Doris Stauffer

Schweizer Künstlerin

Doris Stauffer-Klötzer (* 21. Juli 1934 in Amden; † 26. April 2017 in Zürich)[1] war eine Schweizer Künstlerin und Kunstvermittlerin. Sie war Mitbegründerin der F+F Schule für experimentelle Gestaltung in Zürich und der Frauenbefreiungsbewegung (FBB).

Leben und Werk Bearbeiten

Stauffer besuchte von 1952 bis 1955 an der Kunstgewerbeschule Zürich KGSZ die Fachklasse Fotografie, die von Hans Finsler und Alfred Willimann geleitet wurde. Dort lernte sie Serge Stauffer kennen, den sie 1954 heiratete. 1955 kam Tochter Salome zur Welt, 1957 Monika Thais, 1959 folgte Sohn Veit.[2]

1961 entstanden die ersten Assemblagen (von Doris Stauffer auch «Objektbilder» genannt), für die sie Material aus ihrer unmittelbaren Umgebung wie ausgediente Spielsachen, Esswaren und Nähutensilien verwendete.[2] Eine Auswahl dieser Arbeiten zeigte sie im Rahmen einer Einzelausstellung im Club Bel Etage in Zürich und in der Gruppenausstellung freunde + freunde (1969) in der Kunsthalle Bern und der Kunsthalle Düsseldorf.

1969 gründete Stauffer zusammen mit sieben weiteren Frauen die Frauenbefreiungsbewegung FBB. Gleichzeitig begann sie an der Klasse Form und Farbe (F+F) der KGSZ das Fach «Teamwork» zu unterrichten. Ziel war, Improvisation, Zusammenarbeit und eine offene Kommunikation zu fördern. Inspiriert von Alexander Sutherland Neills antiautoritären Erziehungskonzepten schlug Stauffer vor sich gegenseitig zu duzen und führte einen Klassenrat ein, bei dem alle Beteiligten eine Stimme hatten. Doch die Schulleitung stand dem Kurs kritisch gegenüber. Nach einem monatelangen Seilziehen um Stauffers Kurs und Diskussionen um die Weiterführung der Klasse F+F allgemein beschloss der Klassenrat am 13. März 1970 die Selbstauflösung.[3][2]

Gemeinsam mit Bendicht Fivian, Peter Gygax, Peter Jenny, Hansjörg Mattmüller und Serge Stauffer gründete sie im Januar 1971 die private Kunstschule F+F Schule für experimentelle Gestaltung[4] und arbeitete dort bis 1981 als Lehrerin. An der F+F unterrichtete Stauffer weiterhin «Teamwork»-Kurse sowie weitere wie «Mensch und Raum», «Sensibilisierungsübungen» und «Provokationen».

1975 erarbeitete sie zusammen mit ca. 34 Frauen verschiedenster Berufe – darunter Bice Curiger, Barbara Davatz, Rosina Kuhn, Irene Staub und Sissi Zöbeli – die Gruppenausstellung Frauen sehen Frauen: eine gefühlvolle, gescheite, gefährliche Schau im Strauhof Zürich. Ziel war, eine kritische Auseinandersetzung mit dem weiblichen Alltag und den vorherrschenden Geschlechterrollen zu provozieren. Mit dem Einsatz verschiedener Medien wurden Themenfelder wie Frauenbiografien, Rollen und Klischees, Haushalt, Beruf, Sexualität und Erotik inszeniert. Doris Stauffer war an der Ausstellung mit den Arbeiten Patriarchalisches Panoptikum, bestehend aus acht Guckkästen, und dem Readymade einer Hausordnung beteiligt. Zum Ausstellungskatalog Einmaliger Katalog steuerte sie die Arbeit Peniswärmer bei, die drei Strickobjekte und einen Flyer umfasste.[5][2]

1977 führte Doris Stauffer als Sommerkurs an der F+F ihren ersten «Hexenkurs» durch. Die Kursausschreibung lautete:

„Wir setzen uns auseinander mit Feminismus und Kreativität, dem männlich orientierten Kulturbegriff, sexistischen Tendenzen in der Kunst. Wir entdecken und realisieren unsere Vorstellungen von Kreativität, unserer eigene Sprache, unsere Anliegen und was wir als Frauen mitzuteilen haben. Arbeitsweise: Information, Diskussion, praktische Arbeit mit verschiedenen Medien (Räumlich, flächig, Video, Foto usw.)“[2]

Der Kurs richtete sich nicht nur an Künstlerinnen, sondern wollte alle interessierten Frauen ansprechen. Ziel war, einen geschützten Raum zu schaffen, in dem Frauen gemeinsam der Frage nachgehen konnten, was sie mitzuteilen hatte. Dass Männer nicht zugelassen waren, führte dazu, dass Stauffer die Hexenkurse extern auf privater Basis fortführen musste. 1978 wurde die Frauenwerkstatt eröffnet, in der bis 1980 regelmässig Tages-, Abend- und Ferienkurse stattfanden.[2]

Interviews mit Doris Stauffer zu ihrer künstlerischen und politischen Arbeit finden sich etwa in Wir sind wenige, aber sind alle – Biografien aus der 68er-Generation (Hg. Heinz Nigg) und in Zürich steht Kopf, herausgegeben von Fritz Billeter und Peter Killer[6].

Retrospektiv wurden Werke von Doris Stauffer 2013 in der Ausstellung serge stauffer – kunst als forschung[7][8] im Helmhaus Zürich gezeigt und Ende 2014 in der Einzelausstellung Doris Stauffer - der januar, der februar, der märz, die april, die mai, die welt in Zusammenarbeit mit Simone Koller und Mara Züst[9] im Kunstraum Les Complices in Zürich. 2015 wurde sie mit dem Zürcher Kunstpreis ausgezeichnet.[10][11] Unter dem Titel Je peux faire disparaître un lion eröffnete 2019 die erste institutionelle Einzelausstellung im Centre Culturel Suisse in Paris.[12] Für jevouspropose#15 zeigte die Kunsthistorikerin Marianne Burki im Raum von jevouspropose in Zürich eine Ausstellung mit Themengesprächen unter dem Titel Doris Stauffer. Photography. Insights into the Archive.[13]

Kim de l’Horizon zitiert im preisgekrönten Roman Blutbuch (2022) aus einem Brief von Doris Stauffer, den sie im Rahmen des Hexenkurses der Frauenwerkstatt an ihre Mitkursleiterin Suzanne Dietler schrieb.[14]

Der Nachlass von Doris Stauffer befindet sich in der Graphischen Sammlung der Schweizerischen Nationalbibliothek in Bern.

Werke (Auswahl) Bearbeiten

Veröffentlichungen (Auswahl) Bearbeiten

Literatur Bearbeiten

  • André Behr: Doris Stauffer. In: Susanna Nüesch u. a. (Hrsg.): Raum für Räume. Interlokal – eine Ausstellung in der Shedhalle Zürich. Shedhalle, Zürich 2005, S. 123–126.
  • Heinz Nigg: Gespräch mit Doris Stauffer. In: Heinz Nigg (Hrsg.): Wir sind wenige, aber wir sind alle. Biografien aus der 68er-Generation in der Schweiz. Limmat-Verlag, Zürich 2008, S. 178–184.
  • «Es begann mit einem Skandal und endete mit einem Fest.» Doris Stauffer im Gespräch. In: Fritz Billeter und Peter Killer (Hrsg.): 68 – Zürich steht Kopf. Rebellion, Verweigerung, Utopie. Scheidegger & Spiess, Zürich 2008, S. 37–41.
  • gespräch doris und serge stauffer über emanzipation. 1970. In: Helmhaus Zürich (Hrsg.): Serge Stauffer. Kunst als Forschung. Essays, Gespräche, Übersetzungen, Studien. Scheidegger & Spiess, Zürich 2013, S. 57–84.
  • Nach dem Korrekturen-Lesen von Duchamps Interviews. [Ein Gespräch zwischen Doris und Serge Stauffer]. 1986. In: Helmhaus Zürich (Hrsg.): Serge Stauffer. Kunst als Forschung. Essays, Gespräche, Übersetzungen, Studien. Scheidegger & Spiess, Zürich 2013, S. 255–274.
  • Monica Danuser: Feministin, Künstlerin, Pionierin. Doris Stauffer schrieb ein Stück Zürcher Geschichte. In: ZS Zürcher Studierendenzeitung. 4/2014, 19. September 2014 (zs-online.ch).
  • Simone Koller, Mara Züst (Hrsg.): Doris Stauffer. Eine Monografie. Fotografin, Musikerin, Mannequin, Babyschwester, Erzieherin, Verkäuferin, Hausfrau, Hausfrau, Hausfrau, Hausfrau, Hausfrau – Demonstrantin! Scheidegger & Spiess, Zürich 2015, ISBN 978-3-85881-445-6.
  • Daniel Meier: Die Hexe. Nachruf in: NZZ am Sonntag. 7. Mai 2017, S. 21. (epaper.nzz.ch).
  • Denise Marquard: «Für meinen Widerstand werde ich geehrt». In: Tages-Anzeiger. 1. September 2015 (tagesanzeiger.ch).
  • Simone Koller, Mara Züst: Doris Stauffer (1934–2017). «wenn die mond aufgeht, geht der sonne unter». In: WOZ Die Wochenzeitung 18/2017, 4. Mai 2017 (Nachruf: woz.ch).
  • Philipp Meier: Doris Stauffer mit 82 gestorben. Die Polyaktivistin. In: Neue Zürcher Zeitung. 4. Mai 2017 (Nachruf: nzz.ch).

Film Bearbeiten

  • Chantal Küng: doris, wie lernt eine hexe? Doku-Essay, 48 min., Zürich, 2019[15]

Weblinks Bearbeiten

  • Bestand: Archiv Doris Stauffer. Schweizerische Nationalbibliothek, Graphische Sammlung. Signatur: GS-STAUFFER-DORIS. Link
  • Doris Stauffer bei F+F 1971, online Archiv-Ausstellung zur Geschichte der F+F Schule Zürich
  • Hexenkurs von Doris Stauffer bei F+F 1971

Einzelnachweise Bearbeiten

  1. Stauffer, Doris. In: Sikart (Stand: 2022)
  2. a b c d e f Simone Koller, Mara Züst, Doris Stauffer, Andrea Thal, Kay Turner, Michael Hiltbrunner: Doris Stauffer Eine Monografie. Hrsg.: Simone Koller, Mara Züst. 1. Auflage. Scheidegger & Spiess, Zürich 2015, ISBN 978-3-85881-445-6.
  3. Hans-Rudolf Lutz, Hansjörg Mattmüller, Serge Stauffer (Hrsg.): Experiment F+F 1965–70. Verlag H.R. Lutz, Zürich [1970].
  4. Serge Stauffer: Autobiographie. In: Marcel Duchamp: Interviews und Statements. Gesammelt, übersetzt und annotiert von Serge Stauffer. Hrsg. von Ulrike Gauss. Graphische Sammlung Staatsgalerie Stuttgart, Stuttgart 1992. S. 243 f, hier S. 244.
  5. Frauen sehen Frauen. In: Schweizerisches Sozialarchiv. Abgerufen am 17. Februar 2021.
  6. 1968 – Zürich steht Kopf. Abgerufen am 14. Dezember 2023 (Schweizer Hochdeutsch).
  7. M. Vänçi Stirnemann: Serge Stauffer: Kunst als Forschung: Kunstvermittlung vor der Bologna-Reform. In: WoZ. 27. Februar 2013, abgerufen am 14. Dezember 2023.
  8. ZHdK Zürcher Hochschule der Künste: Serge Stauffer: Kunst als Forschung | ZHdK.ch. Abgerufen am 14. Dezember 2023.
  9. Ausstellung Kunstraum Les Complices 2014
  10. Brigitte Ulmer: Zürcher Preis für kulturelle Verdienste. Doris Stauffers subversives Universum. In: Neue Zürcher Zeitung. 28. August 2015.
  11. Preisverleihung Doris Stauffer. (mit Rede Stadtpräsidentin Corine Mauch und Laudation Bice Curiger).
  12. Je peux faire disparaître un lion. Abgerufen am 27. April 2019 (französisch).
  13. jevouspropose – jevouspropose. Abgerufen am 14. Dezember 2023 (englisch).
  14. Kim de l’Horizon: Blutbuch. Köln, DuMont, 2022, S. 177. Zum Brief vgl. Doris Hexenkurs Brief bei F+F 1971, online Archiv-Ausstellung zur Geschichte der F+F Schule
  15. SWISS FILMS: Doris, wie lernt eine Hexe? Abgerufen am 10. Juli 2021.