel sein zweibändiges Werk Opera botanica mit Abbildungen von etwa 400 der von Gessner hinterlassene Pflanzenzeichnungen. Trew hinterließ seine Bibliothek und seine wissenschaftlichen Sammlungen der Universität Altdorf. Nach der Auflösung der Universität Altdorf im Jahr 1809, gelangten sie in den Bestand der Universitätsbibliothek Erlangen.

Faksimile-Ausgaben Bearbeiten

  • Heinrich Zoller, Martin Steinmann, Karl Schmid (Hrsg.): Conradi Gesneri Historia plantarum. Aquarelle aus dem botanischen Nachlass von Conrad Gesner (1516–1565) in der Universitätsbibliothek Erlangen. 8 Bände, Urs Graf, Dietikon-Zürich 1972–1980.
  • Heinrich Zoller, Martin Steinmann (Hrsg.): Conrad Gesner: Conradi Gesneri Historia plantarum Gesamtausgabe. 2 Bände, Urs-Graf, Dietikon-Zürich 1987–1991.

Literatur Bearbeiten

  • Holger Funk: Caspar Wolf and his personal public commitment to edit Conrad Gessner’s unfinished history of plants. In: Gesnerus. Band 75, Nr. 1, 2018, S. 40–94 (doi:10.1163/22977953-07501002).
  • Urs B. Leu: The Rediscovered Third Volume of Conrad Gessner’s “Historia plantarum”. In: Ann Blair, Anja-Silvia Goeing: For the Sake of Learning: Essays in honor of Anthony Grafton. (= Scientific and Learned Cultures and Their Institutions. Band 18) Brill, 2016, ISBN 978-90-04-26330-7, S. 415–422
  • Bernhard Milt: Conrad Gesners botanischer Nachlaß und seine Wiederauffindung. In: Neue Zürcher Zeitung. 1929, Nr. 1029 (Digitalisat).
  • Bernhard Milt: Conrad Gessner’s «Historia Plantarum» (Fragmenta relicta). In: Vierteljahrsschrift der Naturforschenden Gesellschaft in Zürich. Band 81, Nr. 3–4, 1936, S. 285–291 (PDF).
  • Mare Rand: „Ramulus cum flore melius pingitur in meis …“ Verschollene Pflanzenzeichnungen aus dem Gessner-Nachlass in der Universitätsbibliothek Tartu/Dorpat. In: Hanspeter Marti (Hrsg.): Kulturaustausch. Baltisches Echo auf Gelehrte in der Schweiz und in Deutschland. Freundesgabe für Arvo Tering. Böhlau, Köln/Weimar/Wien 2014, ISBN 978-3-412-22445-5, S. 13–48.
  • Karl Schmid, Martin Steinmann, Heinrich Zoller: Conradi Gesneri Historia plantarum. In: Librarium. Band 23, Nr. 2, 1980, S. 96–115 (doi:10.5169/seals-388343).
  • Gessner and the Making of the Historia Plantarum. In: Sachiko Kusukawa: Picturing the Book of Nature. Image, Text, and Argument in Sixteenth-Century Human Anatomy and Medical Botany. University of Chicago Press 2012, ISBN 978-0-226-46528-9, S. 139–161.

Einzelnachweise Bearbeiten

  1. Caspar Wolf: ΥΠΟΣΧΕΣΙΣ [Hyposchesis = Pollicitatio], sive de Conradi Gesneri stirpium historia ad Ioan. Cratonem, S. Caes. Maiest. medicum excellentiss. In: Josias Simmler: Vita clarissimi philosophi et medici excellentissimi Conradi Gesneri Tigurini. Christoph Froschauer, Zürich 1566, S. 42–52 (Digitalisat).
  2. Holger Funk: Caspar Wolf and his personal public commitment to edit Conrad Gessner’s unfinished history of plants. In: Gesnerus. Band 75, Nr. 1, 2018, S. 90–93.
  3. „Derwegen auch, als ich vor etlichen jaren auss sonderer freundtschafft vnd Vergünstigung dess Ernwerten vnd hochgelehrten H. Casparis Wolffii Medici zu Zürch etc. die angefangene weitleufftige vnd gantz mühsame Opera botanologica des weitberümten vnd hochgelehrten H. Conradi Gesneri seligen zu meinen henden gebracht, were ich wol gesinnet gewesen, diese nützliche arbeit, welche noch nur hin vnd wider allein in cartis dispersis von jhm verzeichnet vnd colligirt ist worden, sampt meinen vnd anderer mehrer nützlichen observationibus in ein gute Ordnung zu bringen vnd in Lateinischer Sprach an tag zu geben. […] Vnter dess aber, dieweil in gemeltes H. Gesneri seliger bibliotheca herbaria etliche Kreuter Figuren zum theil schon geschnitten, zum theil allein gerissen, vorhanden gewesen, Haben viel meiner guten Herrn vnd freundt vnd auch etliche furneme personen mich erinnert vnd gebeten, dass ich den vberigen rest, welcher gleichwol noch ein zimlich anzal gewesen, auch solte verfertigen, vnd mit denselbigen zu einem guten anfang das Deutsche Kreutterbuch dess Hochgelehrten H. Matthioli seligen, dieweil es ein grosse nachfrag hett, vnd keine exemplaria mehr zu finden weren, widerumb auff ein newes, mit vielen guten stücken gemehret drucken lassen.“ Aus Vorred an den guͤnstigen Leser. In: Kreutterbuch Desz Hochgelehrten vnnd weitberühmten Herrn D. Petri Andreae Matthioli. (online).

Weblinks Bearbeiten

Wikisource: Historia Plantarum – Quellen und Volltexte