German Police Project Team

seit dem Jahr 2002 bestehendes bilaterales Polizeiprojekt in Afghanistan des Bundesministeriums des Innern, für Bau und Heimat

Das German Police Project Team (GPPT) war ein von 2002 bis 2021 bestehendes bilaterales Polizeiprojekt in Afghanistan des Bundesministeriums des Innern, für Bau und Heimat. Das GPPT stellte neben dem militärischen Einsatz der Bundeswehr im Rahmen der Nato Mission Resolute Support (RS) das zivil-polizeiliche Engagement der Bundesregierung in Afghanistan zur Ausbildung und Beratung sowie Unterstützung der Afghanische Nationalpolizei dar. Das militärische Äquivalent war das Operational Mentoring and Liaison Team.

German Police Project Team
— GPPT —

Staatliche Ebene Bund
Stellung Polizei des Bundes
Rechtsform bilaterales Polizeiprojekt
Geschäftsbereich Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat
Gründung März 2002 als German Police Project Office (GPPO)
Auflösung 30. April 2021
Hauptsitz Kabul
Head of Mission Peter Jördening[1]
Deputy Head of Mission David Parma[2]
Bedienstete 18 (13. August 2020)[3]
Haushaltsvolumen 12 Mio. Euro (Stand: 2013)[4]
Netzauftritt www.bmi.bund.de

Hintergrund Bearbeiten

Deutsches Engagement in Afghanistan im Bereich der Polizei geht bis in 1960er und 1970er Jahre zurück. Bereits zu dieser Zeit wurden deutsche Polizeibeamte als Berater nach Kabul entsandt.[5][6] Nach der Intervention der Internationalen Gemeinschaft sowie dem Sturz des Taliban-Regimes im Jahr 2001 begann eine Koordinierung des politischen und wirtschaftlichen Wiederaufbaus. Auf der in Genf im April 2002 stattfindenden G8-Geberkonferenz wurde u. a. eine Sicherheitssektorreform in Afghanistan beschlossen. Hierbei wurden unterschiedliche nationale Verantwortlichkeiten festgelegt („lead nations“). Die USA waren demnach für die Afghanische Armee, das Vereinigte Königreich für die Drogenbekämpfung, Italien für das Justizsystem, Japan für die Entmilitarisierung und Deutschland für die Afghanische Nationalpolizei zuständig.[7][8][9] Basierend hierauf wurde noch im selben Jahr das German Police Project Office (GPPO) in Kabul als Vorläuferorganisation des GPPT eingerichtet, welches bis 2007 bestand. Die Leitung des Polizeiaufbaus in Afghanistan ging im Laufe des Jahres 2007 auf die EUPOL-Mission in Afghanistan über. Im Juni 2007 wurde schließlich das GPPO in German Police Project Team (GPPT) umbenannt.

Rechtsgrundlagen Bearbeiten

Am 15. März 2002 wurde die Vereinbarung zwischen dem Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat und dem Innenministerium der Interimsregierung von Afghanistan über die Einrichtung eines Projektbüros zum Wiederaufbau der Afghanischen Polizei im Rahmen des Stabilitätspaktes Afghanistan (Sitz- und Statusabkommen) geschlossen.[10] Bei dem GPPT handelt es sich um einen Auslandseinsatz der deutschen Polizei, welcher nicht auf § 8 BPolG (Verwendung im Ausland) gestützt werden kann, sondern der seine verfassungsrechtliche Grundlage im Rahmen der auswärtigen Gewalt unmittelbar in Art. 32 Abs. 1 GG findet.[11][12] Demnach ist die Pflege der Beziehungen zu auswärtigen Staaten ausschließliche Sache des Bundes. Mit dem zwischenstaatlichen Abkommen vom 15. März 2002 erklärte die Islamische Republik Afghanistan das erforderliche Einvernehmen des deutschen polizeilichen Engagements auf ihrem Hoheitsgebiet.

Aufgaben Bearbeiten

Die Aufgaben des GPPT sind in Art. 2 des Abkommens[13], zuletzt geändert am 23. Oktober 2006, detailliert beschrieben:

  • Beratung der afghanischen Sicherheitsbehörden bei der Führung und Leitung einer rechtsstaatlichen Grundsätzen und der Beachtung der Menschenrechte verpflichteten afghanischen Polizei
  • Unterstützung bei der Ausbildung afghanischer Polizeibeamter, insbesondere von Multiplikatoren
  • Umsetzung der bilateralen polizeilichen Ausstattungshilfe
  • Aktive Beteiligung an der Koordinierung der internationalen Unterstützung für den Aufbau der afghanischen Polizei

Konkret ausgestaltet wird das Engagement des GPPT beispielsweise durch Ausbildungsmaßnahmen im Bereich der Luftsicherheit, der Dokumentenprüfung sowie der flughafenspezifischen Entschärfergruppe (EOD) bzw. durch Ausbildungsmaßnahmen im Bereich des Polizeiausbildung (Schießausbildung, Selbstverteidigung usw.).[14][15] Ebenso leistet das GPPT Ausstattungshilfe u. a. durch Errichtung von Unterkunftsgebäuden, Technikräumen und Lage- und Einsatzzentralen für die Polizei sowie Beschaffung von Kommunikationstechnik.[16]

Einsatzorte Bearbeiten

Der Einsatz erfolgte zunächst in Kabul und wurde anschließend auf die Orte Mazar-e-Sharif, Kunduz und Feyzabad ausgeweitet.[17] Darüber hinaus waren im Rahmen des FDD-Programms (Focused District Development), Beamte zur Beratung/Ausbildung von afghanischen Sicherheitskräften in verschiedenen Distrikten vor Ort eingesetzt.[18] Die Außenstellen Kunduz sowie Fayzabad wurden im Laufe der Zeit geschlossen, sodass bis zum Ende des GPPT nur noch die Standorte in Mazar-e-Sharif (im Bundeswehrcamp Marmal) sowie in Kabul aktiv waren.

 
Übergabe von technischem Material an die Kabul City Police

Personal Bearbeiten

Das seit 2002 bestehende zivil-polizeiliche Engagement der Bundesregierung in Afghanistan ist das umfangreichste in der Geschichte der Bundesrepublik. Beim GPPT sind Beamten der Bundespolizei, der Polizeien der Länder sowie des Bundeskriminalamtes eingesetzt. Die Leitung des GPPT (Head of Mission) obliegt immer einem Beamten des höheren Dienstes der Bundespolizei. Im Jahr 2018 wurden insgesamt 131 Polizisten in Afghanistan im GPPT eingesetzt.[19] Durchschnittlich befanden sich 53 Polizisten in Afghanistan im Einsatz. Der Frauenanteil betrug 12,2 Prozent.

Auflösung Bearbeiten

Mit Wirkung zum 30. April 2021 wurde das GPPT durch Anordnung des BMI aufgelöst. Die Auflösung des GPPT wurde wie folgt begründet:

„Hintergrund für die Beendigung des GPPT sind die Entscheidungen des US-Präsidenten und des NATO-Rats, die US-Truppen und die Resolute Support Mission spätestens bis zum 11. September 2021 aus Afghanistan abzuziehen sowie der Abzug der Bundeswehr bis spätestens Mitte August.“

Pressemitteilung des BMI vom 27. April 2021[20]

Afghanistan-Spange Bearbeiten

Bei der Afghanistan-Spange handelt es sich um ein Orden- und Ehrenzeichen des Bundesministeriums des Innern, für Bau und Heimat. Dieses wurde im Jahr 2011 auf eine Initiative des Bundesinnenministers, Thomas de Maizière, als eine projektspezifische Auszeichnung für das bilaterale deutsche Polizeiprojekt in Afghanistan eingeführt.[21] Seither können alle Polizisten des Bundes und der Länder nach Beendigung ihres Einsatzes im bilateralen Polizeiprojekt als Zeichen des Dankes und der Anerkennung mit der Afghanistan-Spange ausgezeichnet werden. Die Afghanistan-Spange wird in Abhängigkeit von der Einsatzzeit in Gold (ab 15 Monaten Einsatzzeit), Silber (ab 7 Monaten Einsatzzeit) oder Bronze (ab 3 Monaten Einsatzzeit) verliehen.[22] Die Afghanistan-Spange hat eine Größe von 48 × 18 mm und enthält die Landesfarben von Deutschland und Afghanistan. Das Prägeschild mit Relief des Landes Afghanistan, dem Bundeswappen und der Inschrift GPPT ist Ausdruck des bilateralen polizeilichen Engagements in Afghanistan.

Literatur Bearbeiten

  • David Parma: Die deutsche Polizeimission in Afghanistan - eine Bilanz zwischen stoischer Souveränität und Isolation. In: Deutsches Polizeiblatt. Fachzeitschrift für die Aus- und Fortbildung in Bund und Ländern. Nr. 1, 2022, ISSN 0175-4815, S. 18 ff.
  • Cornelius Friesendorf, Jörg Krempel: Militarisierung statt Bürgernähe: Das Missverhältnis beim Aufbau der afghanischen Polizei. Hessische Stiftung Friedens- und Konfliktforschung, Frankfurt am Main 2010, ISBN 978-3-942532-09-9 (Download [PDF; 1,1 MB; abgerufen am 3. Mai 2021]).
  • Nicolas Fescharek: The German Police Project Team (GPPT) and the “capacity to do capacity building”, recherches&documents, Nr. 10/2013, ISBN 978-2-911101-80-9 (Download).
  • United States Government Accountability Office: Afghanistan Security. Efforts to Establish Army and Police Have Made Progress, but Future Plans Need to Be Better Defined, Report to the Committee on International Relations, House of Representatives, June 2005, GAO-05-575
  • Craig Whitlock: The Afghanistan papers. A secret history of the war, Simon & Schuster, New York u. a. 2021. ISBN 978-1-9821-5902-3. ISBN 978-1-9821-5900-9. ISBN 978-1-9821-5902-3. Deutsche Ausgabe: Die Afghanistan Papers. Der Insider-Report über Geheimnisse, Lügen und 20 Jahre Krieg (Aus dem Amerikanischen von Ines Bergfort, Christiane Frohmann, Stephan Gebauer und Ralf Vogel), Econ-Verlag Verlag Corporation, Berlin 2021. ISBN 978-3-8437-2651-1. ISBN 978-3-430-21074-4. ISBN 3-430-21074-7. ISBN 978-3-8437-2651-1
  • Austin Long: The Police in Afghanistan, 2002-11, in: C. Christine Fair/Sumit Ganguly (Hg.): Policing insurgencies. Cops as counterinsurgents, New Delhi (Oxford University Press) 2014, S. 203–226. ISBN 978-0-19-809488-3. ISBN 978-0-19-809488-3. ISBN 0-19-809488-4.

Einzelnachweise Bearbeiten

  1. Deutsche Beteiligung im Rahmen der AG IPM. (PDF) In: Website des Bundespolizeipräsidiums. Abgerufen am 20. November 2020.
  2. Germany in Afghanistan. In: Deutsche Botschaft Kabul. Abgerufen am 20. März 2021.
  3. Polizei- und Zolleinsätze im Ausland (Stand: erstes und zweites Quartal 2020). (PDF) In: BT-Drs. 19/21625, S. 5. Abgerufen am 22. November 2020.
  4. The German Police Project Team (GPPT) and the “capacity to do capacity building”. (PDF) In: echerches&documents, Nr. 10/2013, S. 15. Nicolas Fescharek, 2013, abgerufen am 20. November 2020.
  5. Winfried Nachtwei: Der deutsche Afghanistan-Einsatz: Bedeutung, Bilanz und Konsequenzen. Abgerufen am 21. November 2020.
  6. Polizeirat Klotz in Kabul. In: Innenministerium des Landes NRW (Hrsg.): Die Streife. Mai 1962, S. 13.
  7. Foreign and Commonwealth Office: AFGHANISTAN: SECURITY SECTOR REFORM: GENEVA MEETINGS, 2-3. (PDF) Abgerufen am 21. November 2020.
  8. Robert M. Perito: Afghanistan’s Police. The Weak Link in Security Sector Reform. (PDF) Abgerufen am 21. November 2020.
  9. United States Government Accountability Office: AFGHANISTAN SECURITY. Efforts to Establish Army and Police Have Made Progress, but Future Plans Need to Be Better Defined. (PDF) Abgerufen am 21. November 2020.
  10. BGBl. II 2008, Nr. 9, S. 286.
  11. Sabine Brakemeier, Volker Westphal: Rechtsgrundlagen für Auslandseinsätze der Bundespolizei Grundlagen und Einsatzbereiche. Brühl, ISBN 978-3-938407-61-5, S. 32 ff.
  12. Konrad Schober: Europäische Polizeizusammenarbeit. Heidelberg, ISBN 978-3-8114-4258-0, S. 207.
  13. BGBl. II 2008, Nr. 9, S. 286.
  14. Bundestag: Drucksache 19/20496. (PDF) S. 17, abgerufen am 21. November 2020.
  15. Bundesregierung: The German Police Project Team in Afghanistan. Abgerufen am 21. November 2020.
  16. BMI: Aufbau von Polizei-Ausbildungsstätten in Afghanistan. Abgerufen am 21. November 2020.
  17. Bundesregierung: Polizeiausbildung in den Distrikten Mazar-e Sharif und Fayzabad. Abgerufen am 21. November 2020.
  18. Bundestag: Drucksache 17/7135. (PDF) S. 7, abgerufen am 21. November 2020.
  19. Bundestag: Drucksache 19/20496. (PDF) S. 4, abgerufen am 21. November 2020.
  20. Pressemitteilung des BMI: „Nach 20 Jahren: Deutsche Polizeimission in Afghanistan endet“. 27. April 2021, abgerufen am 30. April 2021.
  21. Bundestag: Drucksache 17/9535. (PDF) S. 13, abgerufen am 21. November 2020.
  22. Landtag des Saarlandes: Drucksache 15/349. (PDF) S. 11, abgerufen am 21. November 2020.