Stift Reichersberg

Kloster der Augustiner-Chorherren in Reichersberg, Oberösterreich
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Das Stift Reichersberg ist ein Kloster der Kongregation der österreichischen Augustiner-Chorherren. Es liegt am Inn im oberösterreichischen Reichersberg.

Stift Reichersberg und Herrengarten (2023)
Blick durch das Eingangstor (2007)

Geschichte

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Gründung

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Das Kloster wurde zwischen 1080 und 1084 durch Wernher von Reichersberg (aus der Hemma-Askuin-Familie) und seine Gemahlin Dietbirga, eine Schwester Erzbischof Gebhards von Salzburg (1060–1088), gegründet. Sie wählten als Patron den heiligen Erzengel Michael. Eine Gründungsurkunde besteht für das Stift nicht, es wurde auch in späterer Zeit keine „nachträglich angefertigt“, wie es damals oft geschah. Erste Aufzeichnungen des Stifts beginnen Mitte des 12. Jahrhunderts.

Der einzige Sohn der Stifter namens Gebhard verstarb früh. Er ertrank im Inn bei einem Jagdunfall. Das nun kinderlose Paar wandelte die bisherige Burg Reichersberg in ein Kloster um, was Wernhers Bruder Aribo und dessen Sohn Albuin sehr enttäuschte, da dieser auf das Erbe gehofft hatte. Aus diesem Streit heraus war die Existenz des Klosters mehr als einmal vom Scheitern bedroht. Zum Kloster gehörten auch Gebiete außerhalb, zum Beispiel ein Weinberg in Aschach an der Donau und Besitz am Millstätter See.

Das Gebiet lag damals im Gebiet des Hochstifts Passau, aber auch im Einflussbereich des Salzburger Erzbischofs. Der Stifter Wernher war mit dem Salzburger Erzbischof Gebhard von Helfenstein verschwägert und bat diesen, der sich noch bis 1086 im Exil befand, um Schutz für seine Gründung. Wernher vereinbarte, dass das Kloster direkt dem Salzburger Vogt unterstehen solle und nicht etwa einem Untervogt. Vor allem im 12. Jahrhundert konnte der Adel über die Herrschaft in Erbvogteien seine Macht ausbauen und daher gewann diese Bedingung für die Schreiber der Reichersberger Chronik wohl an Bedeutung.

Im 12. Jahrhundert

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Welche Mönche zu Beginn im Kloster tätig waren, ist nicht bekannt, die Chronik aus dem 12. Jahrhundert spricht von Kanonikern nach Regeln des heiligen Augustinus, aber dies ist wie ihre Herkunft nicht gesichert. Wernher trat selbst bei und starb vermutlich vor 1086, erst um 1470 wurde für die Stifterfamilie ein Grabmal errichtet, welches man in der Stiftskirche´ bewundern kann. Später hatten mehrere Adelsgeschlechter der Umgebung ihre Grablege in Reichersberg, darunter die Grafen Aham, die bis 1881 in der Stiftskirche begraben wurden.

Nach dem Tod Wernhers wurden die Chorherren mehrmals vertrieben, der erste bekannte Propst Berwin (1110–1116) kehrte aus diesem Grund mit einem Teil der Chorherren nach Sachsen zurück. Auch der zweite Propst Gottschalk (1122–1132) konnte sich nicht halten, aber immerhin 1126 die Stiftskirche des heiligen Erzengels Michael einweihen.

Erst Propst Gerhoch (1132–1169) konnte das Stift zur ersten Blüte führen. Gerhoch ist schon vor seiner Zeit als Propst als radikaler Theoretiker der Chorherren-Reform bis hin zu Papst Innozenz II. bekannt. Gerhoch verfasste auch mehrere wichtige Werke seiner Zeit. Er wurde 1132 vom Salzburger Erzbischof Konrad I. berufen, um das bedrohte Stift zu bewahren. Es gelang ihm trotz feindseliger Nachbarn eine solide Grundlage zu schaffen. Dazu gehört zum Beispiel das Chorfrauenkloster, das von 1137 bis ins 15. Jahrhundert bestand, sowie das Hospital, das in der Mitte des 12. Jahrhunderts eingerichtet wurde. Bei einer Reise nach Rom im Jahre 1142 bat er erfolgreich um päpstlichen Schutz für das Doppelkloster und seine Besitzungen. Bis 1144 wurden auch Streitigkeiten mit Passau beigelegt.

Von Erzbischof Konrad erhielt das Stift 1144 Zehnte für das Gebiet der Pfarreien Pitten und Bromberg an der niederösterreichisch-ungarischen Grenze, was bis 1149 genug Geld für eine eigene Kapelle der Chorherren einbrachte. 1154 konnte der Besitz um das nahe Gut Münsteuer erweitert werden und drei Jahre später übertrug der Passauer Bischof Konrad auch die dazugehörige Pfarrei zur seelsorgerischen Betreuung. Der Streit mit Erchenbert von Stein von der nahen Burg Stein um Münsteuer dauerte allerdings bis zur Klärung durch Heinrich den Löwen im März 1176 an.

Einen kaiserlichen Schutzbrief konnte Gerhoch im Jahre 1162 von Friedrich I. erbitten, fiel aber bald in Ungnade, da er im Investiturstreit wie der Salzburger Erzbischof Konrad II. auf Seiten des Papstes stand. Nach der Verhängung der Reichsacht über Salzburg plünderte Heinrich von Baumgarten, ein Sohn von Erchenbert, zuerst am 27. Oktober 1166 das streitige Lehen Münsteuer zweimal und brannte das Stift 1167 nieder. Gerhoch konnte erst 1168 zurückkehren und starb am 27. Juni 1169 im zwar verwüsteten, aber für die Zukunft gut gerüsteten Stift.

17. bis 20. Jahrhundert

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Die relativ kleine romanisch-gotische Klosteranlage ging 1624 zusammen mit der mittelalterlichen Bibliothek bei einem Brand fast vollständig verloren. Die Klosteranlage wurde bis 1695 im Stile des Barock neu errichtet. Im Neubau erhielten die Chorherren Einzelzimmer statt der bis dahin üblichen Gemeinschaftsräume.

 
Stift Reichersberg nach einem Kupferstich von Michael Wening von 1721

Seit 1709 wird auf einem Nebenaltar der Stiftskirche der Leib des Katakombenheiligen Claudius in einem Schrein aufbewahrt. Er wurde 1668 aus den Kalixtus-Katakomben erhoben[1] und gelangte schließlich in den Besitz des damaligen Weihbischofs von Passau in Wien, Johann Joachim Ignaz Grafen von Aham. Nach dessen Tod wurden die Reliquien durch dessen Erben Johann Franz Graf von Aham für die Aham’sche Gruftkapelle in der Stiftskirche gestiftet.[2]

1779 kam das bis dahin bayerische Stift durch die Abtretung des Innviertels im Frieden von Teschen an Österreich und entging damit der Säkularisation. 1839 bis 1928 gehörte dem Stift das Schloss Hackledt samt einem bedeutenden Grundbesitz.

In der NS-Zeit musste das Stift 1940–1945 eine Fliegerschule aufnehmen, wurde aber nicht aufgelöst.

Die Hauptorgel der Stiftskirche wurde 1981 von der Firma Metzler Orgelbau gebaut.

 
Stift Reichersberg

Gegenwart

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Der Konvent der Chorherren besteht aktuell aus 15 Mitgliedern[3], die in Seelsorge, Schule, Wirtschaft und Gästebetreuung tätig sind oder sich im Studium befinden.

Besonderes Augenmerk legen die Chorherren auf die gemeinsame Feier des Stundengebets, welches an Wochentagen rezitiert, an Hochfesten auch gesungen vollzogen wird. Mittwochs und sonntags besteht die Möglichkeit, an einer Führung durch die Kirche und das Museum, die von einem der Mitbrüder gehalten wird, teilzunehmen. Die große Gartenanlage genannt „Herrengarten“ lädt zum Verweilen und Spazieren ein.

Die Klosteranlage gruppiert sich um zwei Höfe. Die Liegenschaften werden von den Chorherren bis heute intensiv genutzt: Ein Gasthof bietet regionale Spezialitäten aus dem Innviertel an. Im Klosterladen gibt es Spezialitäten aus österreichischen Klöstern. Das Stift produziert selbst Wein verschiedener Rebsorten, Liköre und Edelbrände. Im Stift ist zudem ein Bildungszentrum untergebracht, seit 2004 auch ein Kongress- und Veranstaltungszentrum sowie ein Gästehaus. Jährlich findet im Stift auch die Festmusik im Stift (früher Reichersberger Sommer) mit Konzerten statt.

Chorherren des Stifts

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Gedenktafel für Eduard Zöhrer im Stiftshof

Pröpste von Reichersberg

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Sonstige bekannte Chorherren

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Reichersberg inkorporierte Pfarrkirchen

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Niederösterreich

Oberösterreich

Literatur

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  • 900 Jahre Augustiner-Chorherrenstift Reichersberg. OLV-Buchverlag, Linz 1983, ISBN 3-85214-330-6.
  • Bernard Appel: Geschichte des regulirten lateranensischen Chorherrenstiftes des heiligen Augustin zu Reichersberg. Linz 1857 (Digitalisat)
  • Konrad Meindl: Catalogus omnium canonicorum regularium Reichersbergensium a prima fundatione usque ad annum jubilaei 1884 e documentis fide dignis conscriptus. Feichtinger, Linz 1884 (später fortgesetzt durch Weiß)
  • Konrad Meindl: Die Grabmonumente des Chorherrnstiftes Reichersberg am Inn, in: Berichte und Mitteilungen des Alterthums-Vereins zu Wien 21 (1882), S. 28–51.
  • Konrad Meindl: Jahrtags-Tabelle der Stiftskirche Reichersberg, Ried 1888.
  • Konrad Meindl: Necrologium Collegii Reichersbergensis Canonicorum Regularium S. Augustini, Regensburg 1902.
  • Konrad Meindl: Kurze Geschichte des Regulierten Chorherren-Stiftes Reichersberg am In, 2. Aufl. München 1902.
  • Rudolf W. Schmidt: Reichersberg. In: Oesterreichisches Musiklexikon. Online-Ausgabe, Wien 2002 ff., ISBN 3-7001-3077-5; Druckausgabe: Band 4, Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, Wien 2005, ISBN 3-7001-3046-5.
  • Gerhoch Weiß: Das Chorherrenstift Reichersberg am Inn 1084-1934, Ried im Innkreis 1934.
  • Gerhoch Weiß (Hrsg.): Katalog der reg. lat. Chorherren des Stiftes Reichersberg am Inn. Reichersberg, 1948 (Fortsetzung von Meindl, Biographien der Chorherren aus den Jahren 1884 bis 1945)
  • Walter Luger: Stifte in Oberösterreich und in den angrenzenden Gebieten, OÖ Landesverlag, Linz 1969, S. 122–114.
  • Wilhelm Gregor Schauber: Das Stift Reichersberg vom Ersten bis zum Zweiten Weltkrieg, Graz (theol. Diss.) 1978.
  • Dietmar Straub (Hrsg.): 900 Jahre Stift Reichersberg. Augustiner Chorherren zwischen Passau und Salzburg. Land Oberösterreich, Amt d. Oö. Landesregierung, Abt. Kultur, Linz 1984, (Ausstellungskatalog, Ausstellung des Landes Oberösterreich, 26. April bis 28. Okt. 1984 im Stift Reichersberg am Inn).

Siehe auch

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Commons: Stift Reichersberg – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

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  1. 900 Jahre Augustiner-Chorherrenstift Reichersberg. h.g. vom Augustiner-Chorherrenstift Reichersberg, Linz 1983, S. 270.
  2. Petrus Stockinger: Heiliger Claudius, bitte für uns! Zur Geschichte eines Katakombenheiligen im Stift Reichersberg In: Der Bundschuh. Schriftenreihe vom Museum Innviertler Volkskundehaus 6 (2003) 29-32.
  3. Stift Reichersberg: Konvent. Abgerufen am 3. Januar 2020.
  4. Siehe zu diesem Ludwig HolzfurtnerMagnus von Reichersberg. In: Neue Deutsche Biographie (NDB). Band 15, Duncker & Humblot, Berlin 1987, ISBN 3-428-00196-6, S. 671 (Digitalisat).
  5. Biographie von Eduard Zöhrer
  6. Schilderung des Mordes, in: Gottfried Gansinger: Nationalsozialismus im Bezirk Ried im Innkreis: Widerstand und Verfolgung 1938-1945, Innsbruck-Wien-Bozen (Studien Verlag) 2016
  7. Biographie von Gregor Schauber

Koordinaten: 48° 20′ 13″ N, 13° 21′ 38″ O