Heile, heile Gänsje

deutsches Fastnachtslied

Heile, heile Gänsje ist ein populäres Karnevalslied der Mainzer Fastnacht in rheinhessischem Dialekt. Melodie und Strophen wurden von Martin Mundo (1882–1941) und Robert Wasserburg[1] (1877–1953) verfasst und von Mundo im Jahr 1929 erstmals vorgetragen. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde das Lied von Ernst Neger (1909–1989) neu interpretiert, zeitweise mit zusätzlichen Strophen über die Kriegszerstörungen von Mainz und die Teilung Berlins. In der Folgezeit, bis in die 1970er Jahre hinein, musste Neger das Lied nicht nur immer vortragen, es wurde auch bundesweit zu einem geflügelten Wort. Unter den „111 größten Fastnachtshits“, die das SWR Fernsehen zusammen mit SWR4 in der Fastnachtssaison 2009 zur Auswahl stellte, belegte das Lied den ersten Platz.[2][3]

Geschichte

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Grundlage bzw. Refrain des Liedes ist eine Variante eines alten Kinderreims, der von Müttern nach einer schmerzhaften Verletzung kleiner Kinder in tröstender Art und Weise aufgesagt wurde. Er ist seit der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts in verschiedenen regionalen Varianten überliefert.[4][5][6][7] Varianten mit dem Textanfang „Heile heile Gänschen“ sind aus dem Raum Aschaffenburg sowie aus Steinmark in Mainfranken überliefert.[8][9][10][11] Der Refrain des Liedes, der mit dem nicht mehr zu datierenden, aber seit wenigstens 1894[8] nachgewiesenen Kindervers weitgehend übereinstimmt, lautet:

Heile, heile Gänsje
Es is bald widder gut,
Es Kätzje hat e Schwänzje
Es is bald widder gut,
Heile heile Mausespeck
In hunnerd Jahr is alles weg.

Der für die Mainzer Fastnacht hoch bedeutende Martin Mundo gilt als Urheber des Liedes, das Bestandteil der Fastnachtsposse „Hurra mir erwe“ ist, die 1929 Premiere hatte. Mundo trug das Lied 1929 während einer Festveranstaltung zum Gutenberg-Jubiläum vor und stellte dem Lied zwei politische Verse voran, die sich mit Kritik an die Vertreter der damaligen französischen Besatzungsmacht richteten.

Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde eine Neuinterpretation auch einem größeren Publikum bekannt, als Ernst Neger es während einer Fastnachtsveranstaltung im Jahre 1952, mit einer von Georg Zimmer-Emden hinzu gedichteten Strophe[12][13] über das im Krieg durch Luftangriffe zerstörte Mainz, unter dem Beifall und den Tränen des Publikums vortrug. Zimmer-Emden hatte diese 4. Strophe schon nach Ende des Zweiten Weltkriegs, angeblich für die 1947 aufgeführte Lokalposse „Das Heiratsfieber“[14], verfasst:

Wär ich emol de Herrgott heit’
do wüsste ich nur ääns:
Ich nehm’ in meine Arme weit,
mein arm zertrümmert Määnz.
Und streichel es ganz sanft und lind und sag’:
Hab’ nur Geduld! Ich bau Dich widder uff geschwind! Du warst doch gar nit schuld.
Ich mach Dich widder wunnerschee,
Du kannst, Du derfst net unnergeh![15]

Eine weitere 5. Strophe schrieb Toni Hämmerle (1914–1968) aus Anlass eines Besuchs des Mainzer Prinzenpaares in Berlin nach dem Bau der Berliner Mauer:

Wenn ich mir so mei Meenz Betracht,
dann denk ich in mei’m Sinn:
Mer hat’s mit Meenz genau gemacht wie mit der Stadt Berlin.
Man hat’s zerstört, hat’s zweigeteilt.
Und trotzdem hab ich Mut, dass des alles heilt.
Aach des werd widder gut.
Meenz und Berlin, ihr seid so schön,
ihr könnt, ihr derft net unnergeh’n.[15]

Adaptationen

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Roy Black sang „Heile, heile Gänsje“ im Film Alter Kahn und junge Liebe von 1973.

Am 15. Dezember 2007 wurde im etwa 12 km südlich von Mainz gelegenen Bodenheim der historische Molsberger Hof durch einen Brand fast völlig zerstört. Am aufgestellten Baugerüst wurde eine riesige Plane mit dem Liedtext von 1952 abgedruckt. Des Weiteren befand sich vor dem Bauzaun eine Klingel, nach deren Betätigung das Lied in der von Ernst Neger gesungenen Version erklang.[16]

2009 erschien zum 100. Geburtstag von Ernst Neger als Reminiszenz des auf Platz 1 gewählten Lieds „Heile Heile Gänsje“ passend eine Spieluhr mit Melodie in Form einer Stoff-Gans mit Narrenkappe und Pflaster am Flügel.[17]

 
Transparent oberhalb der Saarstraße in Mainz, April 2020

Mitte April riefen Fans des 1. FSV Mainz 05 im Zuge der COVID-19-Pandemie eine Solidaritätsaktion ins Leben, bei der sie drei wohltätige Organisationen finanziell unterstützen wollten. Im Rahmen der Aktion wurden T-Shirts, Jutebeutel und Aufkleber mit dem Spruch „Heile Heile Gänsje, es is bald widder gut“ und einer Gans produziert und verkauft. Die Erlöse sollten zu 100 % an Armut und Gesundheit in Deutschland e.V., Kochen für Helden Mainz und Ärzte ohne Grenzen fließen. Zudem wurde am 11. April 2020 an der Brüstung des Staatstheaters Mainz ein Banner mit der Aufschrift „Heile Heile Gänsje, es ist bald widder gut“ angebracht, am 13. April 2020 folgten in der Stadt verteilt zahlreiche Plakate.[18] Die Fans wählten genau diesen Spruch, da die Liedzeile nahezu jedem Mainzer bekannt sei und diese den Einwohnern der Stadt Mut zusprechen solle. Da das Lied, die Fastnacht und der örtliche Fußballverein eng verknüpft seien, liege diese Adaption nahe.

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Literatur

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Einzelnachweise

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  1. April 1930.Musikalisch-literarischer Monatsbericht neuer Musikalien, musikalischer Schriften und Abbildungen / (Hofmeisters) Musikalisch-literarischer Monatsbericht über neue Musikalien, musikalische Schriften und Abbildungen / Hofmeisters Musikalisch-literarischer Monatsbericht. Verzeichnis sämtlicher Musikalien, Musikbücher, Zeitschriften, Abbildungen und plastischen Darstellungen, die in Deutschland und in den deutschsprachigen Ländern erschienen sind / Deutsche Musikbibliographie (Fortsetzung von Hofmeisters Musikalisch-literarischem Monatsbericht), Jahrgang 1930, S. 100 (online bei ANNO).Vorlage:ANNO/Wartung/hof
  2. „Heile, heile Gänsje“ lässt alle hinter sich auf swr.de, abgerufen am 20. Februar 2009.
  3. Platz 1 von 111: Heile, Heile Gänsje auf swr.de, abgerufen am 20. Februar 2009.
  4. Karl Simrock: Das deutsche Kinderbuch. Brönner, Frankfurt am Main 1848, S. 10 (Digitalisat in der Google-Buchsuche).
  5. Franz Magnus Böhme: Deutsches Kinderlied und Kinderspiel: Volksüberlieferungen aus allen Landen deutscher Zunge. Breitkopf und Härtel, Leipzig 1897, S. 58 f. (Digitalisat).
  6. Theo Mang, Sunhilt Mang (Hrsg.): Der Liederquell. Noetzel, Wilhelmshaven 2007, ISBN 978-3-7959-0850-8, S. 740.
  7. Heile Heile Segen, volksliederarchiv.de, abgerufen am 27. Dezember 2015
  8. a b Anton Englert: Zu dem Spruche „Heile, heile Segen“. In: Zeitschrift für den deutschen Unterricht 8 (1894), S. 118–122, hier S. 120 (Digitalisat).
  9. S. Hetzel: Wie der Deutsche spricht. Phraseologie der volkstümlichen Sprache. Grunow, Leipzig 1896, S. 135 (Digitalisat).
  10. Oskar Weise: Ästhetik der deutschen Sprache. B.G. Teubner, Leipzig 1903, S. 266 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
  11. Hessische Blätter für Volkskunde Band 6 (1907), S. VI (Digitalisat).
  12. Ingeborg Weber-Kellermann: Das Buch der Kinderlieder. 235 alte und neue Lieder: Kulturgeschichte – Noten – Texte. Atlantis-Schott, Mainz 1997/2010, ISBN 978-3-254-08370-8, S. 67–69.
  13. Bernd Funke: Zwischen Gänsje und Rucki-Zucki. In: Rhein-Main-Presse 13. Januar 2009, S. 8 (online (Memento des Originals vom 3. November 2013 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.mainzer-carneval-verein.de; PDF; 351 kB).
  14. Günter Schenk: Heile, Heile Gänsje. In: Mainzer Fastnachts-ABC : Fakten – Legenden – Anekdoten. Leinpfad-Verlag, 2011, ISBN 978-3-942291-10-1, S. 88.
  15. a b SCHENK 2011, S. 88 (s. Literatur).
  16. Wiederaufbau im Geiste Ernst Negers. In: Rhein Main Presse (Allgemeine Zeitung), 19. Juli 2008
  17. Spieluhr „Heile Gänsje Ganz“ anlässlich des 100. Geburtstags von Ernst Neger, WIRTH Mainz, Stand: 23. April 2012
  18. Julia Sloboda: 05-Fans verkaufen Heile-Gänsje-Produkte für guten Zweck. Allgemeine Zeitung, 15. April 2020, abgerufen am 15. April 2020.