Große Überraschungen schon in der Qualifikation: Europameister CSSR und England blieben auf der Strecke. Titelverteidiger BR Deutschland mußte auf Franz Beckenbauer verzichten, er war nach seinem Wechsel zu Cosmos New York im Sommer 1977 in der Nationalmannschaft nicht mehr erwünscht. Bei der Auslosung stand Deutschland wiederum das Losglück zur Seite: Polen, Mexico und Tunesien waren lösbare Aufgaben. Das Eröffnungsspiel zwischen Deutschland und Polen, dem WM-Dritten von 1974 bot Fußball zum Angewöhnen - logisches Resultat 0:0. Tunesien konnte durch ein 3:1-Sieg gegen Mexico den ersten WM-Sieg einer afrikanischen Mannschaft feiern und hinterließ auch bei der unglücklichen 0:1-Niederlage gegen Polen einen hervorragenden Eindruck. Der schwer in der Kritik stehenden deutschen Mannschaft gelang ein Befreiungsschlag im zweiten Gruppenspiel: 6:0-Sieg gegen allerdings erschreckend schwache Mexikaner. Polen wurde durch ein abschließenden 3:1-Sieg gegen Mexico Gruppensieger, während Deutschland gegen Tunesien über ein torloses Unentschieden nicht hinauskam und nur als Gruppenzweiter in die zweite Runde einzog. Auch in den anderen Vorrundengruppen kamen die Favoriten ins Straucheln. Gastgeber Argentinien konnte sich bei den Schiedsrichtern bedanken, die beim 2:1-Sieg gegen Ungarn zwei gegnerische Spieler des Feldes verwiesen und beim 2:1-Sieg gegen Frankreich einen unberechtigten Handelfmeter zugunsten der Heimmannschaft pfiffen. Italien war die einzige Mannschaft, die mit drei Siegen - gegen Frankreich(2:1), Ungarn(3:1) und Argentinien(1:0)- die zweite Finalrunde erreichte. Geheimfavorit Frankreich konnte lediglich mit 3:1 gegen Ungarn siegen. Der Auftritt der Brasilianer in Gruppe 3 war alles andere als eine Offenbarung. Nach zwei Unentschieden gegen Schweden(1:1) und Spanien(0:0) drohte der Selecao sogar das Vorrundenaus. Sensationell hingegen die Österreicher, die nach Siegen gegen Spanien(2:1) und Schweden(1:0) schon vorzeitig qualifiziert waren und trotz der abschließenden 0:1-Niederlage gegen Brasilien als Gruppenerster in die zweite Runde einzogen. Den Spaniern nutzte ein 1:0-Sieg gegen Schweden nichts mehr. In Gruppe 4 zeigten die Favoriten Vizeweltmeister Niederlande und Schottland ebenfalls erbärmliche Leistungen. Die Niederländer traten fast in ihrer Endspielformation von 1974 an, mußten aber auf die beiden besten Spieler verzichten: Cruyff und van Hanegem. Beim 3:0-Auftaktsieg gegen den Iran wurden allerdings 2 Treffer durch Elfmeter erzielt. Kalt erwischt wurden die Schotten, einziger britischer Vertreter bei der WM: 1:3 gegen Peru. Die Peruaner konnten auch gegen die Niederlande mit einem torlosen Remis bestehen. Schottland setzte beim glücklichen 1:1 gegen den Iran seine peinliche Vorstellung fort. Gruppensieger wurde Peru(4:1 gegen den Iran). Zum Abschluß mußte Schottland mit 3 Toren Differenz gegen die Niederlande gewinnen um im Turnier zu bleiben. Als die Schotten Mitte der zweiten Halbzeit mit 3:1 führten, schien sich der Traum tatsächlich noch zu erfüllen, doch das 2:3-Anschlußtor durch Rep rettete den Vizeweltmeister. In der zweiten Finalrunde waren in Gruppe A die Europäer unter sich. Deutschland konnte durch ein 0:0 den italienischen Siegeszug stoppen. Eine neuformierte niederländische Mannschaft bezwang Österreich mit 5:1 und konnte vom Finale träumen. In einer Neuauflage des 74er-Finales konnte Deutschland trotz zweimaliger Führung gegen die Niederlande nicht gewinnen - 2:2 am Ende. Italien wahrte seine Endspielchance durch ein 1:0-Sieg gegen Österreich. Die bereits ausgeschiedenen Österreicher besiegten im letzten Spiel eine völlig indisponierte deutsche Mannschaft mit 3:2 - dieses Spiel ging als die "Schmach von Córdoba" in die WM-Annalen ein. Vizeweltmeister Niederlande zog durch einen 2:1-Sieg gegen Italien erneut ins Endspiel ein, Italien ins Spiel um Platz 3. In Gruppe B waren bis auf Polen die Südamerikaner unter sich. Brasilien zeigte beim 3:0-Sieg gegen Peru seine bisher beste Turnierleistung. Argentinien schlug Polen mit 2:0. Das Duell der Erzfeinde Argentinien und Brasilien endete nach knüppelharten 90 Minuten torlos. Polen konnte nach einem 1:0-Erfolg gegen Peru noch hoffen - mußte sich aber den Brasilianern im letzten Spiel mit 1:3 geschlagen geben. Diese Begegnung war längst beendet als das entscheidende Spiel des Gastgebers gegen die bereits ausgeschiedenen Peruaner angepfiffen wurde - Spekulationen waren Tür und Tor geöffnet. Argentinien mußte mit 4 Toren Unterschied gewinnen um anstelle Brasiliens ins Finale vorzustoßen. Pikanterweise war Perus Torwart Quiroga ein gebürtiger Argentinier! Am Ende siegte Argentinien mit 6:0 und Brasilien mußte sich - als einziges Team - unbesiegt mit dem ungeliebten Spiel um Platz 3 begnügen, das sie mit 2:1 gegen Italien gewannen. Im Finale mußte sich die Niederlande wie 4 Jahre zuvor mit dem Gastgeber auseinandersetzen. In einem fanatischen Hexenkessel ging Argentinien in der 38.Minute durch Mario Kempes in Führung. Die Niederländer suchten ihr Heil in der Offensive und kamen in der 82.Minute durch den für Rep eingewechselten Dick Nanninga aus Kerkrade durch ein Kopfballtor zum Ausgleich. Wenige Sekunden vor Schluß wäre um ein Haar der niederländische Siegtreffer, der die Weltmeisterschaft bedeutet hätte, gefallen doch Rensenbrink traf nur den Pfosten. In der Verlängerung schlugen dann nochmal Mario Kempes(105.) und Daniel Bertoni(115.) zu. Argentinien war zum erstenmal Weltmeister geworden und die Niederlande mußten sich wieder mit dem zweiten Platz zufrieden geben. Deutschlands Erfolgstrainer Helmut Schön (1966 Zweiter-1970 Dritter-1974 Weltmeister) hätte man einen besseren Abschied gewünscht, die 2:3-Pleite gegen Österreich war sein letztes Spiel. Harald Graudenz, WM-Historiker

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