Benutzer:Voyager/Great Northern, Piccadilly and Brompton Railway

Strecke der Great Northern, Piccadilly and Brompton Railway

Die Great Northern, Piccadilly and Brompton Railway (GNP&BR, auch als Piccadilly Tube bekannt) war eine Vorgängergesellschaft der heutigen London Underground, der U-Bahn der britischen Hauptstadt London. Ihre überwiegend unterirdische Strecke durch das West End bildet heute den zentralen Abschnitt der Piccadilly Line. Die GNP&BR entstand aus dem Zusammenschluss zweier älterer Gesellschaften, der Brompton and Piccadilly Circus Railway (B&PCR) einerseits und der Great Northern and Strand Railway (GN&SR) andererseits. Das fusionierte Unternehmen wiederum war eine Tochtergesellschaft der Holding Underground Electric Railways Company of London (UERL).

Die B&PCR und die GN&SR waren 1896 bzw. 1898 gegründet worden, konnten aber in den folgenden Jahren aufgrund von Finanzierungsproblemen nicht mit den Bauarbeiten an den von ihnen geplanten Strecken beginnen. Die UERL übernahm 1902 beide Gesellschaften, ebenso ein Teilprojekt der ebenfalls von ihr kontrollierten Metropolitan District Railway. Sie konnte die finanziellen Mittel rasch auftreiben (hauptsächlich von ausländischen Investoren) und plante verschiedene Streckenführungen, von denen das Parlament die meisten ablehnte.

Nach ihrer Eröffnung im Jahr 1906 bediente die GNP&BR 22 Stationen und verkehrte auf einer Länge von 14,17 Kilometern zwischen Hammersmith im Westen und Finsbury Park im Norden. Eine 720 Meter kurze Zweigstrecke verband Holborn mit Strand. Die Strecke war überwiegend unterirdisch, mit Ausnahme eines 1,1 Kilometer langen Abschnitts am westlichen Ende.[1] Bereits im ersten Betriebsjahr mussten Geschäftsleitung und Investoren feststellen, dass die Fahrgastzahlen der GNP&BR und der anderen UERL-Linien zu optimistisch prognostiziert worden waren. Trotz verbesserter Integration und Kooperation mit den anderen U-Bahnen, hatte die GNP&BR mit finanziellen Schwierigkeiten zu kämpfen. 1933 ging die Gesellschaft mitsamt ihren Konkurrenten in öffentlich-rechtlichen Besitz über.

Projekte Bearbeiten

Brompton and Piccadilly Circus Railway (1896) Bearbeiten

 
Geplante Bahnen von B&PCR und MDR (1896)

Im November 1896 erschien in der London Gazette die Mitteilung, dass die neu gegründete Brompton and Piccadilly Circus Railway (B&PCR) dem britischen Parlament in dessen nächster Session eine private Initiative vorlegen werde (von Gesetzes wegen musste das Parlament sämtliche privat finanzierten Bahnprojekte genehmigen).[2] Geplant war eine vollständig unterirdisch Strecke zwischen der Air Street in der Nähe des Piccadilly Circus und dem südlichen Ende der Exhibition Road in South Kensington. Sie sollte unter Piccadilly, Knightsbridge, Brompton Road und Thurloe Square verlaufen. Stationen waren bei Dover Street und Down Street, beim Hyde Park Corner, bei Knightsbridge und in der Brompton Road vorgesehen. Geplant war außerdem eine kurze Zweigstrecke östlich der Endstation in South Kensington, die zum Depot am Yeoman Row führen sollte. Die Elektrizität für den Zugsbetrieb sollte ein Kraftwerk an der Lots Road liefern, etwa anderthalb Kilometer südlich der Endstation South Kensington am Nordufer der Themse gelegen.[3] Nachdem das Parlament seine Zustimmung gegeben hatte, erlangte die Gesetzesiniative am 6. August 1897 Rechtskraft als Brompton & Piccadilly Circus Railway Act 1897.[4]

Expresslinienprojekt der Metropolitan District Railway (1896) Bearbeiten

Ebenfalls im November 1896 reichte die Metropolitan District Railway eine Gesetzesinitiative für den Bau einer tief liegenden Röhrenbahn, die unter der bereits bestehenden Unterpflasterbahn zwischen Gloucester Road und Mansion House verlaufen sollte.[5] Die MDR betrieb eine Dampfbahn und plante die Entlastung ihrer stark belasteten Strecke durch den Bau einer Expresslinie mit lediglich einer Zwischenstation bei Charing Cross (heute Embankment). Westlich der Gloucester Road sollte die Expresslinie an die Oberfläche gelangen und bei Earl’s Court auf die bestehende MDR-Strecke treffen. Da die MDR-Röhrenbahn wie die B&PCR elektrisch betrieben würde, war der Bau eines Kraftwerks neben der Station Walham Green (heute Fulham Broadway) geplant.[3] Das Parlament genehmigte die Initiative und der Metropolitan District Railway Act 1897 trat am 6. August 1897 in Kraft.[4]

Great Northern and Strand Railway (1898) Bearbeiten

 
Übersicht der im Jahr 1898 geplanten Strecken

Im November 1898 kündigte die Great Northern and Strand Railway (GN&SR) die Initiative zum Bau einer Röhrenbahn von Wood Green zur Stanhope Street nördlich von Strand an.[6] Hinter der GN&SR stand die Eisenbahngesellschaft Great Northern Railway (GNR), deren Züge vom Bahnhof King’s Cross aus verkehrten. Die GNR betrachtete die neue Gesellschaft als Mittel, ihre Stammstrecke vom Vorortsverkehr zu entlasten. Die Strecke der GN&SR sollte vom Bahnhof Wood Green (heute Alexandra Palace) zunächst zum Bahnhof Finsbury Park führen, anschließend über Holloway nach King’s Cross und schließlich über Bloomsbury nach Holborn führen. Zwischenhalte waren an den bereits bestehenden GNR-Bahnhöfen Hornsey, Harringay und Finsbury Park vorgesehen, neue Stationen sollten bei York Road, King’s Cross, Russell Square und Holborn entstehen. Geplant war darüber hinaus ein Kraftwerk an der Gillespie Road. Als der London County Council den Bau der Durchgangsstraßen Kingsway und Aldwych plante, war die Einebnung der Stanhope Street vorgesehen, so dass die südliche Endstation zur Kreuzung der beiden neuen Straßen verlegt wurde.[7] Das Parlament nahm die Gesetzesinitiative an und sie trat am 1. August 1899 als Great Northern and Strand Railway Act 1899 in Kraft.[6]

Kapitalsuche (1896–1903) Bearbeiten

 
Charles Tyson Yerkes

Obwohl die drei Gesellschaften die Genehmigung zum Bau ihrer Strecken besaßen, mussten sie zuerst noch das dafür benötigte Kapital in einem umkämpften Finanzmarkt beschaffen. 1899 gab es fünf weitere private U-Bahn-Gesellschaften mit Baugenehmigung, die auf der Suche nach Investoren waren, die Baker Street and Waterloo Railway (BS&WR), die Charing Cross, Euston and Hampstead Railway (CCE&HR), die Great Northern and City Railway (GN&CR), die Central London Railway (CLR) und die (letztlich nie gebaute) City & Brixton Railway.[8] Die bereits im Betrieb befindliche City and South London Railway (C&SLR) hielt ebenfalls nach Kapital Ausschau, um ihre Strecke zu verlängern. Hinzu kamen mehrere U-Bahn-Projekte, die keine Baugenehmigung erhielten.

Ausländische Investoren retteten die MDR, die B&PCR und GN&SR vor dem Konkurs: Der amerikanische Finanzier Charles Tyson Yerkes, der in den 1880er ein 1890er Jahren in Chicago ein lukratives Straßenbahnnetz aufgebaut hatte, erkannte die Möglichkeit, in London ähnliche Investitionen tätigen zu können. Er und seine Geldgeber erwarben im März 1901 die Aktienmehrheit der MDR und übernahmen im September 1901 die B&PCR und die GN&SR. Die von ihm kontrollierten Unternehmen (dazu gehörten auch die CCE&HR und die BS&WR) fasste er in der Holdinggesellschaft Underground Electric Railways Company of London (UERL) zusammen. Die UERL beschaffte sich Kapital, um die geplanten U-Bahnen zu errichten und die MDR zu elektrifizieren. Das Unternehmen war mit 5 Millionen Pfund kapitalisiert und die Aktienmehrheit war in der Hand US-amerikanischer Investoren. Weitere Aktienausgaben folgten, so dass bis 1903 insgesamt 18 Millionen Pfund zusammenkamen (ca. 1,635 Milliarden Euro im Jahr 2011).[9] Wie zahlreiche von Yerkes’ Vorhaben in den USA war die Finanzierungsstruktur der UERL in hohem Maße komplex und beinhaltete die Verwendung neuartiger Finanzinstrumente, die auf zukünftigen Einnahmen basierten.[10]

Routenplanungen (1898–1905) Bearbeiten

B&PCR (1899) Bearbeiten

MDR und B&PCR (1900) Bearbeiten

B&PCR (1901) Bearbeiten

B&PCR, GN&SR und MDR (1902) Bearbeiten

GNP&BR und MDR (1903) Bearbeiten

GNP&BR (1905) Bearbeiten

Bauarbeiten und Eröffnung (1902–1906) Bearbeiten

Great Northern, Piccadilly
and Brompton Railway
Finsbury Park 1906
Great Northern & City Railway  
Arsenal 1906
Holloway Road 1906
Caledonian Road 1906
York Road 1906–1932
King’s Cross St. Pancras 1906
Russell Square 1906
Holborn 1906
Aldwych 1907–1994
Covent Garden 1907
Leicester Square 1906
Piccadilly Circus 1906
Green Park 1906
Down Street 1907–1932
Hyde Park Corner 1906
Knightsbridge 1906
Brompton Road 1906–1934
South Kensington 1907
Gloucester Road 1906
Earl’s Court 1906
District Line von Earl’s Court
Lillie Bridge Depot 1906–1932
West Kensington
Verbindung zum GNP&BR-Depot
Barons Court 1906
Hammersmith 1906
District Line nach Acton

Kooperation und Konsolidierung (1906–1913) Bearbeiten

Übergang in öffentlich-rechtlichen Besitz (1923–1933) Bearbeiten

Trotz engerer Kooperation und Verbesserungen an anderen Stellen des U-Bahn-Netzes hatten die privaten Gesellschaften weiterhin mit finanziellen Schwierigkeiten zu kämpfen. Da die UERL seit 1912 die hochprofitable London General Omnibus Company (LGCO) besaß, konnte sie mit den Gewinnen der Busgesellschaft, die beinhahe über ein Monopol verfügte, den Betrieb der weniger profitablen U-Bahnen quersubventionieren.[11] Aufgrund der Konkurrenz zahlreicher kleiner Busgesellschaften zu Beginn der 1920er Jahre sanken die Gewinne der LGOC, was sich auf die Wirtschaftlichkeit der gesamten UERL-Holding negativ auswirkte.[12]

Der Vorsitzende der UERL, Lord Ashfield, versuchte die Regierung davon zu überzeugen, den öffentlichen Nahverkehr in der Region London zu regulieren. Ab 1923 wurden mehrere entsprechende Gesetzesvorlagen ausgearbeitet. Hauptakteure in der Debatte um den Grad der Regulierung waren Lord Ashfield und Herbert Stanley Morrison, Labour-Abgeordneter des London County Council und späterer Außenminister. Ashfield strebte danach, die UERL vor Konkurrenz zu schützen und das Straßenbahnnetz des London County Council zu kontrollieren. Morrison hingegen wollte das gesamte Verkehrswesen staatlicher Kontrolle unterstellen.[13] Nach zahlreichen gescheiterten Anläufen wurde Ende 1930 eine Vorlage eingebracht, welche die Schaffung des London Passenger Transport Board (LPTB) vorsah. Dieses öffentlich-rechtliche Unternehmen sollte die Kontrolle über die UERL, die Metropolitan Railway sowie sämtliche Bus- und Straßenbahnlinien in einem Gebiet übernehmen, das als London Transport Passenger Area bezeichnet wurde (entspricht in etwa dem heutigen Greater London mit kleineren angrenzenden Gebieten).[14] Der LPTB war ein Kompromiss – öffentlich-rechtlicher Besitz, aber keine vollständige Verstaatlichung – und nahm seine Tätigkeit am 1. Juli 1933 auf. An diesem Tag erfolgte die Liquidation aller U-Bahn-Gesellschaften.[15]

Geschichte der Strecke nach 1933 siehe Piccadilly Line

Literatur Bearbeiten

  • Antony Badsey-Ellis: London's Lost Tube Schemes. Capital Transport, London 2005, ISBN 1-85414-293-3.
  • J. E. Connor: London's Disused Underground Stations. Capital Transport, London 1999, ISBN 1-85414-250-X.
  • Douglas Rose: The London Underground, A Diagrammatic History. Capital Transport, London 1999, ISBN 1-85414-219-4.
  • Christian Wolmar: The Subterranean Railway: How the London Underground Was Built and How It Changed the City Forever. Atlantic Books, London 2005, ISBN 1-84354-023-1.

Einzelnachweise Bearbeiten

  1. Streckenlänge berechnet gemäß Angaben auf Clive's Underground Line Guides, Piccadilly line, Layout
  2. The London Gazette, 20. November 1896, Ausgabe Nr. 26796, S. 6428-6430
  3. a b Badsey-Ellis: London's Lost Tube Schemes. S. 70–71.
  4. a b The London Gazette, 10. August 1897, Ausgabe Nr. 26881, S. 4481-4483
  5. The London Gazette, 22. November 1896, Ausgabe Nr. 26797, S. 6764-6767
  6. a b The London Gazette, 22. November 1898, Ausgabe Nr. 27025, S. 7040-7043 Referenzfehler: Ungültiges <ref>-Tag. Der Name „gazette27025“ wurde mehrere Male mit einem unterschiedlichen Inhalt definiert.
  7. Badsey-Ellis: London's Lost Tube Schemes. S. 77.
  8. Badsey-Ellis: London's Lost Tube Schemes. S. 47, 56, 59, 60 und 76.
  9. Gemäß Inflation des britischen Konsumentenpreisindexes, basierend auf Daten von MeasuringWorth
  10. Wolmar: The Subterranean Railway. S. 170-172.
  11. Wolmar: The Subterranean Railway. S. 204.
  12. Wolmar: The Subterranean Railway. S. 259.
  13. Wolmar: The Subterranean Railway. S. 259-262.
  14. The London Gazette, 9. Dezember 1930, Ausgabe Nr. 33668, S. 7905-7907
  15. Wolmar: The Subterranean Railway. S. 266.

Anmerkungen Bearbeiten