Gabriele Goettle

deutsche Journalistin und Schriftstellerin
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Gabriele Goettle (* 31. Mai 1946 in Aschaffenburg) ist eine deutsche Journalistin und Schriftstellerin, die für ihre Reportagen bekannt ist.

Leben und Werk

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Gabriele Goettle wuchs in Karlsruhe auf. Sie studierte Bildhauerei, Literaturwissenschaft, Religionswissenschaft und Kunstgeschichte in Berlin. Nachdem sie 1976 Mitbegründerin der Berliner anarchistischen Zeitschrift Die Schwarze Botin war, liefert sie seit den 1980er Jahren Reportagen über den Alltag in der Bundesrepublik Deutschland wie etwa für die Zeit, vorwiegend jedoch für die taz unter dem monatlichen Ressorttitel Freibank. Seit 1991 erscheinen unregelmäßig gesammelte Reportagen in Buchform. Gemeinsam mit Brigitte Classen gab Goettle Die Schwarze Botin bis 1980 auch heraus.[1]

Die Monologe, die in Goettles Beiträgen zu lesen sind, bezeichnet Ina Hartwig als ein Pastiche des Gesagten, literarisierte Oral History. Ihr Aufnahmegerät nutze Goettle inzwischen (1998) nur noch, um sich eine spezifische Art zu sprechen zuhause nochmals anhören zu können und zu üben. Dann schreibe sie das, was sie aus dem jeweiligen Gespräch erinnert, in ihren eigenen Worten auf.[2]

Daraus ergibt sich eine „originelle literarische Form“, die laut Joachim Günther „allenfalls […] Studs Terkel in den USA vergleichbar“ sei. „Ihre Kunst ist, sich Einzelschicksale erzählen zu lassen, dem Individuum Stimme zu geben und eben damit das Allgemeine, die Physiognomie deutscher Verhältnisse, fasslich zu machen.“[3]

Arno Widmann bezeichnete die Gesamtheit der einzelnen Texte Goettles als „eine einzige riesige vielstimmige Komposition“, in der „der Sound der Bundesrepublik“ erklingt. Er fasste zusammen: „Seit dreißig Jahren porträtiert sie Menschen, zeigt uns, dass es nichts Uninteressantes gibt, dass, wer für das System, in dem wir leben, irrelevant ist, in einem anderen systemrelevant sein könnte. Für diese Einsicht danke ich ihr.“[4]

Goettle ist Mitglied des PEN-Zentrums Deutschland. 1994 vertonte Heinz Rudolf Kunze eine Geschichte aus ihrem Buch Deutsche Sitten zu dem Lied Goethes Banjo (enthalten auf dem Album Kunze Macht Musik).

Rezeption und Auszeichnungen

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1995 erhielt Gabriele Goettle den Ben-Witter-Preis, 1999 den Schubart-Literaturpreis der Stadt Aalen. 2002 überließ ihr Hans Magnus Enzensberger das Preisgeld für den ihm verliehenen Ludwig-Börne-Preis.[5] 2012 widmete Lutz Mühlfriedel ihr und ihren Reisen in einen unbekannten Alltag eine komplette Sendung im Rahmen von Re-PopSunday bei Radio Jena. Frank Schirrmacher feierte Goettle als „eine der wichtigsten literarischen Stimmen unserer Zeit“.[6] 2015 verlieh ihr die Deutsche Akademie für Sprache und Dichtung für ihre „Berichte von Frauen und Männern aus allen Bereichen der Gesellschaft, deren Berufe und Berufungen, Leiden und Leidenschaften die Autorin mit großem Gespür für die Probleme unserer Zeit, mit scharfer Präzision und Menschenfreundlichkeit zur Sprache bringt“ den Johann-Heinrich-Merck-Preis für literarische Kritik und Essay.[7] Das Preisgeld von 20.000 Euro nahm sie nicht an, weil es vom Pharmaunternehmen Merck gestiftet wird. Stattdessen leitete sie das Geld an eine pharmakritische Initiative weiter.[8]

Im gleichen Jahr erhielt sie den Roswitha-Preis 2015 der Stadt Bad Gandersheim.

Werke (Auswahl)

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Literatur

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  • Dieter Welz: On Reconnaissance in the Former GDR. Interventionist Strategies of the Narrative in Gabriele Goettle’s ‚Deutsche Sitten: Erkundungen in Ost und West‘. In: Kulturstreit – Streitkultur. German Literature since the Wall. Hrsg. von Peter Monteath, Reinhard Alter. Rodopi, Amsterdam, Atlanta, GA 1996, ISBN 90-420-0092-9, S. 165–172.
  • Vojin Saša Vukadinović (Hrsg.): Die schwarze Botin. Ästhetik, Kritik, Polemik, Satire 1976–1980. Mit einem literaturwissenschaftlichen Nachwort von Christiane Ketteler und Magnus Klaue, Wallstein Verlag, Göttingen 2020. ISBN 978-3-8353-3785-5.[10]
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Fußnoten

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  1. Katharina Lux: Kritik und Konflikt. Die Zeitschrift Die Schwarze Botin in der autonomen Frauenbewegung. Mandelbaum, Berlin/Wien 2022, S. 69.
  2. Ina Hartwig: „Proletarier, sprich“ in ihrem Essayband: Das Geheimfach ist offen. Über Literatur. S. Fischer, Frankfurt am Main 2012, ISBN 978-3-10-029103-5, S. 247–258, überarbeitete Fassung eines Beitrags, der zuerst am 21. Februar 1998 in der Beilage Zeit und Bild der Frankfurter Rundschau erschien.
  3. Joachim Güntner: Herbsttagung der Deutschen Akademie mit Widrigkeiten – Nervöses Bewusstsein. In: Neue Zürcher Zeitung. 3. November 2015.
  4. Arno Widmann: Der ganze Stoff der Wirklichkeit. In: Perlentaucher. 12. November 2015.
  5. Hans Magnus Enzensberger: Nicht an Geist, an Charakter mangelt es. Über Ludwig Börne und seine Nachfahrin Gabriele Goettle. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung. 3. Juni 2002, S. 41.
  6. Frank Schirrmacher: Aus dem Nachtgebet der Genoveva Kraus. Gabriele Goettles Erkundungen im Lande und andere unheimliche Berichte vom Leben: ihr Prosaband ‚Deutsche Sitten‘ und die Essays ‚Freibank‘. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung. 8. Oktober 1991, Literaturteil, S. 1 f.
  7. Merck-Preis auf der Homepage der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung
  8. Spiegel online: Büchner-Preis-Verleihung. 31. Oktober 2015.
  9. Mit den Erinnerungen der Kioskbetreiberin Ingrid Reinke vom Ludwig-Beck-Platz in Berlin-Lichterfelde aus: Gabriele Goettle: Der Kiosk. In: Die Tageszeitung. 27. Dezember 2006, ISSN 0931-9085, S. 13–14 (taz.de [abgerufen am 21. November 2023]).
  10. Süddeutsche Zeitung: "Die Schwarze Botin" - Anthologie über die feministische Zeitschrift. Abgerufen am 3. Januar 2021.