Das Massaker von Lissabon war ein Massaker an portugiesischen Cristãos novos (zum Christentum zwangsbekehrten Juden), das ab dem 19. April 1506 während dreien Tagen in Lissabon stattfand und mehr als tausend Opfer forderte.[1]

Vorgeschichte Bearbeiten

 
Massaker an Neuchristen in Lissabon. Flugschrift 1506

Seit dem 12. Jahrhundert siedelten Juden in Lissabon. Die Gemeinde prosperierte und einige der Mitglieder nahmen prominente Stellungen am Hof ein, etwa als Steuereinzieher, Ärzte und Astronomen. Anders als ihre Glaubensgenossen in Spanien blieben sie auch im 14. und 15. Jahrhundert - von einigen Ausnahmen abgesehen[2] - weitgehend von Verfolgungen verschont. Als 1492 alle Juden aus Spanien vertrieben wurden, änderte sich die Zusammensetzung der jüdischen Gemeinde wesentlich. Gegen Bezahlung einer Sondersteuer wurde spanischen Juden erlaubt sich in Lissabon niederzulassen. Doch bereits 1496 wurde auch in Portugal ein Ausweisungsedikt erlassen. Doch anstatt die Juden ausreisen zu lassen, fand 1497 eine Zwangstaufe aller Juden statt. Die getauften Juden, von der Bevölkerung cristãos novos oder marranos bezeichnet, wurden immerhin vom König Dom Manuel I. unter einen besonderen Schutz gestellt.[3] Trotz des Schutzes, der den cristãos novos durch den König gewährt wurde, konnte nicht verhindert werden, dass es zu Ausschreitungen durch die Altchristen kam.

1506 waren die Voraussetzungen für antijüdisches/antineuchristliches Verhalten günstig. Die Pest war ausgebrochen, so dass der König und der Hof sich ausserhalb der Stadt aufhielt. Gleichzeitig litt die Bevölkerung und den erhöhten Steuern, die oft von Neuchristen eingezogen wurde. Zusätzlich kam dazu, dass in diesem Jahr die Ostern und das Pessach-Fest zeitlich zusammenfielen.

Verlauf Bearbeiten

Im Frühjahr 1506 wurde die latent antisemitische Stimmung, die sich von den Juden auf die conversos übertragen hatte, von Dominikanern dazu benützt, gegen die Neuchristen vorzugehen. Die Neuchristen wurde für den Ausbruch der Pest verantwortlich gemacht. Als Grund wurde das heimliche Judaisieren angeführt. Einige wurden unter dem Verdacht, währen des Osterfestes jüdische Praktiken angewendet zu haben, festgenommen. Als die Verhafteten am 19. April wieder freigelassen wurden, entstanden erste Unruhen. Diese Unruhen verstärkten sich als ein Neuchrist der Blasphemie angeklagt wurde. Er hatte ein angebliches Wunder, das Leuchten aus einem Kruzifix in der Kirche des Dominikaner-Klosters, als Schwindel enttarnt. Dies war der auslösende Funken des nun folgenden Massakers. Der angebliche Häretiker wurde aus der Kirche geschleift und ermordet. Ein Verwandter, der ihm zu Hilfe eilte, erlitt das gleiche Schicksal. Die beiden Leichname wurde auf dem Platz vor dem Kloster unter grossen öffentlicher Teilnahme verbrannt.

Nachwirkungen Bearbeiten

 
Denkmal zu Ehren der ermordeten Neu-Christen während des Massakers von 1506

Quellenlage Bearbeiten

Die Ereignisse von 1506 in Lissabon sind im 19. Jahrhundert von Historikern aufgegriffen worden. Im deutschen Sprachraum waren das Meyer Kayserling (Geschichte der Juden in Portugal, 1867) und Heinrich Graetz ( Geschichte der Juden, 1891. In der portugiesischen Geschichtsschreibung wurde Thema von J. Mendes dos Remédios (Os Judeus em Portugal, 1895) und von Alexandre Herculano (Da origem e estabelecimento da Inquisiçiã o em Portugal, 1854) aufgegriffen. Im 20. Jahrhundert erschien eine umfassende Studie zum Massaker amerikanischen Historiker Yosef Hayim Yerushalmi (The Lisbon massacre of 1506 and the Royal Image in the Shebet Yehudah, 1974).

Das Massaker von Lissabon hat bereits kurz nach dem Bekanntwerden grosses Echo in Europa erfahren. So sind zeitgenössische portugiesische, jüdische, spanischen und deutsche Quellen erhalten. Einige Verfasser dieser Quellen können als Augenzeugen betrachtet werden. So etwa der portugiesische Chronist Gaspar Correia (1492-1563) und der Neuchrist Isaac ibn Faradj. Der deutsche Verfasser der Flugschriften von 1506/1507 war ebenfalls persönlich anwesend. Bei ihm könnte es sich um ein Besatzungsmitglied eines hanseatischen Schiffes oder um einen deutschen Kaufmann aus Lissabon handeln. Auf portugiesischer Seite ist Garcia de Resende (1470-1536) als Zeitzeuge zu betrachten, obwohl er sich vermutlich zum Zeitpunkt der Ereignisse nicht in der Stadt aufhielt, gleich wie Salomo ibn Verga, der in seiner Chronik ausdrücklich erwähnt, dass er erst etwas später in Lissabon eintraf. Wieweit der damals sechs Jahre alte Samuel Usque (1500-1555), die Ereignisse selber erlebte, ist nicht bekannt.

Quellen (Auswahl) Bearbeiten

portugiesische Quellen
jüdische Quellen
deutsche Quellen
spanische Quellen
  • Andrés Bernáldez: Memorias del reinado de los Reyes Católicos M. Gómez-Moreno and Juan de M. Carriazo (Hgg.). Madrid 1962, S. 503-509.
  • Alonso de Santa Cruz: Crónica de los Reyes Católicos, J. de Mata Carriazo (Hg.). Sevilla 1951, Bd. 2, S. 85-88.

Literatur Bearbeiten

  • François Soyer: The Massacre of the New Christians of Lisbon in 1506: A New Eyewitness Account. In: Cadernos de Estudos Sefarditas, (7) 2007, S. 221-243.
  • Susana Bastos Mateus, Paulo Mendes Pinto: Lisboa 19 de Abril de 1506. O massacre dos Judeus. Lissabon 2007.
  • Carsten L. Wilke: Histoire des juifs portugais. Paris 2007.
  • Yosef Hayim Yerushalmi: Le massacre de Lisbonne en 1506 et l'image du roi dans le Shebet Yehudah. In: Ders.:Sefardica. Essais sur l’histoire des Juifs, des marranes & des nouveaux-chrétien d’origine hispano-portugaise. Paris 1998, S. 35-173.
    • (englische Originalausgabe: The Lisbon massacre of 1506 and the Royal Image in the Shebet Yehudah. Cincinnati 1976.)
  • Yosef Hayim Yerushalmi: Diener von Königen und nicht Diener von Dienern: einige Aspekte der politischen Geschichte der Juden. München 1995.
Älter

Siehe auch Bearbeiten

Weblinks Bearbeiten

Einzelnachweise Bearbeiten

  1. Vgl Yerushalmi (1998), S. 55, Anm. 2. Die Anzahl der Opfer variiert je nach Quelle; sie wird mit 1200 bis 4000 angegeben.
  2. Mehrmals fanden Ausschreitungen mit Todesopfer statt: Vor allem 1373/1375, 1449 und 1482 als die Bibliothek von Isaak Abrabanel zerstört wurde.
  3. Vgl. Miriam Bodian: Dying in the law of Moses. Crypto-Jewish martyrdom in the Iberian world. Bloomigton 2007., S. 21.


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