Gregorio (Software)

Programmiersprache

Gregorio ist ein freies Notensatzprogramm, speziell für den Satz von Gregorianischem Choral in römischer Quadratnotation für alle gängigen Betriebssysteme. Gregorio ist kein in sich stehendes Notensatzprogramm, sondern besteht im Wesentlichen aus drei Komponenten: Der gabc-Syntax zur Notation des Chorals, einem TeX-Paket namens GregorioTeX zur Ausgabe der Noten in einer PDF-Datei und einem Konvertierungstool zwischen den erstgenannten.[5]

Gregorio

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Basisdaten

Entwickler Br. Samuel Springuel, Henry So, Élie Roux, Br. Elijah Schwab, Jakub Jelínek u. a.[1]
Erscheinungsjahr 2006[2]
Aktuelle Version 6.0.0[3][4]
(13. März 2021)
Betriebssystem Windows, macOS, Linux
Programmier­sprache C, Lua, Python
Kategorie Musiksoftware
Lizenz GPLv3 (Freie Software)
gregorio-project.github.io

Besonderheiten

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Gregorio ist speziell für den Satz gregorianischen Chorals in Quadratnotation geschrieben. Modernen europäischen Notensatz beherrscht das Programm nicht. Es bietet, anders als viele andere Notensatzprogramme, keine grafische Oberfläche, sondern die Notation erfolgt, ähnlich wie bei LilyPond, über eine Quelldatei in einem Texteditor. Anders als Lilypond ist Gregorio jedoch keine in sich stehende Software, sondern ist in gewisser Hinsicht ein LaTeX-Paket. Zum Erstellen einer Partitur ist zwingend ein TeX-Dokument erforderlich. Die eigenständige Leistung von Gregorio besteht im Kompilieren einer .gabc-Datei zu einer GregorioTeX-Datei. gabc ist die Datei für die Noteneingabe und folgt der von Gregorio definierten Syntax. Die GregorioTeX-Datei ist nicht zur Bearbeitung gedacht und nur schwer von Menschen lesbar. Sie wird in ein TeX-Dokument eingebunden und sorgt dann für den gewünschten Output, z. B. zu einer PDF-Datei.

Geschichte

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Das Gregorio Project entstand 2006 als sechsmonatiges, studentisches Projekt an der TELECOM Bretagne unter der Leitung von Yannis Haralambous. Danach veröffentlichte Élie Roux das Programm unter der GPL und entwickelte es allein weiter. Zunächst war das Ziel nur, der Abtei von Le Barroux eine Benutzerschnittstelle zur Eingabe einer bestehenden Schriftart für den gregorianischen Choral zu entwickeln. Aus Lizenzgründen wurde für das Projekt aber schließlich eine eigene Schriftart erstellt.

Ende 2006 stieß ein neuer Entwickler, Olivier Berten, zu dem Projekt und schrieb eine OpusTeX-Komponente (OpusTeX war ein LaTeX-Paket, ebenfalls für den Satz gregorianischen Chorals; die Entwicklung ist eingestellt[6]). In dieser Phase war Gregorio bereits über die Kommandozeile brauchbar. Wesentlichen Fortschritt machte das Programm durch die Einführung im Monastero di San Benedetto, Norcia (Italien). Der Output von Gregorio wurde umbenannt zu GregorioTeX.

Im Juni 2014 erfolgte die Migration zu GitHub, was den Entwicklungsprozess deutlich beschleunigte und neue Entwickler anzog. Die Qualität des Notensatzes stieg erheblich, was zu wachsender Bekanntheit und Verwendung führte. Eine Liste von Projekten, die Gregorio verwenden, findet sich auf dem projekteigenen Wiki.[7] Die prominenteste Nutzerin ist vielleicht die Abtei Solesmes, die eine entscheidende Rolle bei der Restitution des Gregorianischen Gesanges im 19. und 20. Jahrhundert gespielt hat. Die Abtei setzt Gregorio für alle künftigen Veröffentlichungen ein.[5]

Seit 2016 ist das Paket gregoriotex Teil von TeX Live.[8]

Beispiel einer Partitur

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Zum Erstellen einer Partitur bietet es sich an, zwei Dateien zu verwenden: eine .gabc-Datei und eine .tex-Datei. Für den Notensatz ist insbesondere die gabc-Syntax zu erlernen. Die Tex-Datei könnte folgendermaßen aussehen (hier müsste die zugehörige Gabc-Datei als „kyrie.gabc“ im gleichen Verzeichnis liegen):[9]

Quellcode

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\documentclass[12pt, a5paper]{article}
\usepackage{fullpage}
\usepackage{fontspec}
\usepackage{libertine}

\usepackage[autocompile]{gregoriotex}

\begin{document}

\gregorioscore{kyrie}

\end{document}

Eine kleine gabc-Datei sieht folgendermaßen aus:

name:Kyrie XVII;
%%
(c4)KY(f)ri(gfg)e(h.) *() e(ixjvIH'GhvF'E)lé(ghg')i(g)son.(f.) <i>bis</i>(::)

Zu Beginn stehen Metainformationen, die den Namen des Chorals, seinen Platz in der Liturgie der Messe oder im Stundengebet, die Quelle oder das Copyright betreffen können. Es folgt der die Festlegung des Notenschlüssels. Gesungener Text und Noten stehen, anders als bei Lilypond, nicht getrennt, sondern die Noten stehen in Klammern hinter der zugehörigen Silbe. Einen kurzen Überblick über weitere Details der Notation bietet die Kurzreferenz.[10] Liegen beide Dateien im gleichen Verzeichnis, wäre im Anschluss nur die tex-Datei mit dem Befehl lualatex --shell-escape kyrie.tex[11] zu kompilieren.

Resultierende Darstellung

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Verbreitung und Nutzer

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In seiner speziellen Nische hat sich Gregorio als führendes Programm durchgesetzt und ist weit verbreitet.[12][13][14][15] Es wird auch von anderen Projekten als Spezialist auf diesem Feld wahrgenommen.[16]

Die Church Music Association of America bot Einführungsschulungen bei ihren jährlichen Treffen an.[12]

Andere Nutzer von Gregorio sind:

  • Illuminare Publications, eine Publikationsreihe zu liturgischer Musik, die sich einer Reform der Liturgie im Sinne Liturgiam authenticams verschrieben hat. Sie umfasst unter anderem ein „Missal“[17] und ein „Simple Gradual“[18].
  • Die CMAA nutzt Gregorio für verschiedene größere Projekte, z. B. für die „Simple English Propers“[13], das „Parish Book of Psalms“[14] oder die „Psalm-Tone Lenten Tracts“[19]
  • Hymnarium OP, ein Hymnarium der Dominikaner der Provinz St. Joseph (Ostküste der USA)[20]
  • Die Abtei Solesmes für ihre Veröffentlichungen[15]
  • Die Abbazia Mater Ecclesiæ und die Abtei Praglia für ihr „Antiphonale Monasticum“ nach dem Füglister B-Schema (2 Bände), vollständig mit Gregorio und LuaLaTeX erstellt[21][22]
  • Das Benediktinerkloster von Norcia, z. B. für den Satz des Tischgebets[23]
  • „Liturgia Horarum in cantu gregoriano“, eine Veröffentlichung des traditionellen Stundengebets in gesungener Form für alle Sonn- und Feiertage[24], und „Ad Completorium“, ein als Buch erschienener Auszug davon, nämlich die Komplet[24]
  • Einige andere, kleinere Projekte[25][26][27][28][29][30]

Projekte im Umkreis

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Zu nennen sind auch Projekte, die die Arbeit mit Gregorio erheblich vereinfachen:[31]

  • GregoBase, eine sehr umfangreiche Noten-Datenbank, die u. a. eine beinahe vollständige Digitalisierung Graduale Romanum und des Liber Usualis umfasst[32]
  • Online-Tools, wie Online-Editoren[33][34] oder gabc-Code-Generatoren[35] für Psalmen, Lesungen oder Hymnen
  • Syntaxhervorhebung für die gabc-Syntax für verschiedene Editoren (u. a. Vim, Emacs, gedit, Notepad++)[36]

Gregorio wurde in einen Vergleich von Notationssoftware für alte Musik einbezogen.[37]

Siehe auch

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Einzelnachweise

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  1. Mitarbeiter. In: GitHub. Abgerufen am 13. Juni 2017 (englisch).
  2. gregorio-project.github.io. (abgerufen am 22. März 2024).
  3. github.com.
  4. Release 6.0.0. 13. März 2021 (abgerufen am 13. April 2021).
  5. a b Geschichte. Abgerufen am 23. Mai 2016.
  6. Installation and Use of OpusTeX. (Memento des Originals vom 15. Mai 2016 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.hermes.net.au Abgerufen am 23. Mai 2016.
  7. gregoriochant.org
  8. TeX User Group: The TeX Live Guide / 2016. Abgerufen am 26. März 2018 (englisch).
  9. Gregorio Tutorial. Abgerufen am 23. Mai 2016. Das Beispiel ist vollständig dieser Seite entnommen.
  10. gregobase.selapa.net (PDF).
  11. Gregorio Website – Using Gregorio in a terminal. Abgerufen am 23. Mai 2016.
  12. a b Morning Breakouts at Colloquium XXII. CMAA, abgerufen am 14. Juli 2016.
  13. a b Adam Bartlett: Simple English Propers. The Church Music Association of America, S. v, abgerufen am 13. Juni 2016.
  14. a b Arlene Oost-Zinner: The Parish Book of Psalms. The Church Music Association of America, S. 456, abgerufen am 13. Juni 2016.
  15. a b Gregorio Website - History. Gregorio Project team, abgerufen am 23. Mai 2016.
  16. Der Entwickler von MuseScore, Nicolas Froment, sieht keine Notwendigkeit, die Quadratnotation als Funktionalität seinem Projekt hinzuzufügen, da Gregorio diese Nische bereits abdecke. MuseScore 2.0 brings better music notation, improved usability. Libre Graphics World, abgerufen am 15. Juli 2016.
  17. Adam Bartlett (Editor): Lumen Christi Missal, 2012, p. iv.
  18. Adam Bartlett (Editor): Lumen Christi Simple Gradual, 2014, p. viii.
  19. Aristotle A. Esguerra: Psalm-Tone Lenten Tracts. The Church Music Association of America, abgerufen am 13. Juni 2016.
  20. Hymnarium OP. Dominicans of the Province of St Joseph, abgerufen am 16. Mai 2018.
  21. Antiphonale Monasticum. Abgerufen am 19. Februar 2018.
  22. Antiphonale Monasticum di Praglia (Video Presentation). Abgerufen am 19. Februar 2018.
  23. Benedictiones Mensae. Abgerufen am 16. Mai 2018.
  24. a b Liturgia Horarum in cantu gregoriano. Steven van Roode, abgerufen am 14. Juli 2016.
  25. Antiphonale Invectum. Christopher Gray, abgerufen am 13. Juni 2016.
  26. Editio Sancti Wolfgangi. Jakub Pavlík, archiviert vom Original am 15. Juli 2016; abgerufen am 16. März 2024.
  27. Ferial English Propers. Ben Yanke, abgerufen am 16. Mai 2018.
  28. The Traditional office of Compline in HTML and GABC. In: github.com. Seth Borders, abgerufen am 14. Juli 2016.
  29. The Traditional office of Compline in HTML and GABC. In: github.com. Benjamin Bloomfield, abgerufen am 14. Juli 2016.
  30. Office des Complies en rite traditionnel. In: github.com. Jacques Peron, abgerufen am 14. Juli 2016.
  31. Online Tools. Abgerufen am 23. Mai 2016.
  32. gregobase.selapa.net
  33. dev.illuminarepublications.com (Memento vom 14. Mai 2016 im Internet Archive), abgerufen am 15. April 2024.
  34. Gregorio Chant Engraver. Jeff Ostrowski, abgerufen am 14. Juli 2016. Diese Gregorio-Schnittstelle wurde auch in einem Video-Tutorial vorgestellt. How do I use Gregorio? How do I use GABC? Jeff Ostrowski, abgerufen am 14. Juli 2016.
  35. Benjamin Bloomfield: Benjamin Bloomfield's GABC-Tools, FAQ. Abgerufen am 23. Mai 2016.
  36. GregoWiki - Text editor tools for gabc files. Gregorio Project team, abgerufen am 23. Mai 2016.
  37. Encoding medieval music notation for research J. Stinson, J. Stoessel - Early Music 42.4 (2014), S. 613–617 - Oxford Univ. Press.