Werkstatt zum Aufräumen und Straffen

Thailand ist seit mehreren Jahren tief zwischen zwei Lagern gespalten. Es sind dies die Anhänger des früheren Premierministers Thaksin Shinawatra einerseits und die konservative Elite in Bangkok andererseits. Thaksin wurde im September 2006 nach monatelangen Demonstrationen der People's Alliance for Democracy (Gelbhemden) durch einen Staatsstreich abgesetzt.

Im Sommer 2007 wurde eine vom Militär vorgeschlagene neue Verfassung in einem landesweiten Referendum angenommen. Neuwahlen fanden am 23. Dezember 2007 statt, nachdem die vom Militär eingesetzte Regierung 15 Monate amtiert hatte. Aus den Wahlen ging die dem Thaksin-Lager zuzurechnende People's Power Party als Sieger hervor. Thaksin kehrte aus dem Ausland nach Bangkok zurück, wurde dort jedoch sofort verhaftet und gegen Kaution auf freien Fuß gesetzt. Neuer Premierminister wurde am 29. Januar 2008 Samak Sundaravej. Die neue Regierung versuchte ihre Macht zu konsolidieren, indem sie Verfassungsänderungen anstrebte. Dies und Korruptionsvorwürfe gegen die Regierung führten erneut zu gewalttätigen Protesten, die in der Besetzung des Regierungsitzes ab August 2008 und der Flughäfen in Bangkok Anfang Dezember 2008 gipfelten.[48][49][50][51][52][53] Samak verlor sein Amt im September 2008 durch Gerichtsbeschluss. Sein Nachfolger als Premierminister, Somchai Wongsawat war ein Verwandter Thaksins. Er musste zurücktreten, als die PPP im Dezember 2008 verboten wurde.


"Gelbe" Protestbewegung 2008
"Rote" Protestbewegung 2008

Thaksins Sturz – Verfassungsreform – Rückkehr zur Demokratie (2006 bis 2007) Bearbeiten

Am 19. September 2006 kam es zu einem ruhig verlaufenen Putsch; Polizei und Militärkräfte besetzten Bangkok und erklärten die Amtszeit Thaksin Shinawatras, der sich zu diesem Zeitpunkt bei der UN-Generalversammlung in New York aufhielt, für beendet. Panzer rückten in das Stadtzentrum ein und umstellten Regierungsgebäude. Militärangehörige besetzten mehrere Fernsehsender. General Sonthi Boonyaratglin, Kommandant der Landstreitkräfte, verkündete die Ablösung des Ministerpräsidenten. Die Putschisten erklärten das Parlament, die Regierung und das Verfassungsgericht für aufgelöst; die Verfassung von 1997 für außer Kraft gesetzt. Ziel sei eine vorübergehende Machtübernahme, wobei der König weiterhin als Staatsoberhaupt anerkannt werde, während ein Rat für demokratische Reformen unter der konstitutionellen Monarchie die nächsten Schritte planen solle.

Thaksin Shinawatra rief daraufhin den Notstand aus, was an seiner Entmachtung jedoch nichts änderte. Die Pressefreiheit wurde eingeschränkt. Der König forderte die Bevölkerung auf, Ruhe zu bewahren und den Anordnungen der neuen Machthaber zu folgen, die selbst erklärten, die Macht innerhalb von zwei Wochen an eine neu einzusetzende Regierung abgeben, und innerhalb eines Jahres Neuwahlen abhalten zu wollen. König Bhumibol sicherte den Putschisten am 20. September seine Unterstützung zu. Am 1. Oktober 2006 wurde der neue, vom Rat für demokratische Reformen vorgeschlagene Premierminister Surayud Chulanont durch den König bestätigt, am 9. Oktober 2006 sein Kabinett.

Seitdem regierte der „Rat für demokratische Reformen“, an dessen Spitze der neue Regierungschef General Sonthi Boonyaratglin steht, mit Hilfe von Erlassen. Eine neue Verfassung, die die Rückkehr zur Demokratie ermöglichen soll, wurde durch einen von der Militärführung bestimmten Verfassungsrat ausgearbeitet. Sie gewährt dem Militär mehr Einfluss und fördert kleinere Parteien, um so eine Machtkonzentration auf eine Person und eine Partei wie unter Thaksin zu verhindern.

Am 19. August 2007 stimmten die Thailänder bei einer Volksabstimmung dem Verfassungsentwurf zu. Dass bei einer Beteiligung von unter 60 % die neue Verfassung nur mit 57 % zu 40 % angenommen wurde, zeigt, wie gespalten das Land ist. Nach anfänglicher Hoffnung auf schnelle Reformen und einer Lösung der Muslim-Krise im Süden des Landes manifestierte sich im Laufe von 2007 schon wieder Unzufriedenheit gegenüber der Übergangsregierung: den einen war sie zu moderat, die anderen sträubten sich prinzipiell gegen eine vom Militär beeinflusste Regierung. Die heterogene Koalition der Verfassungsgegner besteht vor allem aus ehemaligen Thaksin-Anhängern sowie aus überzeugten Demokraten, die eine Beteiligung der Militärs an der Regierung grundsätzlich ablehnen, da Thailand hiermit zu einer „gelenkten Demokratie“ zurückkehre.

Am 23. Dezember 2007 fanden freie Wahlen statt, aus denen die Phak Palang Prachachon (PPP), eine Nachfolgepartei von Thaksins Thai Rak Thai, unter Samak Sundaravej als Siegerin hervorgegangen ist. Die Demokratische Partei mit ihrem Spitzenkandidaten Abhisit Vejjajiva wurde zweitstärkste Kraft.

Politische Krise seit 2008 Bearbeiten

 
Protestierende Anhänger der PAD im August 2008
 
Proteste vor dem thailändischen Parlamentsgebäude

Ab Mai 2008 begannen verstärkte Proteste von Regierungskritikern um die oppositionelle Demokratische Partei, die Premierminister Samak Sundaravej Korruption vorwerfen und seinen Rücktritt fordern. Ende August 2008 besetzten mehrere tausend Protestierende über mehrere Tage seinen Amtssitz sowie vorübergehend die Flughäfen von Phuket, Krabi und Hat Yai und Mitglieder der Gewerkschaft und der Versorgungswerke bestreikten die Bahnverbindungen Bangkoks. Nachdem es zu gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen Anhängern und Gegnern der Regierung kam und ein erstes Todesopfer zu beklagen war, verhängte die Regierung am 1. September 2008 den Ausnahmezustand über Bangkok. Die staatliche Wahlkommission hatte unterdessen der Phak Palang Prachachon (PPP) Betrug bei der Wahl am 23. Dezember 2007 vorgeworfen und einen Verbotsantrag gegen sie gestellt.

Am 9. September 2008 entschied das Verfassungsgericht, dass Samak aufgrund einer Angestelltentätigkeit als Fernsehkoch, die nach Verfassung nicht mit dem Amt des Premier vereinbar sei, seines Amtes zu entheben sei.[1] Am 17. September 2008 wurde sein Stellvertreter Somchai Wongsawat, ein Schwager Thaksins, zum neuen Premierminister gewählt.[2]

Nach der Wahl des neuen Premierministers wurden die Proteste der Regierungsgegner unverändert fortgesetzt. Anfang Oktober 2008 wurde mit Chamlong Srimuang ein hoher Vertreter der Volksallianz für Demokratie (PAD), die sich für die Einschränkung von Wahl- und Bürgerrechten von Bauern etc. einsetzt und von der Mehrheit der thailändischen Bevölkerung nicht getragen wird, festgenommen.[3] Am 7. Oktober 2008 kam es zu weiteren Ausschreitungen in Bangkok. Nachdem Protestierende das Parlamentsgebäude besetzt hatten, versuchte die Polizei gewaltsam, die Demonstrationen aufzulösen. Dabei kamen zwei Menschen ums Leben, mehr als 400 Personen wurden verletzt.[4] Der stellvertretende Premierminister Chavalit Yongchaiyudh übernahm die Verantwortung für den Polizeieinsatz und erklärte seinen Rücktritt. Seine Forderung an das Militär, in der Regierungskrise mit einem Putsch einzugreifen, wurde vom Armeechef Anupong Paochinda zurückgewiesen.[5]

Am 20. November 2008 wurde bei einem Anschlag mit einer Handgranate vor dem belagerten Parlamentsgebäude ein oppositioneller Demonstrant getötet.[6] Die PAD verstärkte daraufhin ihre Aktionen; mehr als 50.000 Menschen versammelten sich in Bangkok zu Kundgebungen. Am 25. November 2008 wurde der internationale Flughafen Bangkok-Suvarnabhumi von Demonstranten besetzt, zwei Tage später auch der Inlandsflughafen Bangkok-Don Mueang. Der gesamte Flugbetrieb musste daraufhin eingestellt werden, da die bis zu diesem Zeitpunkt durch Wahlen legitimierte Regierung keine Unterstützung des Militärs hatte.[7] Obwohl die thailändische Polizei die Besetzer zur umgehenden Räumung aufrief und strafrechtliche Verfolgung androhte, bleiben die Flughäfen somit besetzt und 250.000 bis 300.000 Reisende konnten das Land nicht verlassen.[8] Bei einem Bombenanschlag am 2. Dezember 2008 auf den Regionalflughafen Don Mueang wurden über 20 Personen verletzt, eine davon tödlich.[9]

Am gleichen Tag verfügte das Verfassungsgericht die Auflösung der Regierungspartei PPP und zwei ihrer Koalitionspartner wegen Wahlbetrugs. Premierminister Somchai und weiteren führenden Mitgliedern der PPP wurde die politische Tätigkeit für fünf Jahre untersagt. Somchai erklärte daraufhin seinen Rücktritt, kündigte aber die Neugründung der PPP unter einem neuen Namen an mit dem Ziel, dass die Bewegung weiterhin die Regierung stellen kann.[10] Als Übergangspremier wird Chaovarat Chanweerakul eingesetzt.

Am 15. Dezember 2008 wurde der Oppositionspolitiker Abhisit Vejjajiva zum Premierminister gewählt. Abhisit hatte sich zur Besetzung der Flughäfen, die einen dramatischen Einbruch der thailändischen Wirtschaft, insbesondere im Tourismus, zur Folge hatte, nicht geäußert. Sein neues Kabinett umfasst auch Politiker wie den neuen Außenminister Kasit Piromya[11] , der die Flughafenblockade ausdrücklich gut geheißen und die Aktionen der PAD unterstützt[12] hatte.

Anfang April 2009 musste der ASEAN-Gipfel im thailändischen Pattaya abgebrochen werden, nachdem hunderte regierungskritische Demonstranten den Tagungsort gestürmt hatten. Regierungschef Abhisit Vejjajiva rief daraufhin den Notstand aus.[13] Die politischen Unruhen griffen die nächsten Tage auch auf die Hauptstadt Bangkok über, wo bei Straßenkämpfen mit der Polizei und Soldaten zwei Menschen getötet wurden.[14] Die sogenannten „Rothemden“ stammen vorwiegend aus den armen ländlichen Regionen und sind zumeist Anhänger des ehemaligen Regierungschefs Thaksin Shinawatra. Sie fordern den Rücktritt von Abhisit, der ihrer Meinung nach nicht legitim an die Macht gekommen ist. Im März 2010 begannen die Proteste erneut aufzuflammen. Nachdem Demonstranten am 7. April 2010 in das Parlamentsgelände eingedrungen waren, verhängte Abhisit erneut den Notstand über die Hauptstadt Bangkok.[15] Drei Tage später begannen Sicherheitskräfte massiv gegen die Demonstranten vorzugehen, was zu Toten und Verletzten führte. [16]

  1. Neue Zürcher Zeitung: Regierungschef als illegaler Fernsehkoch vom 9. September 2008 (aufgerufen am 13. September 2008).
  2. Kurier: Thailand: Somchai neuer Premier vom 17. September 2008.
  3. Basler Zeitung: Regierungskritiker in Thailand festgenommen vom 5. Oktober 2008.
  4. Der Tagesspiegel: Thailand: Regierung beschwichtigt: Lage unter Kontrolle vom 8. Oktober 2008.
  5. Die Welt: Thailands Ex-Vize fordert Militärputsch vom 10. Oktober 2008.
  6. Wiener Zeitung: Thailand: Explosion verschärft die Krise vom 20. November 2008.
  7. Spiegel Online: Demonstranten besetzen zweiten Flughafen in Bangkok vom 27. Oktober 2008.
  8. vgl. Bünz, Tilmann: Die Stille vor der Stürmung bei tagesschau.de, 30. November 2008
  9. The Nation: One died and about over 20 injured by a bomb explosion at Don Mueang vom 2. Dezember 2008.
  10. Die Welt: Thailands Regierung geht – um wiederzukommen vom 2. Dezember 2008.
  11. Bangkok Post: Kasit under fire as foreign minister Democrats unhappy about his PAD links vom 19. Dezember 2008 und „Great Food and music – piy about the closures"
  12. asia one news: A foreign minister can't just shoot his mouth off vom 25. Dezember 2008
  13. vgl. Ausnahmezustand in Pattaya bei tagesschau.de, 11. April 2009
  14. vgl. Zwei Tote bei Protesten in Bangkok bei tagesschau.de, 13. April 2009 (aufgerufen am 14. April 2009)
  15. Thailand: Notstand in Bangkok ausgerufen Die Presse.com, 7. April 2010
  16. Fünf Tote bei Zusammenstößen in Bangkok Zeit Online, 10. April 2010