Herta Rennebaum

deutsche Pianistin und Klavierpädagogin

Herta Rennebaum (* 1. Juli 1902 in Wegeleben bei Halberstadt; † 5. März 1996 in Halberstadt) war eine deutsche Klavierpädagogin und Pianistin.

Leben uns Wirken Bearbeiten

Herta Rennebaum wurde als Tochter des Arztes und Sanitätsrates Franz Rennebaum († 1928 in Halberstadt) und dessen Ehefrau Elise Auguste Amalie, geb. Lenz (* 27. Januar 1864 in Gerbstedt; † 14. Januar 1938 in Halberstadt)[1] in der Stadt Wegeleben bei Halberstadt geboren. Der Onkel mütterlicherseits war als Arzt ein bedeutender Mitinitiator des Musiklebens sowie Dirigent des Ärzte- und Schwestern-Chores der Poliklinik Halberstadt.[2]

Herta Rennebaums wuchs in einer künstlerisch anregenden Umgebung auf: Mit Einweihung des neuen Stadttheaters am 30. September 1905 (Architekt: Bernhard Sehring; bei der Bombardierung am 8. April 1945 zerstört) hatte ihr Vater das Amt des Theaterarztes übernommen.[3] Dadurch kam es früh zu Begegnungen mit der Bühnenkunst und mit bedeutenden Künstlern. Eine besondere Prägung erfolgte durch die von dem Chirurgen und Gallenblasen-Spezialisten Hans Kehr und dem Musikdirektor Fritz Hellmann (Musiker) initiierten Halberstädter Wagner-Festspiele mit der originalen Star-Besetzung der Bayreuther Wagner-Festspiele.[4]

Ihre pianistische Ausbildung erhielt Rennebaum in Berlin bei Richard Rössler (Hochschule für Musik Berlin) und dem Reformer der Technik des Klavierspiels Rudolf Maria Breithaupt (Stern’sches Konservatorium Berlin). Im Jahr 1925 ließ sie sich als Pianistin und staatlich geprüfte Musiklehrerin in Halberstadt nieder.[5] Ihre Unterrichtstätigkeit übte sie über sechs Jahrzehnte in Halberstadt aus. Als Konzertsolistin trat sie vor allem mit Werken von Beethoven, Chopin und Liszt sowie der gemäßigten Moderne auf und gab Klavierkonzerte in einer Reihe mit Pianisten wie Wilhelm Kempff, Walter Gieseking, Elly Ney und Wilhelm Backhaus.[6]

Nach dem Zweiten Weltkrieg engagierte sie sich mit Konzerten für den Wiederaufbau des zerstörten Halberstadt.[7] Ihre Musikschule entwickelte sich in der DDR zu einem kulturell-geistigen Zentrum für die nach gesellschaftlichem Sinn und geistiger Orientierung suchende junge Generation.[8] Zu ihren Schülern gehörender u. a. der Mediziner, Molekularbiologe und Bürgerrechtler Jens Reich („Sie war für mein ganzes Leben Vorbild einer enthusiastischen Pädagogin“),[9], der Schlagerkomponist Hans-Georg Schmiedecke (DDR-Hit Wie ein Stern in einer Sommernacht“ für Frank Schöbel) und die Rock- und Pop-Sängerin Anke Lautenbach.

Maßgeblich unterstützte sie die Aufführungen des Komponisten und langjährigen Musikdirektors des Volkstheaters Halberstadt Hans Auenmüller und den Aufbau des Jugendstreichorchesters Halberstadt unter der Leitung des Musikpädagogen und Dirigenten Rolf Reinhart Loose[10] sowie die Internationale Kammermusikreihe »Stunde der Musik« von Hans-Ulrich Sauer,[11] für die sie der Stadt Halberstadt einen Grotrian-Steinweg-Flügel als Konzertinstrument stiftete.[12] Sie erteilte bis in ihr neuntes Lebensjahrzehnt Klavierunterricht.

Ehrungen Bearbeiten

  • 1994 Ehrenmitglied der Internationalen Andreas-Werckmeister-Gesellschaft e.V.
  • 1995 Kulturpreis der Stadt Halberstadt[13]
  • 1996 Ehrenmitglied des Halberstädter Kammermusikvereins e.V.[14]

Schüler (Auswahl) Bearbeiten

  • Ingeborg Peukert (1929–2004), Konzertpianistin, Hochschullehrerin, Hochschule der Künste Berlin (HdK)
  • Giselher Schuschke (1935–2008), Mediziner, Hochschullehrer, Medizinische Hochschule/Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg (wollte ursprünglich Laufbahn als Konzertpianist einschlagen)
  • Rolf-Reinhart Loose (1938–1998), Musikpädagoge, Chor- und Orchesterdirigent, Leiter des in seiner Art einzigartigen Jugendstreichorchesters Halberstadt
  • Hans-Georg Schmiedecke (1935–1989), Tanz- und Unterhaltungsmusiker, Musikredakteur beim Rundfunk, Komponist, u. a. Schlager-Hit Wie ein Stern in einer Sommernacht (Interpret: Frank Schöbel)
  • Jens Reich (* 26. März 1939), Mediziner, Molekularbiologe, Bürgerrechtler
  • Bernd Großheim (* 1944), Gymnasiallehrer für Musik, Chordirigent, Fortuna-Band Gröningen
  • Rüdiger Pfeiffer (* 25. Mai 1955), Musikwissenschaftler, Violoncellist, Hochschullehrer, Mitbegründer der Orchesterwerkstatt Junger Komponisten mit dem Nordharzer Städtebundtheater, heute: Harzer Sinfoniker, Solo-Cellist des Telemann-Kammerorchesters Michaelstein (Kammermusiker)
  • Klaus Hebecker, Violinist, Gewandhausorchester Leipzig, Bachorchester des Gewandhauses Leipzig, Primarius des Hebecker-Quartetts
  • Gottfried Köhler, Organist
  • Anke Lautenbach (1960–2012), Sängerin (Rock-Pop-Schlager), Gesangsdozentin an der Theaterakademie Vorpommern, Diskografie

Einzelnachweise Bearbeiten

  1. Taufregister, Geborene und Getaufte Gerbstädt 1864, Februar, März, Nr. 16; Halberstadt, Zivilstandsregister, 1874–1982; Sterberegister Halberstadt 1938, Urkunde Nr. 37.
  2. Gerald Eggert: Halberstadter Klavierlehrerin soll mit einem Buch geehrt werden. In Volksstimme vom 14. Juni 2021. Abgerufen am 5. Juli 2021
  3. Nachweisbar bis 1914, siehe: Neuer Theater=Almanach. Theatergeschichtliches Jahres= und Adressen=Buch, hg. von der Genossenschaft Deutscher Bühnen-Angehöriger, 25. Jg., Berlin 1914, S. 461.
  4. Rüdiger Pfeiffer: Halberstadt als „Bayreuth des Nordens“. In: Einhundert Jahre Orchester des Nordharzer Städtebundtheaters, hrsg. vom Nordharzer Städtebundtheater, Halberstadt und Quedlinburg 2019, S. 20–22.
  5. Einwohnerbuch (Adressbuch und Stadtbuch) von Halberstadt und Wehrstedt 1926/27, 26. Jg., Halberstadt 1926, S. 155.
  6. Instrumentalsolisten 1919-2019. In: Einhundert Jahre Orchester des Nordharzer Städtebundtheaters, hrsg. vom Nordharzer Städtebundtheater, Halberstadt und Quedlinburg 2019, S. 80; Rüdiger Pfeiffer, Zum Halberstädter Musikleben von der Jahrhundertwende bis zum Ende des 2. Weltkriegs. In: Nordharzer Jahrbuch, Bd. 18/19 (= Veröffentlichungen des Städtischen Museums Halberstadt 26), Halberstadt 1995, S. 195.
  7. Rüdiger Pfeiffer: Die Musik- und Theaterstadt Halberstadt. In: Rüdiger Pfeiffer (Hrsg.): Gegen den Strich. Das Jugend-Streichorchester Halberstadt. Ein Jugend-Orchester in der DDR (= Schriften zur Kulturgeschichte Mitteldeutschlands; Bd. 2), ISBN 978-3-7329-0151-7, Berlin: Frank & Timme, Verlag für wissenschaftliche Literatur, 2015, S. 39.
  8. Rüdiger Pfeiffer: Herta Rennebaum – Ein fester Termin im Halberstädter Musikkalender. In: R. Pfeiffer (Hrsg.): Gegen den Strich. Das Jugend-Streichorchester Halberstadt. Ein Jugend-Orchester in der DDR (= Schriften zur Kulturgeschichte Mitteldeutschlands; Bd. 2), ISBN 978-3-7329-0151-7, Berlin: Frank & Timme, Verlag für wissenschaftliche Literatur, 2015, S. 160–163.
  9. Jens Reich; Mathias Greffrath, Konrad Adam: Jens Reich im Gespräch mit Mathias Greffrath und Konrad Adam, München, Wien, 1994, S. 67f.
  10. Rüdiger Pfeiffer: Rolf Reinhart Loose und »sein« Jugendstreichorchester. In: R. Pfeiffer (Hrsg.): Gegen den Strich. Das Jugend-Streichorchester Halberstadt. Ein Jugend-Orchester in der DDR (= Schriften zur Kulturgeschichte Mitteldeutschlands; Bd. 2), ISBN 978-3-7329-0151-7, Berlin: Frank & Timme, Verlag für wissenschaftliche Literatur, 2015, S. 73–78.
  11. Hannelore Sischka: Ein Leben für die Musik: Widmung an Herta Rennebaum. In: Festschrift 40 Jahre Stunde der Musik in Halberstadt, hrsg. vom Halberstädter Kammermusikverein e.V., Halberstadt 2009, S. 40f.
  12. Die festliche Übergabe an Oberbürgermeister Matthias Gabriel fand im Rahmen eines Festkonzerts am 3. Dezember 1990 im Festsaal der Dompropstei, der heute zur Hochschule Harz, Standort Halberstadt, gehört, statt. Der Flügel befindet sich derzeit im Käthe-Kollwitz-Gymnasium Halberstadt, dem ehemaligen Kaiserin-Auguste-Victoria-Lyzeum und Oberlyzeum, einer für Musik traditionsreichen Schule, die auch Herta Rennebaum als Schülerin besucht hatte.
  13. Liste der Preisträger des Kulturpreises. Abgerufen am 5. Juli 2021
  14. Kammermusikverein Halberstadt. Abgerufen am 5. Juli 2021.