Proportionale Fehlerreduktionsmaße

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Proportionale Fehlerreduktionsmaße (proportionale Fehlerreduktion (PFR) englisch proportionate reduction of error, kurz: PRE, daher auch PRE-Maße) geben indirekt die Stärke des Zusammenhangs zwischen zwei Variablen und an.

Definition Bearbeiten

Proportionale Fehlerreduktionsmaße werden definiert als

 ,

wobei   der Fehler bei der Vorhersage der abhängigen Variablen   ohne Kenntnis des Zusammenhangs und   der Fehler bei der Vorhersage der abhängigen Variablen   mit Kenntnis des Zusammenhangs mit   ist.

Da   gilt (weil man annimmt, dass die Kenntnis des Zusammenhangs korrekt ist; der Vorhersagefehler nimmt also bei Verwendung der Kenntnis ab), folgt  . Ein Wert von Eins bedeutet, dass bei Kenntnis der unabhängigen Variable der Wert der abhängigen Variable perfekt vorhergesagt werden kann. Ein Wert von Null bedeutet, dass die Kenntnis der unabhängigen Variablen keine Verbesserung in der Vorhersage der abhängigen Variable ergibt.

Der Vorteil ist, dass damit alle proportionalen Fehlerreduktionsmaße in gleicher Weise unabhängig vom Skalenniveau interpretiert werden können. Als Vergleichsmaßstab kann daher das Bestimmtheitsmaß dienen, da es ein proportionales Fehlerreduktionsmaß ist, oder folgende Daumenregel:[1]

  •  : Keine Beziehung,
  •  : Schwache Beziehung,
  •  : Mittlere Beziehung und
  •  : Starke Beziehung.

Der Nachteil ist, dass

  • die Richtung des Zusammenhangs nicht berücksichtigt werden kann, da Richtungen nur bei ordinalen oder metrischen Variablen angegeben werden können und
  • die Größe der Fehlerreduktion davon abhängt, wie die Vorhersage unter Kenntnis des Zusammenhangs gemacht wird. Ein kleiner Wert des proportionalen Fehlerreduktionmaßes bedeutet nicht, dass es keinen Zusammenhang zwischen den Variablen gibt.

Da eine Variable abhängig und die andere unabhängig ist, unterscheidet man zwischen symmetrischen und asymmetrischen proportionalen Fehlerreduktionsmaßen:

Skalenniveau der Maß
unabhängigen Variable X abhängigen Variable Y Name Bemerkung
nominal nominal Goodman und Kruskals  [2] Es gibt ein symmetrisches und ein asymmetrisches Maß.
nominal nominal Goodman und Kruskals  [2] Es gibt ein symmetrisches und ein asymmetrisches Maß.
nominal nominal Unsicherheitskoeffizient oder Theils U[3] Es gibt ein symmetrisches und ein asymmetrisches Maß.
ordinal ordinal Goodman und Kruskals  [2] Es gibt nur ein symmetrisches Maß.
nominal metrisch   Es gibt nur ein asymmetrisches Maß.
metrisch metrisch Bestimmtheitsmaß   Es gibt nur ein symmetrisches Maß.

Bestimmtheitsmaß Bearbeiten

Für die Vorhersage unter Unkenntnis des Zusammenhangs zwischen zwei metrischen Variablen   und   dürfen nur Werte der abhängigen Variablen   benutzt werden. Der einfachste Ansatz ist  , also die Annahme eines konstanten Wertes. Dieser Wert soll die Optimalitätseigenschaft   erfüllen, also die Summe der Abweichungsquadrate minimieren. Daraus folgt, dass   das arithmetische Mittel ist, also  . Daher ist der Vorhersagefehler unter Unkenntnis des Zusammenhangs

 .

Für die Vorhersage unter Kenntnis des Zusammenhangs nutzen wir die lineare Regression   aus:

 .

Das Bestimmtheitsmaß   ist dann ein proportionales Fehlerreduktionsmaß, da gilt

 

Werden die Rollen der abhängigen und unabhängigen Variable vertauscht, so ergibt sich der gleiche Wert für  . Daher gibt es nur ein symmetrisches Maß.

Goodman und Kruskals λ und τ Bearbeiten

 
Berechnung von Goodman und Kruskals   und   für die Variablen „Subjektive Schichteinstufung des Befragten“ und „Wahlabsicht in der Bundestagswahl“ der ALLBUS Daten 2006.

Goodman und Kruskals λ Bearbeiten

Die Vorhersage unter Unkenntnis des Zusammenhangs ist die Modalkategorie der abhängigen Variable und der Vorhersagefehler

 

mit   die absolute Häufigkeit in der Modalkategorie und   die Anzahl der Beobachtungen.

Die Vorhersage unter Kenntnis des Zusammenhangs ist die Modalkategorie der abhängigen Variable in Abhängigkeit von den Kategorien der unabhängigen Variablen und der Vorhersagefehler ist

 

mit   die absolute Häufigkeit für die jeweilige Kategorie der unabhängigen Variablen und   die absolute Häufigkeit der Modalkategorie in Abhängigkeit von den Kategorien der unabhängigen Variablen.

Beispiel

Im Beispiel rechts ergibt sich für die abhängige Variable „Wahlabsicht Bundestagswahl“ bei Unkenntnis des Zusammenhangs als der Vorhersagewert „CDU/CSU“ und damit eine Fehlervorhersage  .

Je nach Ausprägung der Variablen „Subjektive Schichteinstufung“ ergibt sich für die abhängige Variable „Wahlabsicht Bundestagswahl“ der Vorhersagewert „CDU/CSU“ (Kategorie: Mittelschicht, Obere Mittelschicht/Oberschicht), „SPD“ (Kategorie: Arbeiterschicht) oder „Andere Partei/Nichtwähler“ (alle anderen Kategorien). Der Vorhersagefehler   und  .

Das heißt, im vorliegenden Beispiel kann der Fehler bei der Vorhersage der Wahlabsicht der Bundestagswahl des Befragten um 3,1 % reduziert werden, wenn man seine eigene subjektive Schichteinstufung kennt.

Goodman und Kruskals τ Bearbeiten

Bei Goodman und Kruskals   wird als Vorhersagewert statt der Modalkategorie ein zufälliger gezogener Wert aus der Verteilung von Y angenommen, d. h. mit Wahrscheinlichkeit   wird Kategorie 1 gezogen, mit Wahrscheinlichkeit   wird Kategorie 2 gezogen und so weiter. Der Vorhersagefehler ergibt sich dann als

 

mit   die absolute Häufigkeit der Kategorie   der abhängigen Variablen. Analog ergibt sich der Vorhersagefehler  , nur dass jetzt die Vorhersage entsprechend für jede Kategorie der unabhängigen Variablen gemacht wird und der Vorhersagefehler   ergibt sich als Summe der gewichteten Vorhersagefehler in jeder Kategorie der unabhängigen Variablen.

 

mit   die absolute Häufigkeit für das gemeinsame Auftreten der Kategorien   und  .

Symmetrische Maße Bearbeiten

Für Goodman und Kruskals   und   können die Vorhersagefehler

  •   und  , wenn   die abhängige Variable ist, und
  •   und  , wenn   die abhängige Variable ist,

berechnet werden. Die symmetrischen Maße für Goodman und Kruskals   und   ergeben sich dann als

 .

Unsicherheitskoeffizient Bearbeiten

Entropie Bearbeiten

Der Unsicherheitskoeffizient misst die Unsicherheit der Information mit Hilfe der Entropie. Wenn   die relative Häufigkeit des Auftretens der Kategorie   ist, dann ist die Entropie oder Unsicherheit definiert als

 

Die Unsicherheit   ist Null, wenn für alle möglichen Kategorien bis auf eine   ist. Die Vorhersage, welchen Kategorienwert eine Variable annimmt, ist dann trivial. Ist   (Gleichverteilung), dann ist die Unsicherheit   und auch maximal.

Asymmetrischer Unsicherheitskoeffizient Bearbeiten

Das Fehlermaß unter Unkenntnis des Zusammenhangs ist daher die Unsicherheit   für die abhängige Variable

 

Das Fehlermaß unter Kenntnis des Zusammenhangs ist die gewichtete Summe der Unsicherheit für jede Kategorie der abhängigen Variablen

 

Dieser Ausdruck lässt auch schreiben als

 

mit   die Unsicherheit basierend auf der gemeinsamen Verteilung von   und   und   die Unsicherheit der unabhängigen Variable  .

Der Unsicherheitskoeffizient ergibt sich dann als

 

Symmetrischer Unsicherheitskoeffizient Bearbeiten

Für den Unsicherheitskoeffizient können die Vorhersagefehler

  •   und  , wenn   die abhängige Variable ist, und
  •   und  , wenn   die abhängige Variable ist,

berechnet werden. Der symmetrische Unsicherheitskoeffizient ergibt sich, wie bei Goodman and Kruskals   und  , als

 .

Goodman und Kruskals γ Bearbeiten

  sei die Zahl konkordanten Paare (  und  ) und   die Zahl diskordanten Paare (  und  ). Wenn wir keine gemeinsamen Rangzahlen (Ties) haben und   die Anzahl der Beobachtungen ist, dann gilt  .

Unter Unkenntnis des Zusammenhangs können wir keine Aussage darüber machen, ob ein Paar konkordant oder diskordant ist. Daher sagen wir Wahrscheinlichkeit 0,5 ein konkordantes bzw. diskordantes Paar vorher. Der Gesamtfehler für alle möglichen Paare ergibt sich als

 

Unter Kenntnis des Zusammenhangs wird immer Konkordanz vorhergesagt, falls  , oder immer Diskordanz, wenn  . Der Fehler ist

 

und es folgt

 

Der Betrag von Goodman and Kruskals   ist damit ein symmetrisches proportionales Fehlerreduktionsmaß.

η2 Bearbeiten

 
Berechnung von   für die Variablen „Nettoeinkommen des Befragten“ (abhängig) und „Subjektive Schichteinstufung des Befragten“ (unabhängig) der ALLBUS Daten 2006.

Wie bei dem Bestimmtheitsmaß ist der Vorhersagewert für die abhängige metrische Variable unter Unkenntnis des Zusammenhangs   und der Vorhersagefehler

 .

Bei Kenntnis, zu welcher der Gruppen der nominale oder ordinale unabhängigen Variable die Beobachtung gehört, ist der Vorhersagewert gerade der Gruppenmittelwert  . Der Vorhersagefehler ergibt sich als

 

mit  , wenn die Beobachtung   zur Gruppe   gehört und sonst Null. Damit ergibt sich

 .

Die Rollen der abhängigen und unabhängigen Variablen können nicht vertauscht werden, da sie unterschiedliche Skalenniveaus haben. Deswegen gibt es nur ein (asymmetrisches) Maß.

In Cohen (1988)[1] wird als Daumenregel angegeben:

  •   kein Zusammenhang,
  •   geringer Zusammenhang,
  •   mittlerer Zusammenhang und
  •   starker Zusammenhang.

Beispiel

In dem Beispiel kann der Fehler bei der Vorhersage des Nettoeinkommens bei Kenntnis der Schichteinstufung um  , also knapp 10 %, reduziert werden. Das zweite   ergibt sich, wenn man die Rolle der Variablen vertauscht, was aber hier unsinnig ist. Daher muss dieser Wert ignoriert werden.

Literatur Bearbeiten

  • Y.M.M. Bishop, S.E. Feinberg, P.W. Holland (1975). Discrete Multivariate Analysis: Theory and Practice. Cambridge, MA: MIT Press.
  • L.C. Freemann (1986). Order-based Statistics and Monotonicity: A Family of Ordinal Measures of Association. Journal of Mathematical Sociology, 12(1), S. 49–68
  • J. Bortz (2005). Statistik für Human- und Sozialwissenschaftler (6. Auflage), Springer Verlag.
  • B. Rönz (2001). Skript "Computergestützte Statistik II", Humboldt-Universität zu Berlin, Lehrstuhl für Statistik.

Einzelnachweise Bearbeiten

  1. a b J. Cohen (1988). Statistical Power Analysis for Behavioral Science. Erlbaum, Hilsdale.
  2. a b c L.A. Goodman, W.H. Kruskal (1954). Measures of association for cross-classification. Journal of the American Statistical Association, 49, S. 732–764.
  3. H. Theil (1972), Statistical Decomposition Analysis, Amsterdam: North-Holland Publishing Company (diskutiert den Unsicherheitskoeffizient).