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Die laxere Praxis in der Kunst geht davon aus, dass sich das Verstehen von selbst ergibt und drückt das Ziel negativ aus: Missverstand soll vermieden werden.
Die strengere Praxis geht davon aus, das sich das Missverstehen von selbst ergibt und das Verstehen auf jedem Punkt muss gewollt und gesucht werden.
Friedrich Schleiermacher 1828


Wolfgang Bähner (Jg. 1960)

Ich bin (nach ersten Versuchen in 2009) seit dem 29. Aug. 2011, 11:56 bei Wikipedia aktiv.

Studium Diplompädagogik also Erziehungswissenschaften, Soziologie ein bischen Psychologie und Philosophie. Meine Diplomarbeit (1994, bei Prof. Christoph Lüth †) über die "Neue Richtung" in der Erwachsenenbildung der Weimarer Zeit - zwischenzeitig mit einem dutzend Materialordnern im Keller verstaut - lässt mich nicht los. Habe seit dem nicht mehr wissenschaftlich gearbeitet, und will doch diese Arbeit mit ihren vielfältigen Bezügen (z.B. zur Frankfurter Zeitung) nicht verstauben lassen.


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Herrigel und Henningsen Bearbeiten

Eingerahmt von drei weiteren Artikeln zur Erwachsenenbildung - von Kaphahn, Weitsch und v. Erdberg - erscheint am 16. Januar 1928 in der Beilage "Für Hochschule und Jugend" (Frankfurter Zeitung) der berühmte Aufsatz Herrigels zu der Frage: "Was ist heute Erwachsenenbildung?"

Henningsen (1959) schreibt zu diesem Artikel: "Es ist ... nicht verwunderlich, das gerade Hermann Herrigel schon 1928 eine nüchterne Bestimmung der Erwachsenbildung gelang, wie sie nicht nur drei Jahre später - in der berühmten 'Prerower Formel' 1931 - nach langem Kampf in gleichem Sinn formuliert wurde, sondern wie sie auch heute noch sehr modern und sachgerecht anmutet." (38f)


Original Herrigel:
... als sollte hier immer noch dem Volke die Bildung nahegebracht werden. Mit solchen philantropischen Zielen fing die Arbeit um die Mitte des letzten Jahrhunderts an, und es ist gewiß, daß man die Aufgabe zuerst rührend einfach sah. Dabei darf aber nicht vergessen werden, daß damals das große Problem der Spaltung von Volk und Bildung überhaupt noch von niemand erkannt wurde.

Herrigel spricht von der "Spaltung von Volk und Geist", die eine "vom 19. Jahrhundert hinterlassene Erbschaft" sei. "Nach 1918 sprach man von Sozialisierung des Geistes und Volksgemeinschaft: man wollte durch Volksbildung die Kluft zwischen Volk und Geist überbrücken und die Volkseinheit erst bilden. Aber auch das konnte nicht genügen."

"Je mehr man aus den Wolken der Volksbildungsideologie heraus auf die Erde kam, desto größer wurde die Aufgabe, desto nüchterner die Worte. Von Volksgemeinschaft als der unmittelbaren Aufgabe der in besonderen Einrichtungen und Veranstaltungen verkörperten Volksbildungsarbeit redet heute im Ernst niemand mehr. Volksgemeinschaft und einheitliche Bildung des Volkes können überhaupt nicht das konkrete Ziel einer einzelnen Bildungseinrichtung sein; wenn man von diesen allgemeinen Dingen noch spricht, so nur in dem Sinn, daß sie der gemeinsame Gesichtspunkt sind, unter den das ganze Schul- und Bildungswesen zu stellen ist.

So kann man heute fast sagen, daß die Volksbildungsbewegung im alten Sinne, die durch besondere Einrichtungen dem 'Volk' als der unteren sozialen Schicht die Teilnahme an dem Bildungsbesitz der Gebildeten erschließen oder im Sinne der späteren Ideologie sich zum Organ einer geistigen Volksgemeinschaft (mehr oder weniger im Gegensatz zu den anderen Bildungseinrichtungen wie Universität, Schule usw.) machen wollte, heute abgeschlossen ist.

Jetzt läßt sich in aller Bescheidenheit etwas darüber sagen. Volksbildungsarbeit hat heute die Aufgabe, den Erwachsenen über das hinaus, was ihm Volksschule und Berufsschule bieten, in die so überaus komplizierte Gegenwartswelt einzuführen; ... ihn selber in seiner Situation wissenschaftlich, d. h. sachlich, wirklichkeitsgemäß denken zu lehren, so daß er imstande ist, die Zusammenhänge und Voraussetzungen seiner Arbeit, seines Berufes, seines Lebens in der Familie, in der Gewerkschaft, im Staat zu überblicken. ... die neue Volksbildungsarbeit geht nicht von einer Bildungsidee, sondern von der Situation und ihren Nöten aus."

Zitat Hennigsen:

"Je mehr man aus den Wolken der Volksbildungsideologie heraus auf die Erde kam, desto größer wurde die Aufgabe, desto nüchterner die Worte. Von Volksgemeinschaft als der unmittelbaren Aufgabe der ... Volksbildungsarbeit redet heute im Ernst niemand mehr. Volksgemeinschaft und einheitliche Bildung des Volkes können überhaupt nicht das konkrete Ziel einer einzelnen Bildungseinrichtung sein ...
Jetzt läßt sich in aller Bescheidenheit etwas darüber sagen. Volksbildungsarbeit hat heute die Aufgabe, den Erwachsenen über das hinaus, was ihm Volksschule und Berufsschule bieten, in die so überaus komplizierte Gegenwartswelt einzuführen; ... ihn selber in seiner Situation wissenschaftlich, d. h. sachlich, wirklichkeitsgemäß denken zu lehren, so daß er imstande ist, die Zusammenhänge und Voraussetzungen seiner Arbeit, seines Berufes, seines Lebens in der Familie, in der Gewerkschaft, im Staat zu überblicken. ... die neue Volksbildungsarbeit geht nicht von einer Bildungsidee, sondern von der Situation und ihren Nöten aus."

Hermann Herrigel und die Frankfurter Zeitung Bearbeiten

Ich beschäftige mich mit Hermann Herrigel, der 20 Jahre für die Frankfurter Zeitung gearbeitet und über 250 Artikel verfasst hat. Das Ende seiner Anstellung bei der FZ ist etwas misteriös. Ich habe den dringenden Verdacht, daß die Entlassung Herrigels zum Beweis der Opposition der FZ gegen das Regime hochstilisiert wurde (spätestens in der Nachkriegszeit, als sich die Frankfurter Redakteure gegen Vorwürfe zur Wehr setzen mußten, Opportunisten gewesen zu sein).

Herrigel wurde von der Frankfurter Zeitung als Archivar eingestellt. Mit ersten Artikeln zur Volksbildung (1916) hatte er sich einen Namen gemacht. Als das Hochschulblatt eingerichtet wurde hatte Erich Tross die Leitung, über den in der Literatur kaum etwas zu finden ist (Vgl. Karl Apfel (1976). Günther Gillessen (1986) erwähnt ihn nicht). Nachdem Tross Anfang der 30er Jahre verstarb, wurde Herrigel sein Nachfolger.

Über das Ende der Beschäftigung Herrigels schreibt Gillessen:

"Mit einem der Frankfurter Redakteure wurde es schwierig. Hermann Herrigel, zuständig für Fragen der Hochschulen und der Kirchen, war ein Grübler und Sucher, der sich verirrt hatte." Im folgenden zitiert Gillessen aus einem Brief von Simon an Reifenberg (v. 3. 6. 1933): "Er [Herrigel, W.B.] ist mit einem Fuß schon in der Bewegung der Deutschen Christen drin und soll angeblich auch in der Judenfrage sich bedenklich dem nationalsozialistischen Standpunkt nähern."(Gillessen 1986, S. 147)

Schon die Formulierung verrät, daß es sich hier vermutlich um Gerüchte handelt. Anschließend wird mit Bezug auf ein Konferenzprotokoll vom 15. 6. 1933 mitgeteilt: "Herrigel wurde vergattert, mehr Distanz zu halten" und Gillessen fährt fort: "Einigen seiner Berichte merkt man Symphatie für die Deutschen Christen an; unredigiert dürften sie noch stärker gewesen sein" (a.a.O., S. 147).

Die Redaktionsprotokolle von 1933 sind nach Gillessen erhalten, obwohl das gesamte Verlagsarchiv verbrannte. Der Verleger Simon hatte sie gerettet. Der Nachlaß von Heinrich Simon befindet sich laut Gillessen im Verlagsarchiv der Frankfurter Societätsdruckerei. Auf meine Anfrage hin wurde mir von dieser mitgeteilt:

"Unser Pressearchiv verfügt leider nicht über Archivalien zur Firmengeschichte unseres Verlagshauses. Durch Gesellschafterbeschluß sind die Dokumente zudem für Außenstehende nicht mehr einsehbar." (Schreiben vom 3.1.1994 von Hans Peter Dieterich) Seltsam!!

In einem Beitrag von Benno Reifenberg findet sich ohne Namensnennung, was in diesem Artikel nicht unüblich ist, folgender Absatz:

„Es hat in der Redaktion selbst, bis auf einen Fall, keinen Zweifel darüber gegeben, daß alle prinzipiellen Versuche, das Dritte Reich als notwendig zu begründen, Improvisationen waren [...] Die erwähnte Ausnahme bezieht sich auf den theologischen Streit innerhalb des Protestantismus, der in der Gründung der "Deutschen Christen" und der Verfehmung der "Bekennenden Kirche" sein vorläufiges Ende fand. Die Positionen: hie Christentum - hie Nationalsozialismus zeichneten sich zwar von Anfang an als polar ab [...], aber es dauerte doch eine Weile ehe sich die verschiedenen protestantischen Kräfte zu deutlicher Figur sammelten. Der Leiter einer Beilage, die von der "Frankfurter Zeitung" für "Hochschule und Jugend" seit Jahren entwickelt worden war, ein im innersten unpolitischer Geist, fand sich in grübelnden Aufsätzen allmählich in Gegensatz zur "Bekennenden Kirche" geraten und deshalb, weil man die damit erreichte Nähe zu den "Deutschen Christen", wie man wußte ins politische projezierte, auf der Seite des Nationalsozialismus. Als diese Entwicklung der Redaktion klar wurde, trennte sie sich von jenem Redakteur." (S. 42)“

Bei Gillessen heisst es schließlich: "Im Frühjahr 1934 verschwand sein [Herrigels, W.B.] Autorenzeichen aus den Spalten der Zeitung. Die Kollegen und er waren wegen der Beurteilung des evangelischen Kirchenkampfes einander fremd geworden. Es war Kircher gewesen der auf die Entlassung Herrigels gedrängt hatte." (S. 151)

Die Behauptung Herrigel hätte nach Anfang 1934 nicht mehr für die FZ geschrieben ist schlicht falsch. Das letzte von ihm herausgegebene Blatt "Für Hochschule und Jugend" ist vom 3. Februar 1935. Sein Nachfolger war Dolf Sternberger. Auch danach erschienen noch einzelne Artikel - der letzte am 9. April. 1939. Damit wird aber die Darstellung Gillessens fragwürdig.

Ab Mitte des Jahres 1935 hat Hermann Herrigel seine eigene Zeitung herausgegeben. Herrigel hat sich für die Deutschen Christen eingesetzt - das ist nicht zu bezweifeln. Er hat sich schon 1917 (FZ v. 23.10.) gegen einen "pseudowissenschaftlichen Rassenaberglauben" ausgesprochen. Er hat sich nach meiner Kenntnis nie aktiv für den Nationalsozialismus eingesetzt.

Archiv der Landesbibliothek Stuttgart: Herrigel-Nachlass Bearbeiten

Das von mir gesichtete Material (unkatalogisiert) kann man in vier Gruppen aufteilen:

  • Verschiedene Bände mit Publikationen aus Zeitungen und Zeitschriften.

- Eine Mappe mit den Artikeln aus der Frankfurter Zeitung Titel: I. H.H. 31.12.16. - 11.06.19.

- Zeitschriftenartikel aus den Jahren 33,34("Eckart"),37,43,50,54

- Ein Band 1935 (Juni!) - 50 u.a. aus "DIE TAT" mit Inhaltsverzeichnis welches später bearbeitet und mit Notizen versehen wurde ev. von Schulz / ist nicht völlig identisch mit der Bibliographie. darin findet sich ein Brief an Flitner. vermtl. datiert Jan. 1935 s.u.

- Ein Band 1954 - 68 darin ist aber auch ein Artikel von 1935 "Zur Lage des Protestantismus" (S. 107).

  • Briefwechsel

- vier Ordner aus den Jahren ca. 1950 - 1973. Durchschläge und Antwortbriefe z. B. A. Weber, Mitscherlich, Rothacker, Plessner, Jacoby

- einzelne Mappen (50er/60er Jahre mit Schriftführern versch. Zeitschriften): H. Nohl (Die Sammlung) darin: Brief über Jacoby (Jan. 1960); Paeschke (Merkur)

  • verschiedene Mappen und Bändchen mit Schriften

- Eine Arbeit über Hermann Kienholt Tübingen 1910 - N. Hartmann 1962 - Jacoby 1960

  • Handschriftliche Aufzeichnungen .

- Eine Art Tagebuch von 1909/1910 mit Aufzeichnungen vermutl. über die Studienzeit. - Ein Bändchen mit dem Titel "Vom Schreiben. Tagebuch des Schreibens" 1945. - ca. 30 kleine Bücher chronologisch angelegt und beschriftet das Erste mit der Aufschrift: Heft XVIa 1.XI 1945 - 31.X. 1946. (Inhalt: Erkenntnisphilosophie) das Letzte: Heft XLII 16.IV 1968 - 1969 (P.T. de Chardin)


Kommentar: Die erste (negative) Überraschung war nun, daß mit geradezu unheimlicher Präzision Dokumente, Briefe oder andere Aufzeichnungen aus der Zeit von 1920 bis ca. 1940 fehlten! Und dieser Sachverhalt ist so auffällig, daß ich nun wirklich nicht an Zufall glauben kann.

So gibt es Material aus dem Jahr 1910, u.a. eine Art Tagebuch aus den Jahren 1909/1910 -eine große Lücke - und dann die 30 Bände mit Aufzeichnungen, die mit der Nummerierung XVIa aus dem Jahr 1945 beginnen.

Diese Lücke ist also sehr auffällig und kann auch nicht dadurch erklärt werden, daß in den letzten Kriegsjahren das Material verbrannt sein soll.

Es gibt eine Mappe mit den bekannten Zeitungsartikeln aus den Jahren 1916-19 und danach auch nicht den kleinsten Hinweis, daß Herrigel in den 20er Jahren etwas mit Erwachsenenbildung zu tun gehabt hätte.

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