Benutzer:W.S.Herrmann/Spielwiese/Seelenfamilie (Literatur)

Definition Bearbeiten

´Seele´ wird in verschiedenen Religionen und Kulturen durchaus unterschiedlich definiert. Übereinstimmend bedeutet in den germanischen Sprachen ´Seele` soviel wie die Gesamtheit aller Motive, Wahrnehmungen, Kognitionen inklusive jenseitiger Zusammenhänge mit Geistwesen (Schutzwesen, Verstorbene, Engel etc.)[1]. Im Gegensatz zu der Familie des inkarnierten Lebewesens wird die Seelenfamilie als Verbund einander zugeneigter Geistwesen verstanden. Wenn solche einander zugeneigte Seelen zu gleicher Zeit inkarniert sind, so kann eine Begegnung dieser Seelen erhebliche Konsequenzen haben (z.B. Liebe, Verehrung, Bündnis etc.).[2].

Der Begriff der Seelenverwandtschaft setzt die Vorstellung der Reinkarnation (Seelenwanderung) voraus. In der Situation des Sterbens löst sich die Seele von ihrem Körper und wird irgendwann in eine neue körperliche Existenz reinkarniert. Bei Reinkarnation zweier Seelen, die bereits in früheren Leben miteinander verbunden waren, kann es zu sehr engen Bindungen der zwei oder mehreren Menschen kommen.

Eine besondere Variante der Seelenfamilie ist schon früh in der Geschichte des Menschen als Vater-Sohn-Beziehung gedichtet worden. Ob Krishnan oder Buddha, ob Herkules oder Jesus: sie alle erleben ihre eigene Inkarnation als Gotteskindschaft. Dieser Zweig der Seelenfamilien-Dichtung ist neben den klassischen Liebespaaren für die Stoff- und Motivgeschichte ebenfalls sehr ergiebig gewesen.

In etwa 3000 Jahren der Literaturgeschichte sind immer wieder - und mit durchaus wechselndem Kontext - zwei Helden von Epen, Dramen und kurzen Texten als reinkarnierte Seelen dargestellt worden, die sich in dem Glauben miteinander verbunden haben, sie wären füreinander bestimmt [3] Ob Isis und Osiris oder Pyramus und Tisbe, Jesus und Maria Magdalena oder Tristan und Isolde - bis hin zu Kleists Kätchen und Graf Wetter vom Strahl oder zur Vita des Prinzen Siddharta, wie sie durch Hermann Hesse geschaffen wurde: immer wieder wird die Vorstellung artikuliert, es seien zwei Seelen für ein gemeinsames Leben in einen bereits körperlich vorgeformten Organismus eingesetzt worden. Der gegenwärtige Begriff von Seelenfamilie (vgl. auch Dualseele) ist durch diese vielfältigen Werke der literarischen Tradition strukturiert. Seine Bedeutung erschließt sich durch seine Literaturgeschichte.

Altertum Bearbeiten

Krischna Bearbeiten

Eines der frühesten Gotteskinder ist der indische Religionsstifter Bhagavan Sri Krischna, den man als die 6. Menschwerdung Vishnus ansah.[4] Krischna wurde als Sohn Devakis geboren, die durch den Geist Gottes schwanger geworden sei. Es erfolgte eine vom König verordnete Tötung aller Kinder des Landes, um Krischna als Rivalen des Königs zu vernichten. Krischna verbrachte sein Leben mit Predigt und Geistheilung und wurde schließlich durch die Krieger des Königs getötet. Er hat seinen Tod vorausgesehen und ihn freiwillig erlitten, um durch seinen Opfertod der Menschheit den Bund Gottes nahezubringen.[5]

Es ist bemerkenswert, dass schon ca. 3000 Jahre vor Christus typische Merkmale der Gotteskindschaft vorgeprägt waren.

Isis und Osiris Bearbeiten

 
Die heilige Familie Osiris (Mitte), Isis und Horus

Isis heißt in der ägyptischen Mythologie die Schwester und Gemahlin des Osiris. Nachdem der Gott Seth Osiris getötet hatte, gelang es Isis, den zerstückelten Körper ihres Gatten wieder zusammenzusetzen und zu neuem Leben zu erwecken. [6]

Adam und Eva Bearbeiten

Die Schöpfungsgeschichte des Alten Testaments stellt den ersten Menschen als Gottes Ebenbild dar: Gott schuf den Menschen sich zum Bilde (Genesis 1).

Entscheidend für die Zugehörigkeit zur Motivgeschichte der Seelenfamilie ist die Darstellung von der Entstehung Evas. Denn es wird erzählt, dass sie aus einer Rippe des Adam geschaffen worden sei. Eine Parallele zur griechischen Vorstellung der Kugelseele (Dualseele)ist unübersehbar.

=== yolo

===

Siddharta wurde um 560 vor Christus als Königssohn geboren und verließ Frau und Kind im Alter von 29 Jahren, um in der Wildnis zu beten. Unter Anleitung verschiedener geistiger Lehrer gelingt es ihm, in einem Stadium der Erleuchtung seine früheren Leben zu erfahren und sich schließlich als Buddha - also Reinkarnation des Göttlichen - zu verstehen. Er lernt,sich von seinen zahlreichen Bedürfnissen, Eifersucht, Habgier, Überlebensängsten zu lösen und in einer Existenz der Abgeschiedenheit die höchste Lebensform zu verwirklichen. Seine Lehre zeigt den achtfachen Weg zum Erreichen des Nirwana.[7]

 
Buddha Siddhartha Gautama,
Statue am Niederrhein in der Darstellung als Buddha Shakyamuni
(Der Weise aus dem Geschlecht der Shakya)

Orpheus und Eurydike Bearbeiten

 
Hermes, Eurydike und Orpheus (Relief in der Villa Albani, Rom)

Nach frühgriechischer Mythologie wird Orpheus als Sohn Apolls und der Muse Kalliope in Thrazien geboren. Vermählt mit der Dryade Eurydike, wird ihm die junge Braut infolge eines Schlangenbisses genommen. Er folgt der verstorbenen Geliebten, indem er in den Hades wandert und durch sein Harfenspiel die Götter bewegt, ihm Eurydike ins irdische Leben zurückzugeben. Einzige Bedingung sei, dass er sich auf dem Weg ins Diesseits nicht zu seiner Begleiterin herumdrehe. Tragischer Weise kann er die Rückwendung nicht vermeiden. Eurydike wird in den Hades zurückgezogen , und Orpheus verfällt in eine tiefe Depression. Schließlich wird er von den rasenden Mänaden erschlagen, und Kopf und Leier treiben auf den Gewässern an die Insel Lesbos, von wo Apoll die Reste des Verstorbenen ins Sternenbild erhebt.[8]

Platons "Symposion" Bearbeiten

Entstanden etwa 380 vor Christus, erzählt Platons Schrift "Symposion" (Das Gastmahl) einen Mythos aus dem Mund des Aristophanes. Ursprünglich seien die Menschen sog. Kugelseelen gewesen. Ihre Körper seien kugelförmig gewesen, und sie hätten 4 Arme und vier Beine gehabt. Die Götter hätten aus Angst vor zu großer Übermacht diese Menschenwesen geteilt, so dass sie von nun an ständig verzweifelt auf der Suche nach ihrer anderen Hälfte seien. Wenn man seine "bessere Hälfte" zu Lebzeiten finde, so strebe man in großer Glückseligkeit nach Wiedervereinigung.[9]

Amphitryon und Alkmene Bearbeiten

 
Herakles mit einer Schlange, Werk aus dem 2. Jahrhundert in den Kapitolinischen Museen in Rom

Nach der Sage wird Herkules nach Kriegsende auf der Burg des Königs Amphitryon gezeugt, indem Zeus die junge Ehefrau des Königs in der Gestalt ihres Gatten aufsucht. Als die Zwillinge Iphikles und Herakles geboren sind, schickt Hera eine Schlange, die von dem neugeborenen Helden getötet wird. Weitere übermenschliche Taten des Halbgottes sind die Ausmistung des Augias-Tierstalles, die Tötung des Ungeheuers Zentaur und die Wahl der Tugend am Scheidewege. Das Ende des Helden kommt durch Vergiftung infolge Eifersucht und schließlich Selbsttötung zustande.[10] xfggfdfgfgfgfg

Hero und Leander Bearbeiten

 
Hero und Leander (Darstellung aus dem Jahr 1828 von William Etty)

Nach griechischer Sage durchschwamm Leander allnächtlich den Hellespont, um seine Geliebte Hero aufzusuchen. Hero stellte eine Lampe ins Fenster, um Leander eine Orientierung bei Nacht zu geben. Als der Sturm die Lampe verlosch, verirrte sich der Held und ertrank. [11]

Philemon und Baucis Bearbeiten

In Ovids Metamorphosen werden die alten Eheleute Philemon und Baucis als Gastgeber des Zeus und des Götterboten Hermes beschrieben. Sie gewähren den wandernden Göttern Gastfreundschaft und werden dafür mit gleichzeitigem Tod und Verwandlung in Eiche und Linde belohnt.

In der Neuzeit ist der Stoff vor allem durch eine Fabel von Jean de la Fontain, Goethes “Faust II” und im 20. Jahrhundert durch Max Frisch (“Mein Name sei Gantenbein”), Patrick Süßkind (“Über Liebe und Tod”) bekannt. Auch Tucholskys "Stationen" (1930) und Brechts "Der gute Mensch von Sezuan" greifen den Stoff der Ovidschen Metamorphosen auf.

Georg Schützlers Erzählung „Liebe grünt in grauen Zeiten“ (2010) schildert die Kunst, als Paar zu leben, am Beispiel von „Philemon und Baucis“. Der Stoff soll unter Gesichtspunkten der Esoterik für die Gegenwart wieder gewonnen werden.

Pyramus und Tisbe Bearbeiten

Ovids "Metamorphosen" enthalten die Erzählung von Pyramus und Tisbe.[12] Die Eltern des jungen Liebespaares haben die Begegnung der beiden verboten. Da die Familien Wand an Wand wohnen, kommunizieren die Liebenden durch eine Spalte in der Trennwand. Sie vereinbaren ein Treffen in der Nähe eines Brunnens, von wo sie gemeinsam der Heimat entfliehen wollen. Tisbe trifft zuerst am Brunnen ein. Sie flieht vor einer Löwin, die gerade ein Tier zerrissen hat. Tisbes Schleier wird vom Maul der Löwin mit Blut beschmiert. Als nun Pyramus hinzukommt, entdeckt er den Schleier und vermutet, Tisbe sei von der Löwin getötet worden. Er stürzt sich in sein Schwert. Als Tisbe den Leichnam des Pyramus findet, stürzt sie sich ebenfalls in das neben Pyramus liegende Schwert. Die Eltern setzen die Asche der Liebenden in einer gemeinsamen Urne bei, um den Wunsch der Liebenden nach Vereinigung zu erfüllen.

Jesus von Nazareth Bearbeiten

Jesu Leben wird in den biblischen und apokryphen Evangelien erzählt. In der Nachfolge sind zahlreiche Dichtungen entstanden, die als Legenden, Dramen, Romane etc. Verbreitung fanden.[13]

Als Kind der Jungfrau Maria geboren, wird er von den drei Weisen aus dem Morgenlande reich beschenkt. Herodes veranlasst die Tötung aller Kinder im Alter Jesu, um den vermeintlichen Rivalen aus dem Wege zu schaffen. Sein Leben verbringt der Gottessohn mit Lehren und Wunderheilungen. Das Lebensende wird durch Hinrichtung am Kreuz wegen angeblicher Mißachtung des Römischen Gott-Kaisertums erreicht. Jesus selbst stellt seinen Tod als Opfertod dar: alle Sünden der Menschheit seien durch seinen Kreuzestod vergeben.[14]

Mittelalter Bearbeiten

Frühmittelalterliche Evangelienharmonien Bearbeiten

Im christlichen Raum hat das frühe Mittelalter zunächst weitere Jesus-Biografien hervorgebracht.

Die Evangelienharmonie des syrischen Mönches Tatian stammt noch aus antiker Zeit, ist aber richtungweisend für das frühe Mittelalter. Mit Bezug auf die Evangelisten wird erzählt, was überwiegend von allen Zeitgenossen aufgeschrieben worden war. "Diatessaron" ist die griechische Formel für "durch vier", und gemeint sind die 4 biblischen Evangelisten. Dabei geht es vor allem um die Kennzeichen der göttlichen Abstammung: um die Zeugung durch den Heiligen Geist, um die Beweise der Göttlichkeit durch die Menge der himmlischen Heerscharen, den Stern über Beethlehem und um die Heiligen 3 Könige aus dem Morgenland - also den Beweis, dass auch die Reinkarnation Buddhas in Jesus erfolgt sei. Anschließend beweist die Kindstötung durch Herodes die fehlgeleitete Obrigkeit im Konkurrenzkampf mit der Obrigkeit Gottes. Das Ende des Gottkönigtums wird angezeigt. Die Lehren und die Heilungswunder zeigen die Offenbarung an. Vielfältig wird betont, dass die Prophetie der alten hebräischen Schriften sich bestätige. Schließlich werden Hinrichtung und Auferstehung als Beweis der Gotteskindschaft gewertet.

Die bedeutendsten Evangelienharmonien des Mittelalters sind im 8. Jahrhundert entstanden:

- der altsächsische Heliand, der in ca. 6000 epischen Langzeilen das Leben Jesu nacherzählt

- und der Liber Evangeliorum des Otfried von Weißenburg, ebenfalls eine zusammenfassende Erzählung in althochdeutscher Sprache.

Gottesmütter Bearbeiten

Das Lukas-Evangelium schildert die Ereignisse um Mariae Empfängnis (Lukas 1,26-38). Der Erzengel Gabriel sei Maria erschienen und habe die Empfängnis des Kindes Gottes durch den Heiligen Geist angekündigt. Diese Zeilen des Lukas-Evangeliums bilden den Anfang einer Tradition von Marien-Dichtungen, die von der Antike bis in die Neuzeit erhebliche Beiträge zur Geschichte der Seelenfamilien-Dichtung liefert: neben Gottessohn und vorbestimmte Liebespaare tritt nun die Gottesmutter.[15]

Zunächst wurde theologisch die Frage erörtert, ob Maria nur die Mutter Christi, oder die Mutter Gottes sei? Das Konzil zu Ephesus (431) hat diese Frage so beantwortet, dass Maria als Mutter Gottes den höchsten Rang des Heilig-Seins innehabe (Theotokos).

Schon der erste Teil des "Ave Maria" bezieht sich seit dem 11. Jahrhundert auf die Anrede der Theotokos Parthenos(Gottesuterus: Jungfrau).[16] Das "Ave Maria" ist besonders in der Romantik durch das Klavierlied des Franz Schubert und durch die Konstellation des Bach´schen Präludiums C-Dur mit der Melodie Schuberts durch Charles Gounod weiterentwickelt worden.

Den Gipfel mittelalterlicher Mariendichtung erreicht Walther von der Vogelweide in seinem "Leich".

"Ein Bosch der bran,

da nie niht an

besenget noch verbrennet wart:

grüen unde ganz

vor fiures flamme unverschart.

Daz was diu reine

magt alleine,

diu mit megetlicher art


Kindes muoter worden ist

an aller manne mitewist

und wider menneschlichen list

den waren Krist

gebar der uns bedahte.

wol ir, daz si den ie getruoc,

der unsern tot ze tode sluoc!"[17]

"Ein Busch, der brannte,/an dem doch nie etwas/ versengt noch verbrannt wurde./ Grün und unversehrt/ blieb er in seinem Leuchten/ von Feuers Flamme unberührt./ Das war allein/ die reine Jungfrau,/ die jungfräulich// eines Kindes Mutter geworden ist/ ganz ohne eines Mannes Beiwohnung,/ und entgegen aller menschlichen Vernunft/ den wahren Christus/ geboren hat, der sich unsrer annahm./ Gesegnet sei sie, dass sie einst den getragen hat,/ der unseren Tod zu Tode schlug."[18]


Heinrich von Meißen (ca. 1250 bis 1318) hat in seinem "Marienlaich" (Marienlied) eine Tradition fortgesetzt, die für die Frage des frühen Christentums kennzeichnend war: Ist Die Tradition der Marienverehrung ist in der Literaturgeschichte weit über den christlichen Rahmen hinausgewachsen.

Goethes Faust II endet mit dem Satz: "Das Ewig Weibliche zieht uns hinan." ...

Das hohe Mittelalter Bearbeiten

Der römische Kaiser Konstantin, der "Große", der die christliche Religion zur Staatsreligion erhob, verbot bei Todesstrafe den Glauben an Reinkarnation. Damit schien die Idee der Seelenfamilie aus dem christlichen Denken verbannt. Jedoch weist das hohe Mittelalter einige prominente Dichtungen auf, die der Idee der Seelenfamilie neue Gestalt verliehen haben.

Hartmann von Aue Bearbeiten

Die Legende vom Armen Heinrich

Wolfram von Eschenbach Bearbeiten

Parzival



Gottfried von Straßburg Bearbeiten

 
Tristan und Isolde mit dem Liebestrank, John William Waterhouse

Die Geschichte von Tristan und Isolde erzählt die Verbindung zweier Liebender außerhalb der höfischen Gesellschaft. König Marke schickt seinen tapfersten Vasallen, den Neffen Tristan, an den irischen Königshof, damit er um die Hand der irischen Königstochter Isolde anhalte. Brangäne, die Dienerin der schönen Königstochter, kredenzt bei der Überfahrt nach Cornwall einen Wein, der von der Zauberin Isolde-Mutter für die Brautnacht mit Marke geschaffen war. Der Trunk hat die Eigenschaft, die Paare, die ihn gemeinsam genießen, auf ewig miteinander zu verbinden.

Nachdem in der altfranzösischen (Thomas von Bretagne) und in der frühmittelhochdeutschen Epik (Eilhard von Oberge) Tristan und Isolde einer Verwechslung Brangänes zum Opfer gefallen waren, schildert Gottfried von Straßburg um 1210 die Geschichte des Liebespaares sehr viel differenzierter. Das junge Paar ist füreinander bestimmt und muss außerhalb des höfischen Raums seiner hohen Bestimmung folgen.[19] Der Liebestrank symbolisiert lediglich den Umstand des Füreinander-Bestimmt-Seins.

 
Meister Gottfried von Straßburg (Codex Manesse, 1. Viertel 14. Jahrhundert)

Tristan und Isolde beginnen von nun an, einander unwiderstehlich zu lieben. Ihre heimlichen Treffen werden entdeckt und durch Anwendung von List entlarvt. Zunächst kommt es zur Probe durch ein Gottesurteil. Isolde kann ihre Unschuld beweisen, indem sie durch ein glühendes Eisen nicht verletzt wird. Der Mönch Gottfried lässt Gott die außerhöfische Liebe der Seelenverwandten rechtfertigen.

Schließlich entgehen die Liebenden den Nachstellungen der Vertrauten Markes, indem sie Zuflucht in der sog. Minnegrotte finden. Gottfried beschreibt diese Grotte in Anlehnung an die Vorstellung vom paradiesischen Garten als Stätte höchster Liebe. Die Seelenverwandtschaft Tristans und Isoldes wird als eine Beziehung jenseits der höfischen Zwänge verherrlicht.[20]

Dennoch muss Tristan aufs französische Festland fliehen und Isolde im Gewahrsam König Markes zurücklassen. Tristan lernt in Frankreich Isolde Weisshand kennen. Nach verschiedenen Liebeserlebnissen Tristans und Isolde Weißhands wird Tristan anlässlich der Lektüre des Namens "Isolde" auf die Gemeinsamkeiten der beiden Geliebten aufmerksam.

Bis hierhin reicht die Erzählung Gottfrieds von Strassburg. Jedoch ist aus älteren Tristan-Dichtungen bekannt, dass Tristan in Kriegsdiensten für Isolde Weißhands Bruder durch ein vergiftetes Schwert lebensbedrohlich verletzt wird. Nur die Gattin Markes würde die Wunde heilen können. Man schickt um Hilfe nach Cornwall und vereinbart, bei Rückkehr schwarze Segel zu setzen, falls Isolde nicht an Bord sei. Aus Eifersucht veranlasst Isolde Weisshand, dass schwarze Segel gesetzt werden, obwohl Markes Gattin sich an Bord des Schiffes befindet. Tristan stirbt aus Verzweiflung, und Isolde aus Cornwall erleidet den Tod durch Kummer angesichts des toten Geliebten.

Um zu beweisen, dass die Liebe der Seelenverwandten durch Gottes Fügung gerechtfertigt ist, hatte Gottfried schon in seiner Deutung des Liebestranks, im Gottesurteil und in der Grottendarstellung Entscheidendes über seine Quellen hinaus erdichtet. Die Erzählung des Liebestodes hätte die um 1210 als ketzerhaft verfolgte Auffassung von Seelenverwandtschaft vollständig offengelegt.

Es ist oft gerätselt worden, warum das Epos Gottfrieds nicht abgeschlossen wurde. Ist der Straßburger Mönch durch Krankheit oder durch natürlichen Tod an der Fortsetzung seines Werkes gehindert worden? Oder ist er als Angehöriger einer verbotenen Sekte durch klösterliche Sanktionen verurteilt oder gar hingerichtet worden. Jedenfalls war die Vorstellung der Reinkarnation seit Konstantin dem Großen bei Todesstrafe verboten. Auch ist bekannt, dass in der Zeit um 1200 der Mönchsorden der Katharer von der Straßburger Inquisition verfolgt und hundertfach durch öffentliche Hinrichtungen zum Verstummen gebracht wurde.[21]. Die Darstellung des Paares ohne magische Exkulpation durch den Minnetrank lässt den Schluss zu, dass Gottfrieds Werk eine Demonstration des Reinkarnationsglaubens werden sollte. (Erst mit Wagners Oper ist eine solche Ausformung des Tristan-Stoffes gelungen.)

Dante und Beatrice Bearbeiten

 
Dantes Traum beim Tode Beatrices, Dante Gabriel Rossetti 1871

In den Jahren um 1290 hat der italienische Dichter Dante Alighieri eine Seelenverwandtschaft “neuer” Art geschaffen. Um das Neue an seinem Leben herauszustellen, nennt er seine Dichtung “Vita Nova” (später als “Vita Nuova” betitelt). Der Dichter erlebt in jungen Jahren den Tod seiner von fern geliebten Beatrice und verbringt sein weiteres Leben in höchster Verehrung der Verstorbenen, die er in wechselnd rhythmisierten und prosaischen Texten als engelhaftes Wesen feiert und neben Christus, Gott und Maria erlebt. Durch seine Art der Verstorbenen-Kommunikation erreicht er selbst eine innere Läuterung, die ihn zu Lebzeiten verklärt und in eine Seelen-Gemeinschaft mit der Verstorbenen führt.

Neuzeit Bearbeiten

Romeo und Julia Bearbeiten

In seinem Frühwerk "Romeo und Julia" greift William Shakespeare den antiken Stoff von Hero und Leander wieder auf. Die füreinander bestimmten Seelen werden durch Verbot der verfeindeten Familien daran gehindert, sich in Liebe miteinander zu verbinden. Durch Bosheit und Verwechselung kommt es zum tragischen Tod der verwandten Seelen.

Katharina, die Braut Jesu Bearbeiten

Bach Bearbeiten

Lessing Bearbeiten

Die sog. Aufklärung hat das Thema der Gotteskindschaft völlig neu gedeutet. Lessings Nathan der Weise erzählt dem Sultan die Ringparabel. Der Vater dreier Söhne hat einen Ring, der den wahren Erben auszeichnen soll. Er kann sich für keinen der drei Söhne allein entscheiden. Darum lässt er zwei vollkommen identische Ringe anfertigen und gibt jedem einen Ring. Die Gotteskindschaft ist zur Drillings-Gnade geworden. Nach Auflösung des antiken Konzeptes der leiblichen Gotteskindschaft ist nun auch die Erwähltheit als Zeichen der Zuwendung Gottes relativiert. Die Kindschaft Gottes liegt in der Liebe, und Liebe zwischen den Kulturen bedeutet Toleranz und Frieden.[22]

Klopstock Bearbeiten

Klopstocks Versepos "Der Messias" (1748-72) ist nicht nur vom Dichter selber immer wieder erneut bearbeitet worden, sondern auch von einer Reihe späterer Schriftsteller neu bearbeitet worden (vgl. Messiade). Besonders zeitnahe ist Johann Caspar Lavaters “Jesus Christus oder die Zukunft des Herrn” (1780) entstanden. Im 19. Jahrhundert sind Friedrich Rückerts “Leben Jesu. Evangelien-Harmonie in gebundener Rede” 1839 und Friedrich Wilhelm Helles “Jesus Messias” (1896) herausragend. Im 20. Jahrhundert sind Paul Ernsts “Der Heiland” (1930) und Max Brods “Der Meister” (1952) entstanden.


Mozart Bearbeiten

Isis und Osiris

Schiller Bearbeiten

In seiner Ballade "Hero und Leander" greift Schiller das antike Thema der vom Gott Amor verbundenen Seelen auf zwischen denen das Wasser viel zu tief sei - wie das Volkslied sagt.

Hölderlin Bearbeiten

 
Friedrich Hölderlin, Pastell von Franz Karl Hiemer, 1792

Friedrich Hölderlin hat in seinem Briefroman "Hyperion (1797-99) die Beziehung eines äußerst sensiblen jungen Mannes zu einer jungen Dame namens Diotima beschrieben. Das griechische Wort "hyper" bedeutet soviel wie "hinüber" und "ion" besagt soviel wie "gehend". Der begeisterte junge Verehrer ist also schon vom Namen ein Hinübergehender. Seine grenzenlose Liebe ist eine Seelenliebe, die von Diotima ebenso seelisch orientiert erwidert wird. Der Roman trägt autobiografische Züge. Daher ist ein Zusammenhang mit Hölderlins psychiatrischer Erkrankung oft betont worden. Die Seelenverwandtschaft Hyperions mit Diotima (griech. "die Göttliche"[23]) wird zum Thema eines Dichters, der im Laufe der Jahre immer weniger seine "reale" Inkarnation mit den Jenseits-Visionen seiner Träume und Wachträume verwedchselt.

Schließlich versucht Hölderlin in seinem Drama "Empedokles" die Darstellung des griechischen Philosophen Empedokles, der in den Vulkan Äthna hinabsteigt, um eine Vereinigung mit den Göttern zu erzielen. Empedokles ist im Urteil Hölderlins ein Seelenverwandter der griechischen Götter.

Heinrich von Kleist Bearbeiten

In seinem Lustspiel "Das Kätchen von heilbronn" zeigt Heinrich von Kleist die Seelenverwandtschaft eines jungen Mädchens zu einem Grafen mit Namen Wetter vom Strahl. Das junge Mädchen verfolgt den Grafen auf seinen Ritten durch das Land und sucht die unmittelbare Nähe des Grafen, soweit es ihr möglich ist.

Richard Wagner Bearbeiten

Gerhard Hauptmann Bearbeiten

Hanneles Vision

Hermann Hesse Bearbeiten

Siddharta


Richarda Huch Bearbeiten

Thomas Mann Bearbeiten

Mit seiner 1902 veröffentlichten Novelle "Tristan" greift Thomas das von Wagner radikal gestaltete Thema der Seelenverwandten wieder auf. Spinell, ein Schriftsteller, lauscht dem Klaviervortrag Gabriele Klöterjahns. Sie interpretiert Wagners Tristan-Oper, und der Dichter erlebt mit dem Ausdruck höchster Bewunderung die Liebe der Füreinander Bestimmten. Frau Klöterjahn erliegt wenige Tage später ihrer schweren Lungenerkrankung. Der Dichter macht Gabrieles Ehemann für das Schicksal der Pianistin verantwortlich und ergeht sich in üblen Beschimpfungen. Thomas Mann distanziert sich durch das unwürdige Verhalten des Schriftstellers von der Idee einer Apotheose der Liebe. Sie gehört in eine Zeit, die mit dem Tode seiner Protagonisten Klöterjahn endet.

Dürrenmatt Bearbeiten

Regina Berlinghof Bearbeiten

Maria Magdalena

De Bruynn Bearbeiten

Tristan und Isolde: Nacherzählung

Ute Wieland Bearbeiten

Die Münchener Drehbuchautorin Ute Wieland hat 2001 eine Filmkomödie zur Aufführung gebracht, in der die Seelenverwandtschaft zweier Menschen im Sinne der neuen Spiritualität dargestellt wird.

Der Postbote Raphael und die Floristin Lara glauben nicht mehr so recht an die vorherbestimmte Liebe. Da wird im Himmel ein Liebesengel auf sie angesetzt. Sein Liebespfeil trifft die beiden, so dass sie sich spontan ineinander verlieben. Nach der ersten Liebesnacht kommt Raphael durch einen Verkehrsunfall ums Leben. Aus der Perspektive des Himmels erlebt er, dass seine hinterbliebene Lara in jener Nacht von ihm ein Kind empfangen hat. Selbst zum Liebesengel erkoren, erhält er die Aufgabe, Sophie und Daniel miteinander zu verbinden. Bei Erfolg kann er eine Ersatz-Existenz auf Erden erhalten.

Sophie ist die Tochter eines Großindustriellen, der dem Chemietechniker Daniel gerade gekündigt hat. Daniel begibt sich auf eine Urlaubsreise nach Italien. Unterwegs begegnet er Sophie, deren Auto durch des neuen Liebesengels Schikane einen Defekt an der Zündung aufweist. Daniels achtjähriger Sohn Patrick ist befähigt, den Engel wahrzunehmen. Nach Scheidung seiner Eltern wünscht sich sehnlich eine neue Mutter. So fungiert er immer wieder als Götterbote. Nach vielfältigen Missgeschicken gelingt es dem Liebesengel Raphael, Sophie und Daniel zu unlöslicher Liebe füreinander zu entflammen. Zum Lohn wird er als erwachsener Sohn eines alten Witwers aus Ostasien nach Deutschland geschickt. Bei der ersten Begegnung der Ersatz-Existenz mit Lara verliebt sich Raphael, alias ..., unlöslich in die inzwischen hochschwangere Lara. Der Film endet mit dem Happy End aller Beteiligten.

Die szenische Technik der Verbindung von Himmels-Beauftragten mit den Irdischen stammt wohl aus der britischen Filmkomödie von Danny Boyle: “A life less ordinary” (Lebe lieber ungewöhnlich), Filmkomödie 1997. Ute Wieland ist durch eine Reihe sehr beliebter Verfilmungen (

Wolfgang Abaelard Bearbeiten

Fazit Bearbeiten

Literatur Bearbeiten

- Assmann, Jan: Tod und Jenseits im Alten Ägypten. Beck, München 2003

- Berlinghof, Regina: Mirjam. Maria Magdalena und Jesus. Verlag: Klotz, Eschborn 2012

- Bhagavad Gita: das Hohelied der Tat. Vollständige Ausgabe mit Erläuterungen. Drei Eichen Verlag, o.J.

- Boff, Leonardo: Ave Maria. Das Weibliche und der Heilige Geist. Patmos, Düsseldorf 1982

- Hawass,Zahi; Vannini, Sandro: Tutanchamun. Frederking & Thaler, München 2007, ISBN 3-89405-711-4 (Bildband: Grab, Sarkophag, Grabbeigaben und Entdeckungsgeschichte)

- Kreplin, Matthias: Das Selbstverständnis Jesu, Zürich, 2001

- Klein, Hans-Dieter (Hrsg.): Der Begriff der Seele in der Philosophiegeschichte, Königshausen & Neumann, Würzburg 2005

- Jung, Carl. G: Gesammelte Werke. Bände 1-20: Gesammelte Werke, 20 Bde., Briefe, 3 Bde. und 3 Suppl.-Bde., in 30 Tl.-Bdn., Bd.9/1, Die Archetypen und das kollektive Unbewußte: BD 9/I. München: Pathmos 1993

- Leis, Mario; Sourek, Patrick (Hrsg.): Mythos Herkules. Texte von Pindar bis Peter Weiss. Reclam Bibliothek, Leipzig 2005

- Obst, Helmut: Reinkarnation. Weltgeschichte einer Idee, Beck, München 2009.

- Ovid (Publius Ovidius Naso), Metamorphoseon libri (Metamorphosen), Artemis und Winkler, April 2004

- Ranke, Friedrich: Die Allegorie der Minnegrotte in Gottfrieds Tristan. Berlin 1925

- Rougemont, Denis de: Die Liebe und das Abendland. Verlag H. Frietsch. 5. Aufl. 2007

- Schäfer, Gerhard: Untersuchungen zur deutschsprachigen Marienlyrik des 12. und 13. Jahrhunderts. 1971

- Schmidt, K.O.: In dir ist das Licht. Vom Ich-Bewusstsein zum Kosmischen Bewußtsein. Drei Eichen Verlag 1959.

- Schmitt-von Mühlenfels, Franz: Pyramus und Thisbe. Rezeptionstypen eines Ovidischen Stoffes in Literatur, Kunst und Musik. Winter, Heidelberg 1972.

- Schumann, Hans Wolfgang: Der historische Buddha. Leben und Lehre des Gotama. Hugendubel, Kreuzlingen 2004

- Sier, Kurt: Die Rede der Diotima. Untersuchungen zum platonischen Symposion. Teubner, Stuttgart 1997

- Storch, Wolfgang (Hrsg.): Mythos Orpheus. Texte von Vergil bis Ingeborg Bachmann. Reclam, Leipzig 1997.

- Weber, Gottfried/ Hoffmann, Werner: Gottfried von Strassburgs Tristan. Stuttgart 1962

- Werner, Edeltraud: Die Jenseitsreise Mohammeds. Liber Scale Machometi. Kitāb al-miʿrāj. Mit einer Einleitung versehen und aus dem Lateinischen übersetzt von Edeltraud Werner. Religionswissenschaftliche Texte und Studien. Band 14. Georg Olms Verlag Hildesheim 2007

- Zubke, Friedhelm: Motive moralischen Handelns in Lessings "Nathan der Weise". Universitätsverlag Göttingen 2008

Einzelnachweise Bearbeiten

  1. vgl. Klein 2005
  2. vgl. Hasselmann 2001. Hasselmann nimmt häufig Bezug auf die Archetypen-Theorie der C.G. Jung, vgl. Jung 1993
  3. Vgl. Hasselmann 2001. Zur Reinkarnation vgl. Obst 2009
  4. vgl.Bhagavad Gita. o.J.
  5. vgl. Schmidt 1959, S 33ff
  6. Assmann 2003
  7. vgl. Schumann 2004
  8. vgl. Storch 1997
  9. Platon, Symposion 189d–193d
  10. vgl. Leis/Sourek 2005
  11. Antike Quellen des Stoffes sind Vergils “Georgica” (3.258) und Ovids “Heroides” (18,19). In der Neuzeit liegen Bearbeitungen durch Marlowe, Händel, Schiller, Grillparzer, Lord Byron. Eine Persiflage wurde von Heinz Erhard geschaffen.
  12. Ovid 2004, vgl. Schmitt-von Mühlenfels 1972
  13. vgl. Frenzel 1992,, S. 376 ff
  14. vgl. Kreplin 2001
  15. vgl. Schäfer 1971
  16. vgl. Boff 1982
  17. Walther von der Vogelweide 1962, S 214
  18. ebda, S. 215
  19. Vgl Rougemont 2007
  20. vgl. Ranke 1925
  21. vgl. Weber/Hoffmann 1962
  22. vgl. Zubke 2008
  23. Diotima ist in Platons Dialog "Symposion" die von Sokrates befragte Weise, die selbst den Meister über die hohe Kunst des Liebens zu belehren weiß. vgl. Sier 1997