Besitzstörung liegt im deutschen Sachenrecht vor, wenn jemand den Besitzer einer Sache ohne dessen Willen und ohne gesetzliche Erlaubnis (verbotene Eigenmacht) in seinen Besitzrechten beeinträchtigt. Besitzstörung ist ein Verhalten, das den Besitzer daran hindert, mit der Sache nach Belieben zu verfahren.

Allgemeines

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So wie der Eigentümer einer Sache gemäß § 1004 Abs. 1 BGB jede Störung seines Eigentums unterbinden kann, gewährt § 862 Abs. 1 BGB dem unmittelbaren Besitzer und § 869 BGB dem mittelbaren Besitzer einen Anspruch auf Beseitigung einer Besitzstörung. Das Gesetz schützt also die durch Eigentümer und Besitzer ausgeübte Sachherrschaft. Dieser Besitzschutz gilt insbesondere in Fällen, bei denen der Besitzer nicht zugleich Eigentümer der Sache ist wie bei Miete, Leihe, Pacht oder Verwahrung. Besitzstörung muss auf verbotener Eigenmacht beruhen, es darf mithin keine Duldungspflicht des Besitzers vorliegen.

Ein Abwehranspruch in Form eines vorbeugenden Unterlassungsanspruchs kann aber bereits dann geltend gemacht werden, wenn eine Einwirkung auf die Sache mit Sicherheit zu erwarten ist. Das gilt nicht nur bei Wiederholungsgefahr, wie der Gesetzeswortlaut vermuten lässt („Sind weitere Störungen zu besorgen“), sondern auch dann, wenn eine erstmalige Störung konkret droht. Die drohende Einwirkung kann sich auch durch glaubhafte wörtliche oder schriftliche Erklärung ergeben.[1]

Beispiele für Besitzstörungen

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Eine Besitzstörung liegt vor, wenn ein Falschparker die einzige Zufahrt zu einem Grundstück blockiert. Wer den Pkw auf einem fremden Grundstück parkt, stört den Besitz am ganzen Grundstück und entzieht den Besitz auf dem Grundstücksteil, auf dem er steht. Um Besitzstörung handelt es sich auch, wenn jemand dem Pächter eines Grundstücks alle Zugänge zu diesem sperrt, ohne selbst Besitz am Pachtgrundstück zu ergreifen. Weitere Fälle sind das Betreten eines Ladens trotz Hausverbots, der Einwurf von Werbemitteln in Briefkästen trotz Verbots, die Betriebsbesetzung im Arbeitskampf, Lärm oder Immissionen.[2] Der Vermieter darf die Versorgung einer Mietwohnung mit Wasser, Energie usw. nicht sperren oder einstellen.

Besitzstörungsansprüche können ausgeschlossen sein im Fall des Notstands gemäß § 904 BGB. Dann ist die Einwirkung auf die Sache auf Grund einer Güterabwägung rechtmäßig und kann vom Eigentümer oder Besitzer nicht verboten werden, kann aber einen Schadenersatzanspruch zur Folge haben (ähnlich § 962 BGB).

Besitzentziehung

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Die Besitzentziehung ist im Vergleich zur Besitzstörung die stärkere Beeinträchtigung des Besitzes, denn sie beendet den Besitz. Dem bisherigen Besitzer wird die Sachherrschaft dauerhaft entzogen. Hierzu gehören das Ausräumen der Mietwohnung durch den Vermieter („kalte Räumung“) oder das Auswechseln von Türschlössern (siehe Vermieterpfandrecht). Die Grenze zur Besitzentziehung ist fließend, da die in § 859 Abs. 2 und 3 BGB vorgesehenen zeitlichen Schranken für die Selbsthilferechte des von verbotener Eigenmacht betroffenen Besitzers nur für die Besitzentziehung, nicht jedoch für die Besitzstörung gelten.[3]

Beseitigung

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Nach § 862 Abs. 1 Satz 1 BGB kann der unmittelbare Besitzer einer Sache, wenn er im Besitz durch verbotene Eigenmacht gestört wird, von dem Störer die Beseitigung der Beeinträchtigung verlangen. Kraft Verweis gilt das auch für den mittelbaren Besitzer. Unter Umständen darf sich der Besitzer gegen verbotene Eigenmacht auch gewaltsam wehren („Besitzwehr“; § 859 BGB). Die Gewaltanwendung darf dabei nicht weiter gehen, als dies zur Abwehr gegenwärtiger verbotener Eigenmacht nötig ist.[4] Keine Voraussetzung für das Selbsthilferecht ist, dass eine staatliche Hilfe (Polizei) erreichbar sein muss.[5] Dieses Selbsthilferecht gilt nur für den unmittelbaren Besitzer und geht damit weiter als das Selbsthilferecht des § 229 BGB. Bei weiteren Störungen ist eine Unterlassungsklage möglich. Die Besitzstörung ist erst beseitigt, wenn der vor der verbotenen Eigenmacht vorhandene Besitzstand wiederhergestellt wird.

International

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Auch die österreichische Rechtsordnung schützt nach den §§ 339 ff. ABGB den Besitz. Besitzstörung ist – wie in Deutschland – ein unbefugter und eigenmächtiger Eingriff in den Besitz.[6] Wird er unrechtmäßig gestört oder eingeschränkt, kann sich der Berechtigte dagegen gerichtlich zur Wehr setzen. Die Besitzstörungsklage richtet sich auf Feststellung der Störung des Besitzes, Wiederherstellung des letzten ruhigen Besitzstandes und Untersagung weiterer Störungen (§ 339 ABGB, § 454 ZPO).

In der Schweiz ist der possessorische Besitzschutz in den Art. 926 ff. ZGB geregelt. Er baut auf dem in den Art. 919 und 920 ZGB definierten Besitzbegriff auf und gewährt dem Besitzer nach Art. 928 ZGB eine Klagemöglichkeit auf Beseitigung und Unterlassung, wenn er durch verbotene Eigenmacht in seinem Besitz gestört wird.[7]

Literatur

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  • Hans J. Wieling: Sachenrecht. 4. Auflage, Springer-Verlag, Berlin/Heidelberg 2001, ISBN 3-540-41272-7.

Einzelnachweise

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  1. Gottlieb Planck/E. Brodmann: BGB-Kommentar, 1999, § 862 Nr. 2a.
  2. Hanns Prütting/Friedrich Lent/Karl H. Schwab: Sachenrecht, C.H. Beck, 2008, Rn. 125, ISBN 3406489117.
  3. Harm Peter Westermann/Dieter Eickmann/Karl-Heinz Gursky: Sachenrecht, 2011, § 21 Rn. 2, S. 152.
  4. BGH WM 1968, 1356
  5. RG, HRR 1934, 1282
  6. Therese Müller: Besitzschutz in Europa, 2009, S. 98.
  7. Therese Müller: Besitzschutz in Europa, 2009, S. 78.