Nachtmann (Unternehmen)

Hersteller von Glaswaren und Trinkgläsern

Nachtmann (auch bekannt als F.X. Nachtmann) ist ein deutscher Konzern mit Sitz in Neustadt an der Waldnaab, der sich vorwiegend mit der Produktion und dem weltweiten Vertrieb von Trinkgläsern und Geschenkartikeln aus Kristallglas befasst. Die Historie des Konzerns, der zu den größten Anbietern von Bleikristall weltweit gezählt wurde,[2] reicht bis in das Jahr 1834 zurück. Die am Markt tätige wesentliche Vertriebsgesellschaft ist seit 2011 die Bayerische Glaswerke GmbH, zuvor war es die F.X. Nachtmann Bleikristallwerke GmbH. Mutterunternehmen und Holding ist die Nachtmann GmbH.

Nachtmann GmbH

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Rechtsform Gesellschaft mit beschränkter Haftung
Gründung 1834
Sitz Neustadt an der Waldnaab, Deutschland Deutschland
Leitung Richard Voit, Armin Reichelt
Mitarbeiterzahl 435 (Vollzeitäquivalent 2021/22)[1]
Umsatz 113,1 Mio. Euro (2021/22)[1]
Branche Kristallglas
Website www.nachtmann.com
Stand: 30. Juni 2022
Karaffen der Serie Skin in Überfangtechnik

Geschichte Bearbeiten

Das Unternehmen wurde 1834 durch den Glasschneider (Graveur) Joh. Michael Nachtmann (1796–1884) in Unterhütte (Glashütte Herzogau) bei Waldmünchen gegründet. Er stellte mit 25 Glasmachern Trinkgläser, Flaschen und Krüge her. Sein Sohn Franz Xaver Nachtmann (1830–1892) übernahm 1851 den Betrieb und verlegte ihn nach Ödhütte (heute Voithenberghütte) zwischen Waldmünchen und Furth im Wald. 1866 zog die Produktion mit 45 Mitarbeitern nach Seebachhütte bei Bayerisch Eisenstein um. 1892 übernahm Johann Frank (1856–1905) den Betrieb unter Beibehaltung des etablierten Namens F.X. Nachtmann.

Im Jahr 1901 wurde das Unternehmen von Zacharias Frank (1869–1944) übernommen und der Sitz mit 100 Mitarbeitern nach Neustadt an der Waldnaab verlegt. Die Glasfabrik Riedlhütte wurde 1905 gepachtet und 1907 erworben.

Die Produktion von Bleikristall begann 1912. Der Standort Riedlhütte wurde 1920 ausgebaut und ein neues Werk in Amberg errichtet. 1945 wurden die durch den Krieg zerstörten Produktionsanlagen erneuert und an den Standorten Neustadt a.d. Waldnaab und Riedlhütte Bleikristall gefertigt.

Aus dem Unternehmen F.X. Nachtmann wurde 1969 die F.X. Nachtmann Bleikristallwerke KG. 1979 erfolgte die Änderung der Rechtsform in eine GmbH. In Weidens Norden wurde 1983 der Grundstein für das dritte Bleikristallwerk gelegt.

Die traditionsreiche Kristallglasfabrik Spiegelau in Spiegelau einschließlich ihres Werks II, der Glashütte Gistl in Frauenau, wurde 1990 übernommen. Der Mitarbeiterstamm wuchs dadurch auf rund 2150 Beschäftigte.[3] Mit der Gründung der Kristallglasfabrik Amberg GmbH kam es 1991 zur Produktionskooperation mit der Rosenthal AG (Selb), wobei die technische und kaufmännische Führung bei Nachtmann blieb. Ab 1993 firmierte das Unternehmen als F.X. Nachtmann Crystal AG. Die Beteiligung der Rosenthal AG an der Kristallglasfabrik Amberg wurde 1995 von der F.X. Nachtmann Crystal AG übernommen, die damit ab 1997 einen Kapitalanteil von fast 90 % hielt.

2002 wurde am Stammsitz des Unternehmens in Neustadt an der Waldnaab nach 100 Jahren die Glasproduktion eingestellt.[3]

2004 erfolgte die Übernahme der Nachtmann Crystal AG durch Riedel Glas.[4] Für das Unternehmen waren 2004 etwa 1600 Mitarbeiter tätig.[5] Der Umsatz der F.X. Nachtmann AG betrug 120 Mio. Euro.[6]

Im Juni 2009 teilte die Unternehmensführung der Riedel Glas mit, dass man sich zukünftig nur noch auf drei Produktionsstandorte konzentrieren werde und das Werk in Riedlhütte zum Jahresende geschlossen werde.[7] Dies bedeutete für 180 Mitarbeiter den Verlust ihrer Arbeitsplätze; 30 Mitarbeitern des Werks wurde die Übernahme in andere Werke angeboten. Bleikristall sollte nur noch im Werk in Weiden produziert werden.

Bis zum 31. Dezember 2010 fungierte die F.X. Nachtmann Bleikristallwerke GmbH als Vertriebsgesellschaft für die in den Werken Weiden und Amberg, die eigenständige Gesellschaften innerhalb der Nachtmann-Gruppe gewesen sind, produzierten Waren. Mit Wirkung zum 1. Januar 2011 übertrug die F.X. Nachtmann Bleikristallwerke GmbH ihre Vertriebstätigkeiten auf die Bayerische Glaswerke GmbH, die Vertriebsmitarbeiter blieben jedoch weiterhin bei ihr beschäftigt. Im Februar 2016 wurde die F.X. Nachtmann Bleikristallwerke GmbH in F.X. Nachtmann Kristallwerke GmbH umbenannt. Der Umsatz der F.X. Nachtmann Kristallwerke GmbH betrug 47 Mio. Euro im Geschäftsjahr 2015/16.[8] Zum 31. Dezember 2016 wurde die F.X. Nachtmann Kristallwerke GmbH mit der Bayerischen Glaswerke GmbH verschmolzen.[9]

Zum 31. Januar 2019 wurde die Glashütte in Frauenau geschlossen,[10] nachdem die Produktion bereits Ende Oktober 2018 eingestellt worden war.[11][12] Gefertigt wird heute nur noch Kristallglas, kein Bleikristall mehr, und nur noch in Weiden und Amberg.[3]

Nachtmann-Konzern Bearbeiten

 
Nachtmann in Neustadt an der Waldnaab (2007)
 
Hochregallager von Nachtmann im Industriegebiet Am Forst in Weiden (2012)

Der aus neun Gesellschaften bestehende Nachtmann-Konzern produziert und vertreibt weltweit Trinkgläser und Geschenkartikel aus Kristallglas. Das Mutterunternehmen, die Nachtmann GmbH, ist als Holding mit zentraler Leitungs- und Dienstleistungsfunktion tätig. Die Bayerische Glaswerke GmbH, Rechtsnachfolger der F.X. Nachtmann Bleikristallwerke, ist als Vertriebsgesellschaft tätig. Neben den aktiven oder ehemaligen produzierenden Gesellschaften in Weiden, Riedlhütte, Frauenau und Amberg gehören die Beschäftigungsgesellschaft Ostbayern GmbH sowie die Unterstützungskasse Geheimrat Frank'sches Sozialwerk GmbH als 100%ige Tochtergesellschaften zum Konzern. Ferner gehören die US-amerikanische R.D. Inc. als 100%ige Tochtergesellschaft sowie die spanische Vertriebsgesellschaft Spiegelau Iberica S.L. als 50%ige Beteiligung zum Konzern.[1]

Der Nachtmann-Konzern erwirtschaftete im Geschäftsjahr 2021/22 einen Umsatz von 113,1 Millionen Euro mit 452 Mitarbeitern im Jahresdurchschnitt (umgerechnet auf Vollzeitkräfte waren es 434,8 Beschäftigte einschließlich Auszubildender).[1] Davon entfielen 81,8 Millionen Euro Umsatz und durchschnittlich 55 Mitarbeiter auf die Bayerische Glaswerke GmbH.[13]

Kritik Bearbeiten

Die Bayerische Glaswerke GmbH wurde mit dem 1. Platz des Negativpreises Plagiarius für das Jahr 2024 ausgezeichnet, da die 2020 von Nachtmann vorgestellte maschinell gefertigte Glasserie Definition der 2004 eingeführten mundgeblasenen Glasserie eines Mitbewerbers zum Verwechseln ähnlich sieht und „fairer Wettbewerb unter respektierten Mitbewerbern anders aussieht.“[14]

Publikationen Bearbeiten

  • Manfred Stock: Ein Glas geht um die Welt: 150 Jahre Nachtmann Bleikristall. 1834–1984. Festschrift, München 1984.

Weblinks Bearbeiten

Einzelnachweise Bearbeiten

  1. a b c d Konzernabschluss zum Geschâftsjahr vom 1. Juli 2021 bis 30. Juni 2022 der Nachtmann GmbH. In: Bundesanzeiger, 28. März 2023.
  2. Gerhard Neckermann, Hans Wessels: Die Glasindustrie – ein Branchenbild (= Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung: Beiträge zur Strukturforschung. Band 95). Duncker & Humblot, Berlin 1987, ISBN 3-428-06216-7, S. 215. Zitat: „Bei Bleikristall zählen Nachtmann, Durant sowie einige Staatshandelsländer zu den größten Anbietern.“
  3. a b c Martin Staffe: Vom Aushängeschild zum Scherbenhaufen. In: onetz.de, 31. Mai 2021, abgerufen am 13. März 2024.
  4. Glasgigant Riedel kauft Nachtmann und Spiegelau. In: focus.de. 30. August 2013, abgerufen am 12. März 2024 (ursprüngliches Datum der Meldung war der 20. September 2004, siehe https://pressglas-korrespondenz.de/aktuelles/pdf/pk-2008-3w-sg-riedel-spiegelau.pdf):+„Riedel Glas und Nachtmann werden 2004 mit 1900 Mitarbeitern einen gemeinsamen Umsatz in Höhe von 220 Millionen Euro erzielen.“
  5. Riedel Glas speckt nach Nachtmann-Kauf ab, Münchner Merkur, 25. Januar 2005: „Von den 1600 Beschäftigten (2004) bei Nachtmann sollen 2006 noch 1200 und von den 400 Riedel-Mitarbeitern noch 300 übrig bleiben.“
  6. Riedel übernimmt Nachtmann und Spiegelau: Kufsteiner Glashersteller kauft bayrischen Traditionsbetrieb - Umsatz von 220 Millionen Euro wird angepeilt. 29. Oktober 2004, abgerufen am 12. März 2024 (österreichisches Deutsch): „Die F.X. Nachtmann AG fertigt an fünf Standorten hand- und maschinengefertigte Kelchgläser und Geschenkartikel in der Oberpfalz (Bayern). Mit 1.500 Mitarbeitern und einer Produktion von 50 Mio. Stück erzielte Nachtmann einen Jahresumsatz von 120 Mio. Euro.“
  7. Glashersteller Nachtmann schließ Werk in Riedlhütte, Meldung auf financial.de vom 9. Juli 2009
  8. Jahresabschluss zum Geschäftsjahr vom 1. Juli 2015 bis zum 30. Juni 2016 der F.X. Nachtmann Kristallwerke GmbH (vormals F.X. Nachtmann Bleikristallwerke GmbH). In: Bundesanzeiger, 24. Mai 2017.
  9. Handelsregister beim Amtsgericht Weiden i.d.OPf., HRB 2939, Veränderungen vom 31. Dezember 2016: „Bayerische Glaswerke GmbH, Neustadt a.d.Waldnaab, Zacharias-Frank-Straße 7, 92660 Neustadt a.d. Waldnaab. Die F.X. Nachtmann Kristallwerke GmbH mit dem Sitz in Neustadt a.d.Waldnaab (Amtsgericht Weiden i.d.OPf. HRB 413) ist auf Grund des Verschmelzungsvertrages vom 22.12.2016 und der Beschlüsse der Gesellschafterversammlungen vom selben Tag mit der Gesellschaft als übernehmendem Rechtsträger verschmolzen. […].“
  10. chr: Letzter Arbeitstag für die restlichen Glashütte-Mitarbeiter. pnp.de, 31. Januar 2019, ehemals im Original (nicht mehr online verfügbar); abgerufen am 1. Februar 2019.@1@2Vorlage:Toter Link/www.pnp.de (Seite nicht mehr abrufbar. Suche in Webarchiven)
  11. Helmut Weigerstorfer: Nachtmann-Aus in Frauenau: „Inzwischen überwiegt der Galgenhumor“. In: hogn.de. 23. Oktober 2018, abgerufen am 12. März 2024: „Nun steht allerdings fest, wann die endgültig letzten Gläser der „Kristallglasfabrik Spiegelau GmbH“ im Werk Frauenau“ vom Band laufen sollen: am 31. Oktober 2018.“
  12. Renate Roßberger: Glashütte von Poschinger in Frauenau stellt den Ofen ab. In: br.de. 29. Oktober 2021, abgerufen am 12. März 2024: „2018 war die „Nachtmann“-Glashütte im Ort, eine größere Maschinenglashütte, endgültig geschlossen worden. Bis heute gibt es für diese Gebäude keine Nachnutzung.“
  13. Jahresabschluss zum Geschäftsjahr vom 01.07.2021 bis zum 30.06.2022 der Bayerische Glaswerke GmbH. In: Bundesanzeiger, 18. April 2023.
  14. Plagiarius 2024 verliehen. Deutsches Patent- und Markenamt, 26. Januar 2024, abgerufen am 13. März 2024.