Die Evangelische Dankeskirche Halbe wurde in den Jahren 1913/1914 errichtet. Sie ist eine Schöpfung des Regierungsbaurates Curt Steinberg (Berlin Charlottenburg) und stand unter der Bauaufsicht und Mitwirkung des Königlichen Oberbaurates Georg Büttner. Die Kirche besteht aus einem mit Gemeindesaal und Pfarrhaus verbundenen Gebäudekomplex, der sich als architektonische Einheit zusammenfügt. Sie ist ein Sakralbau des Neobarocks (Wilhelminischer Stil) mit ursprünglicher Innenraumausmalung im barockisierenden Jugendstil. Das Gebäude wurde am 13. Februar 2007 in die Liste der Baudenkmäler des Landes Brandenburg aufgenommen.

Hintergrund Bearbeiten

Mit der Niederlassung der Industrie, gegen Ende des 19. Jahrhunderts, wuchs der Ort Niederlehme sehr schnell. Es entstand eine Siedlung, die sich heute über 7 km im Dahmetal erstreckt. Niederlehme verdankt sein rasches Aufblühen der auf seinen Ländereien gelegenen Sandbergen. Die Sandvorkommen wurden zur Mörtel- und Kunststeinfabrikation abgebaut. In den Sandförderanlagen, dem „Vereinigten Berliner Mörtelwerk“ und den „Berliner Kalksandsteinwerken Robert Guthmann GmbH“ fanden viele Menschen Arbeit und siedelten in Niederlehme. Der Ort zählte 1914 bereits 2300 Einwohner, darunter waren über 2100 evangelische Christen.

Ab 1907 wurde ein Hilfsprediger nach Niederlehme entsandt. Somit wurden seit diesem Jahr wieder Gottesdienste in Niederlehme gefeiert. Da keine Kirche vorhanden war, fanden die Gottesdienste im Schulhaus statt. Der Wunsch nach einem Gotteshaus wurde immer lauter und fand Unterstützung durch ein Testament, in welchem der Kirchengemeinde 50.000 RM zur Erbauung einer Kirche hinterlassen wurden.

Um den Neubau einer Kirche zu planen, wurde Kontakt mit dem Königlichen Baurat Otto Hetzel (Berlin Charlottenburg) aufgenommen. Er sah einen Gebäudekomplex bestehend aus Kirche, Gemeindesaal und Pfarrhaus vor. Der Kostenvoranschlag belief sich insgesamt über 90.000 RM. Nach geringfügigen Änderungen des Entwurfes durch den Königlichen Oberbaurat Georg Büttner konnte am 7. Mai 1913 mit den Bauausführungen begonnen werden. Schon am 18. August 1913 wurde Richtfest gefeiert und eine Urkunde im Altarfundament niedergelegt. Am Palmsonntag, dem 5. April 1914 konnte die evangelische Kirche zu Niederlehme mit einem feierlichen Gottesdienst eingeweiht werden.

Architektur Bearbeiten

„…die Errichtung einer Kirche eines Konfirmandensaales und eines Pfarrhauses, in schlichtem modernen Barock…“, heißt es in der Bauprojektbeschreibung von 1912.

 
Kalksandsteinkanzel im „Wilhelminischen Stil"

Genau dieses „schlichte moderne Barock“ stellt den Wandel und Beginn einer neuen Ära im protestantischen Kirchenbau Berlin/Brandenburgs zu Beginn des 20.Jahrhunderts dar. Gerade am Beispiel der Ev. Kirche von Niederlehme ist eine deutliche Ablösung der sonst üblichen klinkerverblendeten neogotischen oder neoromanischen Sakralbauten der Gründerzeit erkennbar. Dem gewandelten Zeitgeist entsprechend entwickelten Otto Hetzel und Georg Büttner, als Vertreter der Dorfkirchenbewegung, ein Ensemble aus Kirche, Gemeindesaal und Pfarrhaus in barocken Formen. Die Kirche von Niederlehme ist ein verputzter Saalbau, aus Kalksandstein, mit eingezogenem Rechteckchor und einem südwestlich angefügten Glockenturm. Der mit Schieferstein gedeckte Haubenturm beherbergt den Emporenaufgang, den Zugang zum Dachboden über dem Kirchenschiff, das Läutegeschoss, das Uhrengeschoss und die darüber liegende Glockenstube. Den Abschluss bildet die Laterne welche mit einem Kreuze bekrönt ist. Der 28 Meter hohe Turm beherrscht seit dem Richtfest am 18. August 1913 das Ortsbild. Das Eingangsportal, auf der Westseite, mit seitlichen Pilastern und Dreiecksgiebel besteht aus Rüdersdorfer- Muschelkalkstein. Darüber befindet sich ein Bogenfenster hinter welchem das Orgelwerk verborgen liegt. Der umlaufende Sockel des Gebäudes ist durch graublaue Kalksandsteinen verblendet und lediglich auf der Westseite befindet sich im unteren Gebäudebereich seitliches Granitbossenwerk. Es verstärkt den wehrhaften Charakter des Gebäudes. Das Kirchenschiff trägt ein Walmdach in welchem Fledermausgauben eingearbeitet sind.

Im Innenraum der Kirche haben 350 Menschen Platz. Es befindet sich eine Empore auf der Südseite und die Orgelempore auf der Westseite. Die Raumhöhe bis zur stuckverzierten Kassettendecke beträgt 9 Meter. Die Kanzel steht auf der linken Seite des Chorbogens, an der Stelle wo Kirchenschiff und Chor aneinandergrenzen. Kanzel, Altar, Orgel und Gestühl wurden in einheitlichem „Wilhelminischen Stil“ geschaffen.

Innenraum Bearbeiten

 
Detail der freigelegten Jugendstilausmalung der Künstler Rudolf und Otto Linnemann

„Kommet her zu Mir alle, die ihr mühselig und beladen seid, ich will euch erquicken!" Mit diesem Bibelwort aus dem Matthäusevangelium am Eingangsportal des Gotteshauses wird der Eintretende begrüßt. Im dahinter liegenden Innenraum der Kirche dominierte einst eine einheitliche Ausmalung im barockisierenden Jugendstil. Pfarrer Hans Rehfeldt schrieb 1926 im „Evangelischen Boten des Kirchenkreises Königs Wusterhausen“ dazu folgendes: „Die Kirche hat auch in ihrem Innern manches Besondere. Die von dem Kirchenmaler Professor Linnemann/ Frankfurt am Main entworfene Bemalung der Decke und der Wände ist in ruhigen Farben gehalten und passt sich der Eigenart des Raumes vorzüglich an.“ Die kunstvolle ornamentale Bemalung, die von Rudolf- und Otto Linnemann 1914 geschaffen wurden, fiel dem damaligen puristischen Zeitgeschmack zum Opfer und wurde letztlich 1971 überstrichen.

Die Kanzel ist ein kostbares Stück und ein Stiftung des Großindustriellen Robert Guthmann. Sie besteht aus massigen, in der Kunststeinfabrik erzeugten und vom Bildhauer bearbeiteten Kalksandsteinblöcken. Vier kurze Säulen tragen den schweren, mit Engelsköpfen und Bibelsprüchen verzierten Predigtstuhl.

Der Altarschmuck besteht aus einem gewaltigen Kruzifix mit vergoldetem Corpus und zwei hohen kunstvoll geschmiedeten Leuchtern. Altarleuchter wie Kruzifix wurden 1914 von der „evangelischen Frauenhülfe Niederlehme“ gestiftet. In der nördlichen Chorlängswand befindet sich ein Glasmalereifenster des Ateliers Linnemann/ Frankfurt am Main mit der Darstellung einer niederschwebenden weißen Taube, welche als Symbol für den Heiligen Geist steht. Die weitere innere Ausstattung des Kirchengebäudes ist bis auf die veränderte Farbfassung der Wände und Inventars weitgehend original erhalten.

Orgel Bearbeiten

 
Die original erhaltene Orgel der Werkstatt Dinse/Berlin von 1914

Auf der Westempore, gegenüber dem Altar, befindet sich die original erhaltene Orgel von 1914. Sie ist ein Instrument der Orgelbauwerkstatt Gebrüder Dinse/ Berlin und verfügt über 12 Register welche sich über zwei Manuale und Pedal verteilen. Das Werk steht klanglich in der Tradition des spätromantischen Orgelbaus in Deutschland und zeichnet sich durch einen sonoren, streichend- warm gefärbten Klang aus. Die technische Anlage besteht aus einer Röhrenpneumatik in Form der sogenannten pneumatischen Kegellade. Alle Impulse des Organisten werden hierbei durch, die mit Winddruck gefüllten, Bleiröhrchen weitergeleitet. Die Orgel ist fast unverändert erhalten, lediglich die Prospektpfeifen aus Zinn fielen der Kriegsindustrie zum Opfer. Diese wurden nach dem Ersten Weltkrieg durch Zinkprospektpfeifen ersetzt. Im Jahr 1924, zum 10-jährigen Kirchenjubiläum, wurde ein elektrisches Orgelgebläse eingebaut.Im Rahmen der Kircheninnenrenovierung 1971 bekam auch das Orgelgehäuse eine neu Farbfassung, somit wurde auch die ursprüngliche Ornamentmalerei auf dem Gehäuse überstrichen.Eine klangliche Umdisponierung blieb dem Instrument erspart.

Disposition:

I Manual C–f3
Bourdon 16′
Prinzipal 8′
Viola di Gamba 8′
Hohflöte 8′
Oktave 4′
Mixtur II–III 22/3
II Manual C–f3
Geigenprinzipal 8′
Aeoline 8′
Gedeckt 8′
Rohrflöte 4′
Pedal C–d1
Subbass 16′
Violoncello 8′

Glocken Bearbeiten

Ursprüngliche besaß die Ev. Kirche von Niederlehme ein Bronzegeläut der Firma „Hofglockengießerei Franz Schilling Söhne Apolda (Thüringen)“. Das Dreiklanggeläut bestand allerdings nur 4 Jahre, denn 1917 verlor die Gemeinde ihr kostbares Bronzegeläut. Die Glocken wurden für die Kriegsproduktion des Ersten Weltkriegs beschlagnahmt und eingeschmolzen.

Bronzegeläut 1913-1917:

Glocke Nominal Masse Unterer ø Inschrift
1 g' 610 kg 1,02 m Selig sind, die da Leid tragen; denn sie sollen getröstet werden. (Matthäus 5,4)
2 b' 374 kg 0,85 m Gott ist nicht ein Gott der Toten, sondern der Lebendigen. (Matthäus 22,32)
3 d" 178 kg 0,67 m Jesus Christus gestern und heute und derselbe auch in Ewigkeit. (Hebräer 13,8)

Pfarrer von Halbe Bearbeiten

Name Lebensdaten Amtszeit in Niederlehme
Heinrich Otto Hans Rehfeldt * 09.06.1884 † 25.09.1935 1909 - 1930
Gerhard Wilhelm Martin Friedrich Zademack * 27.01.1896 † 25.04.1945 1931 - 1945
Otto Richard Willy Fischer * 27.06.1884 † 19.01.1968 1946 - 1956
Willi Hans Erich Balzer * 28.05.1910 † 20.11.1977 1956 - 1968
Heinz Milkereit * 09.08.1929 † 24.10.2009 1968 - 1994
Cornelia Marquardt * 05.08.1962 1994 - 2008
Gottfried Hülsen * 29.08.1953 seit 2008

Gemeinde Bearbeiten

Am 1. Dezember 1908 wurde die Ev. Kirchengemeinde Niederlehme errichtet. Diese bestand eigenständig bis zum Jahr 2007, als sich die Gemeinden der Orte Niederlehme, Senzig und Zernsdorf zur fusionierten „Ev. Lukaskirchengemeinde-Königs Wusterhausen“ vereinigten. Die Kirchengemeinde ist in den Kirchenkreis Berlin-Neukölln eingegliedert. Gemeindepfarrer in Niederlehme ist, seit Dezember 2008, Gottfried Hülsen. Zum Gemeindeteil Niederlehme zählen ca. 250 evangelische Kirchenmitglieder. In der Kirche bzw. im Gemeindesaal finden regelmäßig Gottesdienste, Konzerte, diverse kulturelle Veranstaltungen sowie die Zusammenkunft kirchengemeindlicher Gruppen statt.

Förderverein Bearbeiten

Seit dem 4. Juli 2009 gibt es den „Förderverein Ev. Kirche Niederlehme e.V.“, der sich gezielt für die Erhaltung und Sanierung der Ev. Kirche von Niederlehme engagiert. Der Verein sieht seine Aufgabe unter anderem darin, regelmäßige Benefizveranstaltungen zu Gunsten der Kirche zu organisieren, um damit finanzielle Mittel für die Sanierungsmaßnahmen bereitzustellen.

Einzelnachweise Bearbeiten


Weblinks Bearbeiten

Koordinaten: 52° 19′ 2,9″ N, 13° 39′ 2,6″ O