Gjurmët (dt. Die Spuren) war eine kosovo-albanische New-Wave-Band bzw. Post-Punk-Band aus Pristina im Kosovo, die 1980 gegründet wurde. Sie gilt als eine der bekanntesten albanischsprachigen Bands des Kosovo zu Zeiten des ehemaligen Jugoslawien.

Gjurmët
Logo von Gjurmët

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Allgemeine Informationen
Herkunft Pristina
Genre(s) New Wave, Synthie-Pop, Post-Punk
Gründung 1980
Auflösung 1986
Gründungsmitglieder
Migjen Kelmendi
Tomor Kurshumliu
Petrit Riza
Bekim Dyla
Gazmend Hasbahta
Letzte Besetzung
Migjen Kelmendi
Armando Gjini (ab 1984)
Tomor Kurshumliu
Petrit Riza
Bekim Dyla

Geschichte Bearbeiten

Die Band wurde 1980 von Migjen Kelmendi (Gesang, Rhythmusgitarre) gegründet, dem Sohn des Schriftstellers und Journalisten Ramiz Kelmendi. Migjen Kelmendi studierte bis 1983 Jura an der Universität Pristina und war später als Radio- und Printjournalist sowie als Literat und Übersetzer tätig. Er ließ sich in der Bandgründung von westlicher New-Wave-Musik inspirieren, arbeitete aber auch traditionelle kosovo-albanische musikalische Einflüsse in das Werk der Band ein.[1][2]

Im Jahr 1982 nahm die Band den Song Karrigat auf, den Radio Televizioni i Prishtinës aufgrund seiner politischen Texte ablehnte. Anschließend nahm die Band Mikrofoni auf, dessen politische Texte jedoch akzeptiert wurden. 1984 nahm die Band das Material für ihr Debütalbum Gjurmët auf, das im folgenden Jahr auf Kassette veröffentlicht wurde.[3][4] Im Jahr 1986 trennte sich die Band. Nach ihrer Trennung wurde 1988 wurde das Lied Heroi i Qytetit Pa Lum veröffentlicht. Im Jahr 2002 wurde das Album LP veröffentlicht, eine Kompilation von Aufnahmen aus den 1980er Jahren.[5]

Kelmendi machte anschließend nach Aufenthalten in Kanada und den USA Karriere als Journalist. Er wurde später Produktionsleiter der kosovarischen Ausgabe des Albanischen Satellitenfernsehens und schließlich Direktor für das Programm Fernsehen und Literatur auf dem öffentlich-rechtlichen Sender RTK.

Gesellschaftlicher Kontext Bearbeiten

Inhaltlich beschäftigt sich Gjurmët mit den Interessen junger Menschen und den gesellschaftlichen und kulturellen Veränderungen im Kosovo der 1980er Jahre. Die Band agierte im Spannungsfeld zwischen der auf Radio Luxemburg gespielten internationalen Musik und Modernität auf der einen Seite sowie der kulturellen Repression albanisch singender Rockbands im sozialistischen Serbien auf der anderen Seite.[6][7]

Beispielhaft für Gjurmëts Œuvre ist Hero I Qytetit Pa Lum (dt. Held einer Stadt ohne Fluss), für den David Bowie mit seinem Song Heroes stilistisch und inhaltlich wegweisend war und dessen Thema die Bandmitglieder auf ihre eigene Lebenssituation anwendeten. Gjurmët fragten sich, in welcher Form sie Helden in ihrer Stadt sein könnten. Sie beantworteten sich diese Frage damit, dass sie keine Helden sein können, weil ihre Heimatstadt Priština keinen Fluss besitzt. Er wurde zugeschüttet und sie leben in der einzigen Hauptstadt ohne Fluss – sie sind die Helden der Stadt ohne Fluss.[8][5][9][10]

Das Betreiben einer Rockband wurde in dieser Zeit als politische Positionierung betrachtet. Nach den Unruhen im Kosovo im Jahr 1981 identifizierten sich die Bandmitglieder – wie viele junge Intellektuelle – unter dem Einfluss der Universität Pristina mit der albanisch-nationalistischen Opposition.[8][11]

In den 80er Jahren traten Gjurmët auf Festivals vor bis zu 5000 Zuschauern auf, z. B. auf dem BOOM Pop Festival mit Bands aus ganz Jugoslawien.[8]

Diskografie Bearbeiten

  • 1985: Gjurmët (Album veröffentlicht auf Kassette) bei Radio Television Priština[12]
  • 2002: LP (Album veröffentlicht auf CD, Kompilation) im Selbstverlag, Retrospektive mit Aufnahmen, die zwischen 1982 und 1988 gemacht wurden[13]

Texte über Gjurmët Bearbeiten

  • Migjen Kelmendi: To Change The World: A Short History of The Traces, (engl., dt. Die Welt verändern: Eine kurze Geschichte der Gjurmët.) JAVA Multimedia Production, Pristina 2001 – Das Buch beschreibt, wie die Rockszene auf dem Balkan inklusive der Band Gjurmët in die politischen Vorgänge eingebunden waren, die sich später zum Jugoslawienkrieg entwickelten. (Die englische Übersetzung des Bandnamens Gjurmët lautet traces.)[4][6]
  • Migjen Kelmendi: Gjurmet LP (Erzählung)[10]

Weblinks Bearbeiten

Quellen Bearbeiten

  1. Migjen Kelmendi, Autorenseite auf der Website des Barcelonaer Literaturfestivals kosmopolis, abgerufen am 2. April 2013
  2. Robert Elsie: Historical Dictionary of Kosovo (= Historial dictioneries of Europe. Band 79). 2. Auflage. Scarecrow Press, Lanham / Tornto / Plymouth 2011, ISBN 978-0-8108-7483-1, S. 93 (englisch).
  3. Darko Hudelist: Kosovo. bitka bez iluzija. Centar za informacije i publicitet, Zagreb 1989, ISBN 978-86-7125-029-0, S. 120 ff.
  4. a b Interview with Migjen Kelmendi: “Rock Music Anticipated the Crash of Yugoslavia”. In: Hello my name is Holiday (Blog) vom 17. Januar 2011@1@2Vorlage:Toter Link/mynameisholiday.wordpress.com (Seite nicht mehr abrufbar, festgestellt im April 2018. Suche in Webarchiven)  Info: Der Link wurde automatisch als defekt markiert. Bitte prüfe den Link gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis., abgerufen am 2. April 2013
  5. a b Infoteil der Facebookseite von Gjurmët, abgerufen am 2. April 2013
  6. a b To Change the World: The History of The Traces in der DiBiDo, der Central and Eastern European Online Library@1@2Vorlage:Toter Link/www.dibido.eu (Seite nicht mehr abrufbar, festgestellt im April 2018. Suche in Webarchiven)  Info: Der Link wurde automatisch als defekt markiert. Bitte prüfe den Link gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis., abgerufen am 2. April 2013
  7. Radio Helsinki (Redakteur_innen: Esmir Pashaj, Nebije Rrustja): Rock'n'Roll in Albanien – auf den Spuren von Gjurmët In: cultural broadcasting archive. 31. März 2013, abgerufen am 2. April 2013
  8. a b c Migjen Kelmendi (I), Kosovo auf der Website der European Stability Initiative, abgerufen am 2. April 2013
  9. Hero I Qytetit Pa Lum von Gjurmët mit Text auf Youtube (Memento vom 7. Juli 2015 im Internet Archive), abgerufen am 2. April 2013
  10. a b Barbara Spengler-Axiopoulos: Helden in der Stadt ohne Fluss. Eine Gruppe junger Intellektueller sucht der kosovarischen Identität Form zu geben.@1@2Vorlage:Toter Link/www.nzz.ch (Seite nicht mehr abrufbar, festgestellt im April 2018. Suche in Webarchiven)  Info: Der Link wurde automatisch als defekt markiert. Bitte prüfe den Link gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis. In: Neue Zürcher Zeitung vom 11. Januar 2006, abgerufen am 2. April 2013
  11. Julie Mertus: Kosovo: how myths and truths started a war. University of California Press, 1999, S. 29 ff.
  12. Gjurmët: Gjurmët, Album auf Discogs, abgerufen am 2. April 2013
  13. Gjurmët: LP, Album auf Discogs, abgerufen am 2. April 2013