Denis Lortie

kanadischer Amokläufer

Denis Lortie (* 1959) ist ein ehemaliger Unteroffizier der Kanadischen Streitkräfte. Am 8. Mai 1984 stürmte er die Nationalversammlung von Québec, ermordete drei Quebecer Beamte und verletzte 13 weitere Personen.[1][2] 1985 wurde Lortie wegen vorsätzlichen Mordes zu lebenslanger Haft verurteilt, davon die ersten 25 Jahre ohne Bewährung. In einem erneuten Prozess 1987 plädierte er auf schuldig wegen Mordes mit bedingtem Vorsatz.[3][1] 1996 wurde er unter Auflagen aus dem Gefängnis entlassen und wohnt seitdem in Québec, wo er als Bauarbeiter tätig ist.[4]

Der französische Rechtshistoriker und Psychoanalytiker Pierre Legendre hat diesen Fall grundlegend untersucht und ihn als Vatermord interpretiert. Das Attentat erlaube einen Blick auf das fehlende genealogische Band, verursacht durch einen tyrannischen und terroristischen Vater, der verhindert habe, dass Lortie seinen eigenen genealogischen Platz finden, d. h. selbst die Rolle des Vaters ausüben konnte. Die Angst vor der Wiederholung der gewalttätigen und inzestuösen Gewalt des Vaters an seiner eigenen Familie habe Denis Lortie zu dem Attentat auf die Regierung von Québec bewegt, die „das Gesicht seines Vaters“ hatte. Dieser Fall veranlasste Legendre das Amt des Vaters und sein Verhältnis zu den juristischen Institutionen zu klären. Darüber hinaus hat Legendre eine Neubewertung von Videomaterial im Prozess nahegelegt, die dem Attentäter ermöglicht, die Tat und damit seine Schuld anzuerkennen und im bestimmten Sinne hier auch eine Katharsis zu erfahren.[5] Letzteres hat die Medien- und Rechtswissenschaftlerin Cornelia Vismann[6] unter anderem dazu inspiriert, über den Einsatz von Medien im Recht nachzudenken. In der Attentatstheorie von Manfred Schneider, die Attentate und ihre Interpretation vor dem Hintergrund einer paranoisch strukturierten Vernunft zu lesen versucht, nimmt Legendres Analyse des Falls Lortie eine zentrale Stellung ein.[7]

Marc Lépine, der 1989 14 Frauen an der École polytechnique de Montréal erschoss, äußerte in seinem Abschiedsbrief Bewunderung für Lortie und seine Handlungen.[8]

Einzelnachweise Bearbeiten

  1. a b CBC Digital Archives: 1984: Gunman kills 3 at Quebec legislature In: CBC, 8. Mai 1984 
  2. Canada: Mr. D., A Gunman in Quebec In: Time Magazine, 21. Mai 1984 
  3. SENTENCED. Denis Lortie showed no emotion as the judge... In: Orlando Sentinel, 12. Mai 1987 
  4. Canadian Press: @1@2Vorlage:Toter Link/www.ctv.caQue. legislature shooting rampage remembered (Seite nicht mehr abrufbar. Suche in Webarchiven) In: CTV News, 8. Mai 2004  Info: Der Link wurde automatisch als defekt markiert. Bitte prüfe den Link gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis. 
  5. Pierre Legendre: Le Crime du caporal Lortie: Traité sur le père. Fayard, Paris 1989, ISBN 978-2-213-02337-3.
  6. Cornelia Vismann: Medien der Rechtsprechung. Alexandra Kemmerer u. Markus Krajewski [Hg]. S. Fischer, Frankfurt a. M. 2011, ISBN 978-3-10-067031-1.
  7. Manfred Schneider: Das Attentat. Kritik der paranoischen Vernunft. Matthes & Seitz, Berlin 2010, S. 236–241, ISBN 978-3-88221-537-3.
  8. Eglin, Peter; Hester, Stephen: "The Montreal Massacre: A Story of Membership Categorization Analysis". Wilfrid Laurier University Press, Waterloo, Ont., 2003, S. 58, ISBN 9780889204225.

Weblinks Bearbeiten