Bohrturm

freistehender Turm samt zugehöriger Ausrüstung, der dazu dient, um Bohrungen auf Erdöl, Erdgas, Sole oder Wasser

Ein Bohrturm ist als freistehender Turm das augenfälligste Bestandteil einer Bohranlage, die dazu dient, um Bohrungen auf Erdöl, Erdgas, Sole oder zur Nutzung von Geothermie niederzubringen (bergmännisch: abzuteufen) bzw. unterirdische Hohlräume (unter Einsatz der Richtbohrtechnik) aufzufahren. In manchen Fällen wird ein Bohrturm auch verwendet, um eine bestehende Bohrung aufzuwältigen oder eine nicht mehr wirtschaftlich nutzbare Bohrung zu verfüllen. Daneben erfolgt auch der Einsatz für Bohrungen, welche rein wissenschaftlichen Zwecken dienen, wie das Kontinentale Tiefbohrprogramm der Bundesrepublik Deutschland.

Moderne, schwere Bohranlage
Mobiler Bohrturm auf einem GAZ-66-LKW
Geothermie-Bohrturm in Bayern für eine Tiefe von 3500 Metern, 350 t Hakenlast
Bohrturm aus den 1980er Jahren

Bestandteile und Funktion

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Wesentliche Komponenten eines Bohrturmes sind neben dem Gerüst der Unterbau, die Arbeitsbühne, die Fingerbühne, der Kloben (Kranhaken) und das Hebewerk. Die Ausführung als Turm ist durch die Tatsache bedingt, dass der Bohrstrang aus zusammengeschraubten Bohrstangen von ca. 9 m Länge besteht, die senkrecht stehend gehandhabt werden müssen. Dies ist immer dann der Fall, wenn eine Gestängelänge tiefer gebohrt wurde (Einsetzen einer neuen Stange) oder das Gestänge aus dem Bohrloch gezogen wird (Ausbau der Stangen). Moderne Großbohrtürme können jeweils dreifach vorverschraubte Gestänge mit 27 m Länge („Triple“) handhaben, was den Bohrfortschritt durch weniger Unterbrechungen zum Rohrein- oder -ausbau beschleunigt. Aus der maximalen Länge des einzelnen Gestänges zuzüglich der Bauhöhe von Drehkopf, Spülungseinleitung und des Hebewerk-Flaschenzuges ergibt sich der Gesamthöhenbedarf des Turms über der Arbeitsbühne.[1] Nicht unmittelbar zum Turm gehört funktional weiteres Zubehör wie etwa der Blowout-Preventer (BOP), die Schließanlage, die Spülpumpen, das Spülungsbehandlung, oder Geräte zur Energieversorgung (dieselelektrisch, dieselmechanisch oder elektrisch).

Unterscheidung nach Antriebsart

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Je nach Art der Kraft- beziehungsweise Drehmomentübertragung auf das Bohrgestänge und den Bohrmeißel unterscheidet man zwischen Drehtischantrieb oder Kraftdrehkopf (englisch: Top Drive). Beim Drehtischantrieb erfolgt die Kraftübertragung über eine sogenannte (vier-, sechs- oder achteckige) Mitnehmerstange (englisch: Kelly), die immer als oberstes Bestandteil auf das Gestänge gesetzt wird. Auf der Arbeitsbühne befindet sich der Drehtisch, der mittig eine zur Kellystange passende Aussparung hat. Durch diesen Formschluss wird das Drehmoment vom Drehtisch auf die Kellystange und somit auf das Gestänge übertragen, während das Gestänge beim Bohrfortschritt durch den Drehtisch nach unten sinken kann. Der modernere Kraftdrehkopfantrieb überträgt am Kopf des Bohrgestänges die Kraft direkt auf die oberste Bohrstange.

Hakenlast

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Kleineres Bohrgerät auf Raupenketten für Erdwärmesonden (links)

Zumeist werden Bohranlagen und somit deren Größe anhand der von ihnen ausführbaren Hakenlasten (Zuglasten) klassifiziert. Leichte Bohrtürme sind für Hakenlasten bis etwa 100 Tonnen ausgelegt, mittlere Bohrtürme sind in der Lage, etwa 200 Tonnen zu ziehen, schwere Anlagen können bis zu 700 Tonnen Hakenlast besitzen. Diese Kenngrößen bestimmen, wie schwer das Gestänge sein darf, das durch den Bohrturm gehalten bzw. gezogen werden kann. Sie referenzieren damit zusammenhängend auch, welche Bohrtiefe möglich ist.[2]

Kleine und mittlere Bohrtürme sind im Regelfall leicht demontierbar oder gänzlich mobil ausgeführt, zumeist in Form eines Teleskopmastes, der auf einem LKW oder auf einem Raupenfahrgestell montiert ist und so am Bohrplatz hydraulisch aufgeschwenkt und auf die volle Höhe ausgefahren wird. Die Gesamthöhe ist dabei jedoch durch zulässige Fahrzeuglängen auf etwa 30 m beschränkt. Schwere Bohrtürme werden meist in transportierbare Einheiten zerlegt und mit Schwertransportern zur nächsten Bohrstelle gefahren.

Komplettierung und Förderphase

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Nach Abschluss der Bohr- beziehungsweise der darauf hinfolgenden Komplettierungsarbeiten (Verrohrung, Einbau des Förderstranges) ist, unabhängig davon, ob nach Bodenschätzen wie Erdöl, Erdgas oder Geothermie gesucht wurde oder eine Erkundungsbohrung (Explorationsbohrung) abgeteuft wurde, der Bohrturm nicht mehr nötig. An Stelle des Bohrturms bzw. der zum Turm gehörigen Abschlusseinrichtungen (Blowout-Preventer) wird bei Öl-, Gas- oder Wasserfunden im Regelfall eine Verflanschung und ein Eruptionskreuz und bei druckschwachen Ölbohrungen eine Ölpumpe (z. B.: Pferdekopfpumpe) aufgebaut. Auf Bohrinseln wird im Regelfall der Bohrturm nach Abschluss der Bohrarbeiten stehengelassen, um weitere Arbeiten durchführen zu können.

Geschichte

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1813 wurde im Wald zwischen Pechelbronn und Kutzenhausen der erste Bohrturm in Frankreich errichtet. Er stand auf zwei Holzpfosten, ein Nachbau an dieser Stelle stellt heute ein Ausflugsziel dar. Ab 1917 wurde hier auch mittels Stollen unter Tage nach Erdöl-Linsen gegraben.

Historische Bohrtürme zur Soleförderung

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In einigen Kurorten existieren historische Bohrtürme für die Förderung der Sole. Sie stehen meistens unter Denkmalschutz, werden aber gelegentlich zur Aufweitung der Bohrung eingesetzt.

Land Bundesland Ort Höhe des Bohrturms Baujahr des Bohrturms Koordinaten Bemerkungen
Deutschland Thüringen Bad Salzungen 17,70 m 1869 50.81556 N 10.23434789 O
Deutschland Baden-Württemberg Bad Rappenau 18,70 m 1905 49.236585 N 9.11800304 O
Deutschland Baden-Württemberg Bad Dürrheim 40 m 48.013516 N 8.542377 O Doppelanlage
Deutschland Baden-Württemberg Bad Dürrheim 40 m 48.015702 N 8.529143 O Doppelanlage, heute Jugendhaus
Deutschland Rheinland-Pfalz Bad Ems 1939 50.326512 N 7.731588 O
Deutschland Bayern Luitpoldsprudel, Bad Bocklet 50.242472 N 10.081040 O
Schweiz Aargau Bad Zurzach 47.594338 N 8.291762 O 4 Bohrtürme
Deutschland Niedersachsen Einbeck 51.771613 N 9.918669 O

(Tabelle bitte erweitern und ergänzen)

Sonstige bemerkenswerte Bohrtürme

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Sonstige, bedeutende, ortsfeste Bohrtürme an Land

Land Bundesland Ort Bezeichnung des Bohrturms Höhe des Bohrturms Baujahr des Bohrturms Koordinaten Bemerkungen
Deutschland Bayern Windischeschenbach Bohrturm des Kontinentalen Tiefbohrprogramm der Bundesrepublik Deutschland 83 m 1989–1990 49.815250 N 12.120425 O Wissenschaftliche Tiefbohrung, tiefste Bohrung in der EU, Tiefe: 9101 Meter
Deutschland Nordrhein-Westfalen Erkelenz Bohrturm der Bohrgerätefabrik Alfred Wirth 55 m 2011 51.070331 N 6.320510 O Bohrturm zur Erprobung von Bohranlagen, insbesondere für Offshore-Plattformen
Russland Murmansk Sapoljarny Bohrturm der Kola-Bohrung 68 m 1977 69.396463 N 30.609809 O Wissenschaftliche Tiefbohrung mit größter je erreichter Bohrtiefe (12262 Meter). 2008 abgerissen

Siehe auch

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Wiktionary: Bohrturm – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen
Commons: Bohrturm – Album mit Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

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  1. Bohrmast Bundesverband Geothermie: Geotherme-Lexikon, abgerufen am 10. März 2024
  2. Hakenlast Bundesverband Geothermie: Geotherme-Lexikon, abgerufen am 10. März 2024