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Baustellen-Diskussionsseite D.13

Hallo!
Dieser Beitrag von Dirk123456 beschäftigt sich vor allem mit der Frage, ob man bereits recherchierte Wissenschaftsgeschichte in den entsprechenden Artikeln, z. B. „Fäulnis“ und/ oder „Gärung“ unterbringen sollte – und wenn ja, wie? Ende dieses Beitrags: ↓ 
Mautpreller, du hast sicherlich recht, dass es „offensichtlich ziemlich kompliziert [ist,] herauszukriegen, was die Leute im 18. Jahrhundert [...] genau beschäftigte“. Das weiß man ja heute auch nicht genau, zumal verschiedene Leute Verschiedenes beschäftigt; wenn das nicht sorgfältig aufgeschrieben wurde, kommt es oft abhanden. Wenngleich du die Wissenschaftsgeschichte erst einmal „nur“ brauchst, um sie zum Artikel über Geneviève Thiroux d’Arconville einzuordnen, dachte ich gleich daran, dass die Recherchen dazu nützlich sein könnten, um Begriffe, die sich im Laufe der Zeit gewandelt haben (z. B. Fäulnis, Gärung, Verwesung und Fermentation) in einen historischen Kontext zu stellen.
Wenn Pierre-Joseph Macquer 1766 meinte, dass die Erforschung der Fäulnis „vielleicht das wichtigste Unterfangen der Wissenschaft“ sei, weil ihm ein volles theoretisches Verständnis diesbezüglich „als der wahre Schlüssel zu den grundlegendsten und verborgensten Geheimnissen der animalischen Ökonomie“ erschien, dann ist das zwar auf der einen Seite nur die Meinung einer einzelnen Person, auf der anderen Seite aber nicht irgendeiner Person. Er wurde ja in die Académie des Sciences aufgenommen und war Mitarbeiter der Encyclopédie d’Yverdon.
Da ich mich mal selbst einmal mit einem Stückchen Wissenschaftsgeschichte beschäftigt habe (Themenfeld Genetik/ Biochemie/ Molekularbiologie), hege ich einen ungefähren Verdacht, wie schwer das werden kann. Ich wollte unbedingt herausfinden, wo die Abkürzung „CpG“ in „CpG-Insel“ und „CpG-Stelle“ bzw. „CpG-Dinukleotid“ genau herkommt. Des Pudels Kern meine ich Anfang der 1960-er Jahre gefunden zu haben, die meisten assoziierten Informationen lagen im Zeitraum nach Mitte der 1940-er und das älteste Zitat war von 1925; also – im Vergleich zu deinem Anliegen – eigentlich Gegenwart. Obwohl es bei diesem Beispiel so etwas Ähnliches wie eine Original-Arbeit gibt,[1] die online einsehbar ist und in Englisch vorliegt, ist 1961 schon so lange her, dass selbst das Wissen­schafts­englisch irgendwie ein anderes ist als heute (die Verwendung anderer Einheiten, z. B. „15 mµmoles“ statt „15 nmol“, meine ich damit noch nicht einmal).
Die Methode, die bei Josse, Kaiser und Schwarz 1961 beschrieben wurde,[1] wurde zwar schnell durch modernere Methoden ersetzt und eine Abkürzung, welche dort verwendet wurde, nämlich „XpY“, spielte dann keine große Rolle mehr; die Abkürzung „CpG“ hat aber bisher die Zeit überstanden. (Das liegt daran, dass die Häufigkeit der Nachbarschaft von zwei bestimmten Bausteinen in einer bestimmten Orientierung [CpG] im Erbgut verschiedener Lebewesen eine deutlich größere Rolle spielt, als das bei beliebigen anderer Nachbarschaften [XpY] der Fall ist.)
Bei der „Fäulnis“ wird das wohl ähnlich sein: es gibt Sachen, die heute keine Rolle mehr spielen und solche, die „Reste“ aus vergangenen Tagen darstellen. Auf der einen Seite wird wohl niemand mehr Krankheiten danach einteilen wollen, ob sie ihren Wesen nach fäulnisartig sind; auf der anderen Seite gibt es auch heute noch die Bezeichnung „Fäulnisbakterien“. Die damalige Bezeichnung „animalische Ökonomie“ trifft wahrscheinlich auf das zu, was man heute „Tierphysiologie“ nennen würde und man verbindet heute „die Verheißung, lebende Systeme zu verstehen und zugleich Krankheiten zu heilen und das Leben zu verlängern“ nicht mehr direkt „mit einem wissenschaftlichen Verständnis der Fäulnis“, aber schon mit einem wissenschaftlichen Verständnis der Vorgänge, die man damals mit dem Wort „Fäulnis“ zu benennen suchte.
Nachträgliche Definitionen werden immer schwieriger, je länger die den Begriffen zugeordneten Ausdrücke in verschiedenen Bereichen und mit verschiedenen Sichtweisen benutzt werden. Da Ordnungssysteme ihren Zweck nicht erfüllen, wenn man sie ständig ändert, sind einige Sachen sehr zählebig. Die Karibik kennt man beispielsweise bis heute als eine Ansammlung „Westindischer Inseln“, wenngleich Satelliten eine etwas bessere Auflösung ermöglichen.
„Fäulnis“ und „Gärung“ bilden ein sehr gutes Beispiel für ein schlechtes Beispiel für klare Begriffe. Aus heutiger Sicht ist es wohl mehr oder weniger das Gleiche, wenn man den biologischen oder chemischen Aspekt betrachtet. Die Sprache entwickelt sich aber nicht so geradlinig, wie man sich das wünschen könnte, wenn man ein Wörterbuch, ein Lexikon oder eben eine Enzyklopädie aufbauen möchte.
Geschichte ist immer ein bisschen Gegenwart; deshalb begrüße den Versuch, sie vernünftig in dieser Online-Enzyklopädie zu verorten. Auch das Wikiversum selbst gibt es schon eine Weile, so dass man auch hier nicht mehr Alles mit drei Handgriffen „umtopfen“ kann, wenn einem dies zu einem bestimmten Zeitpunkt als sinnvoll erscheinen würde. Schon die Frage, ob Fäulnis und Gärung ein chemisches, biologisches, medizinisches oder kulturhistorisches – oder, oder, oder – Thema darstellen, ließe sich unterschiedlich beantworten.
Je länger ich an diesem Diskussionsbeitrag geschrieben habe, desto stärker hat sich mir die Frage gestellt, ob überhaupt jemand weiterführend an dem Thema arbeiten möchte und kann.
Nichtsdestotrotz habe ich darüber nachgedacht, wie die Geschichte der Begriffe (z. B. „Fäulnis“) integriert werden könnte. Im Folgenden versuche ich ein wenig, mir (bezogen auf das Thema) die gegenwärtige Struktur in der Wikipedia vor Augen zu führen.
Da mir irgendwann klar geworden ist, dass morgen „heute“ gestern gewesen sein wird, gebe ich die zur Zeit – also „heute“ – wirksamen „OldIDs“ als Verknüpfungen an. Welches Datum „heute“ bzw. „z. Z.“ ist, lässt sich aus meiner Signatur ableiten. Dadurch lässt sich vielleicht einiges besser nachverfolgen, wenngleich das nicht für Alles im gleichen Maße gilt – Infoboxen basieren beispielsweise auf Vorlagen:
  • „Ruft man eine alte Version eines Artikels auf, so wird er nicht mit den damaligen Versionen der genutzten Vorlagen angezeigt, sondern mit den aktuellen. Dadurch ist es nicht möglich, sicher zu sein wie der Artikel damals aussah.“ (Themenschwerpunkt „Leichter mit Vorlagen arbeiten“, Projekt-Unterseite „Wikipedia:Technische Wünsche/Topwünsche/Leichter mit Vorlagen arbeiten/Häufigst genannte Probleme“, Abschnitt „Weitere Probleme“, z. Z. oldid=194822419#Weitere Probleme)
Die Aussage „Fäulnis ist eine natürliche Form der Gärung“ im Artikel „Fäulnis“ (z. Z. oldid=198272166) stellt Gärung als Oberbegriff der Fäulnis dar, während die „Infobox GO-Terminus“ im Artikel „Gärung“ (z. Z. oldid=199326159) die Fäulnis nicht in Bezug auf die Gärung einordnet, da die Infobox einen Bedeutungsinhalt wiedergeben soll, der sich auf einen „Biological Process“ bezieht – nämlich „fermentation“ (QuickGO-Website, GTerm-ID GO:0006113, Zugriff 06. Okt 2020).
Es wird also schnell klar, dass man sich in der heutigen Zeit nicht nur mit deutschen, sondern auch mit englischen Begriffen befassen muss. Dass ein englischer Ausdruck ganz genau den gleichen Bedeutungsinhalt repräsentiert, wie eine deutsche Übersetzung, ist – glaube ich – eher selten.
Für den Artikel „Fäulnis“ wurden keine Links zu anderen Sprachen angelegt; es gibt aber das Wikidata-Datenobjekt Q29545221, dass im Englischen den Titel „Decay“ und im Deutschen den Titel „Fäulnis“ hat und dessen Beschreibung deutsch „Anaerobe biogene Zersetzung“ lautet (und englisch „anaerobic decomposition of organic matter“; z. Z. title=Q29545221&oldid=1278835602).
Betrachtet man die beiden Wikipedias, dann ist „Fäulnis“ ein „normaler Artikel“, während „Decay“ eine Begriffsklärungsseite bzw. „disambiguation page“ ist, auf der um die dreißig Bedeutungen gelistet wurden (z. Z. title=Decay&oldid=890137351), weil „decay“ eben für sich genommen kein spezialisierter Fachterminus ist, sondern nur ein einfaches Wort der Alltagssprache. Dieses Wort wurde aber dennoch als englisches Pendant zur „Fäulnis“ unter dem Wikidata-Datenobjekt Q29545221 hinzugesellt (am 24. April 2017 title=Q29545221&oldid=477787220).
Andersherum ist ein anderes Datenobjekt zuständig: Q1175327. Das heißt, wenn man von der „deutschen Seite“ aus guckt, sieht man diesen Pfad:
  • Wikipedia-Artikel „Fäulnis“ → Werkzeuge, Wikidata Datenobjekt → „‘‘‘Decay (Q29545221)‘‘‘“ oder „Fäulnis (Q29545221)“ (je nach Menüeinstellung für die Sprache)
und von der „englischen Seite“ aus:
  • Wikipedia article „Decay“ → Tools, Wikidata item → „‘‘‘Decay (Q1175327)‘‘‘“.
Das erste „Decay“ (Q29545221) ist eine Übersetzung von „Fäulnis“, das zweite „Decay“ ist die englische Version (Beschreibung: „Wikimedia disambiguation page“), die in Deutsch ebenfalls als „Decay“ bezeichnet wurde (Beschreibung: „Wikimedia-Begriffsklärungsseite“).
Der deutsche Ausdruck „Zersetzung“, der dem englischen Ausdruck „decay“ vermutlich am ähnlichsten ist, was die Menge der Bedeutungsinhalte betrifft, die jeweils sinnvoll zugeordnet werden können, hat ein eigenes Datenobjekt: Q192025 (oldid=1110703420).
Das deutsche Wort „Fäulnis“ ist etwas spezifischer als „decay“, aber trotzdem eher ein mehrdeu­tiges Wort der Alltagssprache, als dass es für sich genommen ein Fachterminus wäre. Man merkt das, wenn man sich die Abbildung „Fauler Apfel der Sorte Elstar“ im Artikel „Fäulnis“ ansieht und dann darüber nachdenkt, ob der Apfel überhaupt so faul erschiene, wenn man ihn anders darstellen würde: ( ;‑) man könnte den Prozess seiner Umwandlung im Zeitraffer visuali­sieren und der Apfel käme gar nicht so faul rüber – sondern eher emsig.
Wenn man bei „faul“ beim gezeigten Bild vom Apfel bleibt und die „Faulheit“ ausklammert, ergibt sich die Frage, ob da wirklich nur anaerobe Prozesse stattfanden. Ein „fauler Apfel“ sieht zwar oft an der Oberfläche gut aus und gammelt erst mal von innen; wenn aber Sauerstoff mitwirkt, wird es ja deshalb noch kein „verwesender Apfel“, sondern bleibt ein fauler. Bei einem aufgeblähten Zebra-Kadaver spricht kaum einer davon, dass dieser „verfaulen“ würde, auch wenn die Volumen­zunahme eine anaerobe Zersetzung anzeigt.
Und dann ist manchmal ganz generell „etwas faul“, also teilweise zersetzt, nicht in Ordnung, wobei biologische und chemische Aspekte und der Faktor Sauerstoff ohne Berücksichtigung bleiben, was häufig durch den Zusatz „im Staate Dänemark“ hervorgehoben wird. Eine Redewendung, die wir William Sheakepears „Hamlet“ zu verdanken haben (Wiktionary, z. Z. oldid=6339983). ( ;‑) Sagt man das in Dänemark eigentlich auch so?
Wenn man sich das andere Wort „Gärung“ ansieht, wird es auch nicht viel einfacher, vor allem, weil die deutsche „Gärung“ der englischen „fermentation“ ähnelt, während die deutsche „Fermentation“ teilweise mit der „Gärung“ überlappt, aber in verschiedenen Sachgebieten jeweils einen unterschied­lichen Fokus haben kann, wie das im Artikel „Fermentation“ ausführlich dargestellt wurde (z. Z. oldid=198026659).
Das Ganze wirkt ein bisschen homonym und ein bisschen synonym. Man hat nicht genau einen Ausdruck, der mehrere klar zu unterscheidende Bedeutungsinhalte anpeilen würde (so etwas ergäbe Homonyme) und man hat nicht mehrere Ausdrücke, die genau ein und denselben Bedeutungsinhalt anpeilen würden (das wären Synonyme). Homonyme kann man einigermaßen gut mit Begriffsklärungsseiten auseinanderhalten und Synonyme mit Weiterleitungen zusammenführen.
Bei anderen Themen hatte ich versucht, solche komplexen Bezüge zwischen Ausdrücken und Bedeutungsinhalten durch separate Abschnitte im jeweiligen „Hauptartikel“ darzustellen; im Artikel „DNA-Methylierung“ gibt es dazu den Abschnitt „Abgrenzung von Begriffen im Zusammenhang mit der DNA-Methylierung“ (z. Z. oldid=199806371#Abgrenzung ... DNA-Methylierung und im Artikel „Methanbildner“ gibt es den Abschnitt „Begriffsabgrenzung“ (z. Z. oldid=200226337#Begriffsabgrenzung).
Bei „Fäulnis“, „Gärung“, „Verwesung“ und „Fermentation“ ist so etwas schwierig, da es dort keinen „Hauptbegriff“ gibt; schon gar nicht, wenn man das historisch betrachten möchte.
Ein Kompromiss wäre es, den Artikel „Fäulnis“ mit einem Abschnitt »Geschichte des Begriffs „Fäulnis“« oder so ähnlich auszustatten und dort Bezüge zu anderen Begriffen bzw. Ausdrücken lediglich zu erwähnen.
Zum Beginn des Betrags: ↑ 

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  1. a b J. JOSSE, A. D. KAISER, A. KORNBERG: Enzymatic synthesis of deoxyribonucleic acid. VIII. Frequencies of nearest neighbor base sequences in deoxyribonucleic acid. In: Journal of Biological Chemistry. Band 236, März 1961, S. 864–875, PMID 13790780.