Francis Alÿs

belgischer Fotograf, Maler, Aktions- und Videokünstler

Francis Alÿs (* 1959 in Antwerpen, Belgien) ist ein belgischer Fotograf, Maler, Aktions- und Videokünstler. Er lebt und arbeitet in Mexiko-Stadt.

Leben Bearbeiten

Francis Alÿs wuchs im belgischen Pajottenland auf.[1] Er studierte Architektur von 1978 bis 1983 am Institut d’Architecture in Tournai und anschließend bis 1986 am Instituto Universitario di Architettura di Venezia in Venedig. 1987 kam er als Ingenieur nach Mexiko, um bei einem Hilfsprojekt der belgischen Regierung nach dem Erdbeben von Mexiko-Stadt 1985 mitzuarbeiten. Nach Ablauf der Maßnahme blieb er in Mexiko, wandte sich künstlerischen Arbeiten zu[2] und lernte den mexikanischen Kurator Guillermo Santamarina kennen, der in seinem Ausstellungsraum El Salon de los Aztecas die Arbeiten der jungen Künstlergeneration zeigte:

„Das Chaos, die Mischung aus historischen Gebäuden und alltäglichem Leben, die Masse an Händlern, die das Stadtbild, das mit keiner anderen Stadt in Europa zu vergleichen ist, beherrschen und praktisch eine parallele Ökonomie geschaffen haben, faszinierten mich von Anfang an […].“[3]

Werk Bearbeiten

Das Werk Alys’ besteht aus Videofilmen, Zeichnungen, Malerei, Fotografien, Performances und Klangarbeiten. Im Jahr 1991 machte er mit Spaziergang eine erste Kunstaktion, die er, wie die folgenden, auf Video dokumentierte. Bei einem Streifzug (paseo) durch das Stadtzentrum zog er einen magnetischen Hund auf Rädern hinter sich her, an dem im Verlauf immer mehr auf der Straße liegende Eisenteile haften blieben.

In der 1997 begonnenen Diaserie Schläfer dokumentierte er reglos in den Straßen von Mexiko-Stadt liegende Menschen, bei denen nicht zu unterscheiden war, ob es sich um Tote oder nur um Schlafende handelte. Die Serie wird vom Künstler jährlich fortlaufend aktualisiert.

Für Alÿs, der es vermeidet, raumgreifende Skulpturen oder Installationen zu hinterlassen, blieb der zu Fuß durchstreifte Stadtraum eine wichtige Arbeitsform. Bei einer anderen Aktion schob er einen Eisblock so lange durch die Stadt, bis dieser, eine verdunstende Wasserspur hinterlassend, geschmolzen war.[4] Bei Fairy Tales (1994) ribbelte er während eines „paseos“ seinen Strickpullover auf und legte mit dem Wollfaden die Spur seines Spaziergangs:[5]

„Was von den Spaziergängen bleibt, ist eine eigentümliche Mischung aus Fakten und Gerüchten. Manchmal kommen deshalb Zweifel auf, ob sich alles auch wirklich so zugetragen hat, wie es die in Ausstellungen präsentierten ‚Dokumente‘ nahelegen. […] Nicht zuletzt reaktivieren sie den Mythos des Künstlers, der die Welt befragt und neu erfindet, der – ohne einer neuen Romantik zu verfallen – seine Aufmerksamkeit wieder dem Geheimnisvollen im Alltäglichen zuwendet.“[6]

Alÿs war zur 49. Biennale von Venedig 2001 eingeladen, ließ sich aber an den Eröffnungstagen durch einen Pfau (Pavo cristatus) vertreten, der statt seiner die „paseos“ machte. Der dressierte Pfau, der von einem uniformierten Begleiter betreut wurde, stolzierte durch die „Giardini“, Hauptschauplatz der Biennale, durch das Arsenal von Venedig und die Umgebung des Markusplatzes. Er nahm auch die Termine des Künstlers auf den abendlichen Empfängen wahr. Für die Aktion wurden Postkarten produziert, die während des Spazierganges verteilt wurden.[7]

Seine 2002 für die Biennale in Lima (Peru) erstellte Arbeit ließ er in Ventanilla unweit der Hauptstadt in einem Armenviertel ausführen. Für sein Werk Faith Moves Mountains („Wenn der Glaube Berge versetzt“) ließ er 500 freiwillige Helfer, die nur mit Schaufeln ausgerüstet waren, eine 200 Meter hohe und 500 Meter lange Sanddüne nur um 10 cm versetzen.[8] Dieses Werk wurde 2011 im Rahmen der Ausstellung: Once Upon a Time: Fantastic Narratives in Contemporary Video in der Berliner Kunsthalle Deutsche Guggenheim gezeigt.

Die Arbeit The Rehearsal 1 zeigte Francis Alÿs im Jahr 2004 anlässlich seiner Auszeichnung mit dem blueOrange-Preis im Martin-Gropius-Bau: Ein roter VW-Käfer versucht, eine ansteigende Sandpiste zu befahren – und rollt immer wieder zurück. In der ursprünglichen Performance in Tijuana fuhr ebenfalls ein roter VW eine Sandpiste hügelaufwärts. Hinter dem Hügel lag die Grenze zu den USA. Solange eine Blechbläser-Combo spielte, gab er Gas, hörte sie auf zu spielen, rollte das Auto zum Gelächter der Anwesenden zurück.[9][10]

Alÿs hat sein Atelier in der Nähe der historischen Kathedrale in einer der Seitenstraßen des „Zócalo“ in Mexiko-Stadt.

Mitgliedschaften Bearbeiten

Seit 2018 ist er assoziiertes Mitglied der Königlichen Akademie der Wissenschaften und Schönen Künste von Belgien.[11]

Zitate Bearbeiten

„Manchmal führt es zu nichts, wenn man etwas macht, manchmal führt es zu etwas, wenn man nichts macht.“

Francis Alys

„Man erreicht eigentlich das, was man erreichen möchte, dadurch, dass man das Leben in einer ständigen Rehearsal, einer ständigen Probe hält. Vielleicht eine Generalprobe, aber es ist eine Probe.“

Francis Alys[10]

Auszeichnungen (Auswahl) Bearbeiten

Ausstellungen (Auswahl) Bearbeiten

Literatur (Auswahl) Bearbeiten

Weblinks Bearbeiten

Einzelnachweise Bearbeiten

  1. A. Macadeam, Francis Alÿs: Architect of the Absurd in Artnews (25 Juli 2013). Abgerufen am 23. November 2019.
  2. Katharina Dietz. In: Cultrans: Ansichtssachen der Kunst. Views of Art. Königshausen & Neumann, 2005, S. 181 ff, ISBN 978-3-8260-3022-2
  3. Francis Alÿs in: Magazin art, 10/2002, S. 59 (Memento des Originals vom 15. September 2009 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.art-magazin.de
  4. Titelbild von: Francis Alys, Phaidon, Berlin, 2007
  5. Katrin Wittneven, in: Porträt: Francis Alys. Das Paradox der Praxis -Schritt für Schritt: eine Annäherung an Francis Alys, db-artmag.de >> 2004/07 >> spotlight (Memento des Originals vom 25. März 2016 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.davidzwirner.com
  6. Andreas Bee: Spaziergänge. In: Francis Alÿs. Time is a Trick of the Mind. Museum für Moderne Kunst, Frankfurt am Main, 2004, S. 9 ff.
  7. Peter Kilchmann, Die zauberhaften Geschichten des Francis Alÿs
  8. Andreas Bee, Francis Alÿs Passing through (zum Blue-orange-Kunstpreis) (Memento des Originals vom 25. Oktober 2007 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.blueorange.bvr.de (PDF; 274 kB)
  9. Einfach losrollen oder: Der heitere Sisyphos . Blaue Augen, 8. Mai 2007
  10. a b Deutschlandradio Kultur vom 8. Mai 2011: Vom Aufwand, eine Sanddüne zu verschieben Francis Alÿs „A Story Of Deception“ in New York
  11. Mitglieder: Francis Alÿs. Académie royale des Sciences, des Lettres et des Beaux-Arts de Belgique, abgerufen am 9. August 2023 (französisch).
  12. MuseenKöln Presseinformation: Francis Alÿs erhält den Wolfgang-Hahn-Preis 2023 Museum Ludwig, abgerufen am 30. August 2022
  13. Francis Alÿs / Avery Singer. Alexandra Matzner über die Doppelausstellung in der Wiener Secession (2016/2017), artinwords.de
  14. A Story of Deception im Portikus, Frankfurt am Main