Damenwahl. Was nun? Bearbeiten

 
Clara Zetkin, zwar vorschriftsmäßig in der Taille geschnürt, aber standhaft und unerschütterlich
 
Moderne Frau, sich amüsierend: Diese Witzfiguren sind alle nicht wählbar.

Klar, das Thema interessiert nicht jeden. Manche wenden sich gelangweilt ab, doch nicht wenige meinen, dass 100 Jahre Frauenwahlrecht in Deutschland durchaus ein Grund für nicht nur eine hochkarätige Veranstaltung in der Wikipedia sei, ist es doch erwiesen, dass die weltgrößte Enzyklopädie immer noch vorwiegend aus männlicher Sichtweise geschrieben wird. Und aus exakt dieser Perspektive auch weiter wachsen wird, wenn es nicht Engagement und Veranstaltungen wie diese geben würde:

Wikipedia:Stuttgart/Hundert Jahre Frauenwahlrecht, die vom 30. November bis zum 2. Dezember 2018 stattfand. Finanziell unterstützt vom Verein Wikimedia Deutschland und hervorragend, wenn auch einen Hauch zu ambitioniert geplant von den Kolleg*innen Leserättin, Skrippek, Augustine14 und Rudolf Simon, denen hiermit ein großer Dank ausgesprochen wird. Über 40 Teilnehmerinnen und Teilnehmer trafen sich in der Stuttgarter Stadtbibliothek, einem neuen, sehr eindrucksvollen Bau mit künstlerisch-kubischem Architekturanspruch, um sich über die revolutionären Vorgänge der Zeit um 1918 in Hinblick auf das endlich erreichte Frauenwahlrecht, den damit verbundenen geschichtlichen Kontext und die Folgen bis heute zu informieren und auszutauschen.

Geboten wurde ein umfangreiches Programm, beginnend mit einem Vortrag zum Thema 100 Jahre Frauenwahlrecht: Ist politische Beteiligung (k)eine Frage des Geschlechts?, in dem die Präsidentin des baden-württembergischen Landtags, Muhterem Aras einen ersten Einblick in diese sogenannte „Frauenfrage“ gewährte. Es schloss sich eine Einführung für Neulinge und Unsichere in die nicht nur technischen Tücken der Wikipedia an.

Ein Fachvortrag über die aus männlicher Machtposition vorgegebenen historischen, aber auch modernen Kleidungsmoden der Frauen vor und nach 1918, ein bis heute brisantes Thema, und die damit verbundenen und vor allem gewollten Einschränkungen und -schnürungen weiblicher Körper, präsentierte die Kuratorin des Miedermuseums im Heubacher Schloss, Kerstin Hopfensitz. Sie bot unter der Überschrift 100 Jahre Frauenwahlrecht – Ende der Kostümierung! einen anschaulichen Einblick in die Qualen, die Frauenkörper jener Zeit erdulden mussten.

Gemeinsam besucht wurde am folgenden Tag eine wirkungsvolle, modern inszenierte und speziell für die Wikipedia geführte Ausstellung im Stuttgarter Haus der Geschichte zum Thema Anfang der Demokratie im Südwesten 1918–1924. Anschließend gab es erneut Zeit für die Neulinge, ihr frisch erworbenes Wissen zu erproben und Antworten auf ihre Fragen zu bekommen. Das war zwar ein dichtes Programm, doch blieb dazwischen immer noch Zeit für die bei solchen Treffen für die Teilnehmenden unverzichtbare Schreibwerkstatt, in der anhand bereitgestellter Fachliteratur, sowohl neue Artikel erstellt, als auch bestehende qualitativ erweitert werden.

Das Ergebnis, auch vorheriger Treffen zu dem Thema, kann sich blicken lassen, die ständig wachsende Seite Wikipedia:Stuttgart/Hundert Jahre Frauenwahlrecht/Ergebnisse und eine Commons-Kategorie für die noch hochzuladenden Fotos vermitteln einen Eindruck dieser Arbeit, die nicht nur von Stuttgarter Kolleginnen und Kollegen geleistet wird. Nach einem Spaziergang zu den Schauplätzen der Revolution in Stuttgart endete das Treffen am mitten im Ersten Weltkrieg 1917 fertiggestellten Hauptbahnhof, dessen immer noch vorhandener martialischer, heldisch-männlicher Habitus nach diesem Treffen noch irritierender wirkt.

Im Gedächtnis bleibt vor allem die Erinnerung an ein konstruktives, in sehr freundlicher Atmosphäre stattgefundenes Treffen, das durchaus auch nachhaltige Erkenntnisse brachte. Es bleibt aber auch die manchmal schmerzliche Gewissheit, dass das Thema noch lange nicht abgehakt ist, sondern noch viel Arbeit, besonders für die Wikipedia, bleibt und weitere solcher Treffen zu dem Thema unbedingt nötig sind und gefördert werden müssen, schließlich hat Wikipedia die ethische Pflicht, das Wissen der Welt im Licht der Gleichberechtigung zu dokumentieren. Sc, 2. Dezember 2018