Uringlas

Harnprobengefäß für die Harnschau
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Das Uringlas oder Harnglas, auch Matula (lateinisch auch für „Topf“, „Waschgeschirr“ und „Nachtgeschirr“), Harnschauglas oder Urinal (von lateinisch urina „Harn“), ist ein historisches Harnprobengefäß aus Glas für die Harnschau und gehörte jahrhundertelang zu den Wiedererkennungszeichen des ärztlichen Berufs.

Mittelalterliche Darstellung eines Arztes mit Uringlas
Matula ca. 1550, Reproduktion (Dialysemuseum Fürth)

Das Uringlas ist ein rundkolben- bis birnenförmiges Glasgefäß mit trichterförmiger Öffnung – ein Behältnis ähnlich einem bauchigen Kutscherglas mit weiterem Hals. Manche Exemplare hatten einen flachen Boden zum Hinstellen, die meisten einen gewölbten Boden und bedurften eines Stützbehälters (meist ein Korb oder Holzgestell)[1] zur Vermeidung des Umkippens. Der in diesem Gefäß gesammelte Morgenurin wurde zum Harn(be)schauer gebracht – einem Arzt oder Medizinkundigen und Vorläufer des Urologen, der die Probe entsprechend der Humoralpathologie auf Dichte, Farbe, Geruch, Geschmack und Sediment (lateinisch contenta „Inhaltsstoffe“) überprüfte und den unter anderem auf das Mischungsverhältnis der Körpersäfte Rückschlüsse erlaubenden Befund, der mit anderen medizinischen Daten des Patienten im Zusammenhang gewertet wurde, in die Urinkarte eintrug. Für manche Untersuchungen wurde ein Schneckentropfaufsatz aufgesteckt, der es erlaubte, nur tropfenweise Mengen zu entnehmen.

Die Matula als Statussymbol des (gelehrten) Arztes[2] und Symbol[3] für eine seinerzeit als universell (für fast alle Krankheiten) und unfehlbar betrachtete Diagnosemethode findet sich auch heute noch in den Zeichen verschiedener urologischer Gesellschaften, z. B. der Deutschen Gesellschaft für Urologie,[4] des Berufsverbandes der deutschen Urologen und der Amerikanischen Gesellschaft für Urologie.[5]

In gedruckten medizinischen Lehrbüchern finden sich handgemalte Illustrationen, welche den Arzt mit dem Harnglas in der Hand darstellen mit einem 1472 in Mantua herausgegebenen Werk des Pietro d’Abano.[6]

Bei einigen Autoren des Mittelalters (Johannes Actuarius) und der Frühen Neuzeit findet sich das Uringlas als Analogon zum menschlichen Körper. Beruhend auf einer „uroskopischen Repräsentationstheorie“[7] (Entsprechungslehre) entsprechen die sichtbaren Harnteilchen (Contenta) dann je nach ihrer Position dee erkrankten Körperregion.[8]

Literatur Bearbeiten

  • Friedrich v. Zglinicki: Die Uroskopie in der bildenden Kunst. Eine kunst- und medizinhistorische Untersuchung über die Harnschau. G-I-T Verlag Ernst Giebler, Darmstadt 1982, ISBN 3-921956-24-2, passim.
  • Ortrun Riha: Konzepte: Säfte und Symbole. In: Medizin im Mittelalter. Zwischen Erfahrungswissen, Magie und Religion (= Spektrum der Wissenschaften. Spezial: Archäologie Geschichte Kultur. Band 2.19), 2019, S. 6–11, hier: S. 6 f.

Einzelnachweise Bearbeiten

  1. Karl Sudhoff: Harnglas und Harnglaskorb. Etwas aus dem ABC der medizinischen Realienkunde des Mittelalters. In: Sudhoffs Archiv 17, 1925, S. 292–298.
  2. Friedrich v. Zglinicki (1982), insbesondere S. 19 f.
  3. Carl Gustav Jung: Der Mensch und seine Symbole. 1968.
  4. Deutsche Gesellschaft für Urologie.
  5. American Urological Association, AUA.
  6. Friedrich v. Zglinicki: Die Uroskopie in der bildenden Kunst. Eine kunst- und medizinhistorische Untersuchung über die Harnschau. 1982, S. 46.
  7. Hans Christoffel: Grundzüge der Uroskopie. In: Gesnerus. Band 10, 1953, S. 89–122.
  8. Johanna Bleker: Die Geschichte der Nierenkrankheiten. Boehringer Mannheim, Mannheim 1972, S. 19, 22–23 und 34–39.