Mit dem Begriff Schattenfamilie werden seit der Corona-Pandemie ab 2020 Familien im deutschsprachigen Raum mit mindestens einem bezüglich einer SARS-Cov-2-Infektion vulnerablen Familienmitglied bezeichnet, die sich aufgrund der erhöhten Infektionsgefahren für die erkrankten Familienmitglieder zeitweise so weit wie möglich aus dem sozialen Leben zurückgezogen haben[1][2][3][4][5][6][7][8]. Mit der Maßnahme des sozialen Rückzugs versuchen Schattenfamilien, durch Kontaktreduktion eine Infektionsgefahr im Rahmen der Corona-Pandemie weitestgehend zu minimieren. Eine weitere Bedeutung des Begriffes sind u.a. laut Wiktionary auch „geheim gehaltene“ Familien wie Zweitfamilien, uneheliche Kinder oder in Konzentrationslagern Verstorbene.[9][10]

Begriffsherkunft Bearbeiten

Während der Begriff Schattenkind in der Psychologie einerseits für Geschwisterkinder von erkrankten Kindern, die häufig weniger Aufmerksamkeit erhalten als die erkrankten Geschwister selbst, oder schwer belastete und vernachlässigte Kinder aus Kriegsgebieten verwendet wird[11], bezeichnet der Begriff Schattenfamilie die Gesamtheit der Angehörigen von Vulnerablen in einer zusammenlebenden Kernfamilie[12]. Auf der sozialen Plattform Twitter wird der Begriff mit dem entsprechenden Hashtag (#Schattenfamilien) vor allem von den Angehörigen von Schattenfamilien sowie diversen Initiativen wie z.B. die Initiative #BildungAberSicher[13] usw. seit Beginn der Pandemie v.a. zur Aufklärung über die spezielle Situation der Schattenfamilien in der Pandemie genutzt.

Herausforderungen für Schattenfamilien Bearbeiten

In manchen Bundesländern war es in bestimmten Zeiträumen während der Corona-Pandemie möglich, dass hinsichtlich SARS-CoV-2 vulnerable Kinder oder Kinder, die im gleichen Haushalt mit Vulnerablen lebten, von der Präsenzpflicht am Unterricht befreit werden konnten, vgl. z.B. Schreiben des Kultusministeriums in Baden-Württemberg aus dem Jahr 2020[14]. Von dieser Möglichkeit machten etliche der Schattenfamilien Gebrauch, um die erkrankten Familienmitglieder vor Infektionen zu schützen.

Während in vielen Bundesländern zeitweise die Möglichkeit einer schulischen Präsenzpflichtbefreiung gegeben war, wurden zeitgleich zunächst kein oder kaum Angebote für staatlich organisiertes Fernlernen eingerichtet. Ähnlich wie auch für alle anderen Familien während des ersten schulischen Lockdowns war daher mindestens die erste Zeit zu Hause durch Faktoren wie soziale Isolation und fehlende schulische Anregungen für die Kinder belastet, sofern die jeweilige Schule nicht aus eigener Verantwortung sofort mit Pandemiebeginn auf für Distanzlernen geeignete Unterrichtsformate, wie z.B. digitale oder hybride Methoden, setzte. Anders als bei anderen Familien wurde diese Situation jedoch nach der Zeit der schulischen Lockdowns mit dem Distanzlernen nicht aufgelöst, sondern vielmehr verstetigt. Es entstand daher bei manchen betroffenen Familien ein Gefühl des Vergessenwerdens von der Gesellschaft. Eltern mussten teilweise mit enormem persönlichen Einsatz das gesamte schulische Lernen des eigenen Kindes anleiten und organisieren. Manche Familien entschieden daher, auf ein Gehalt zu verzichten, damit eines der beiden Elternteile mit dem bzw. den Kind/ern zu Hause das Distanzlernen organisieren konnte. Dies spielte insbesondere für viele Schattenfamilien eine große Rolle, solange es noch keine Covid-Impfungen[15], insbesondere für vorerkrankte Kinder gab.[16][17]

Im Rahmen der Auseinandersetzung mit der Situation der Schattenfamilien kam es u.a. zu einem Antrag der Fraktion Bündnis 90 / DIE GRÜNEN im Landtag von Nordrhein-Westfalen, der darauf abzielte, Chancen der Digitalisierung für die Inklusion an Schulen zu nutzen[18]. Eine der Hauptforderungen bestand im Aufbau einer staatlichen Online-Schule für zeitweilig erkrankte oder anderweitig gehandicapte Kinder. In ähnlicher Weise griffen auch die Bundestagsvizepräsidentin, Katrin Göring-Eckardt, und die bildungspolitische Sprecherin der GRÜNEN im Bundestag, Nina Stahr, die Forderung nach einer staatlichen Online-Schule für die faire Bildungsteilhabe von Kindern aus Schattenfamilien auf.[19]

Eine neue Herausforderung für die Schattenfamilien begann mit dem Entfall des Rechtsrahmens für die Corona-Schutzmaßnahmen nach Infektionsschutzgesetz §28b[20] ab dem 07. April 2023: In den meisten Bundesländern entfiel die Möglichkeit der Präsenzbefreiung vom Unterricht und die Kinder aus Risikohaushalten müssen seitdem wieder am Präsenzbetrieb der Schulen teilnehmen. Betroffene machen daher auf ihre Situation sowie auf potentielle physische wie psychische Folgen daraus aufmerksam.[21]

Einzelnachweise Bearbeiten

  1. pahiti78: Was sind Schattenfamilien: Bedeutung, Ursachen und Folgen. 19. Februar 2022, abgerufen am 15. April 2023 (deutsch).
  2. WDR: Selbstisolation aus Angst vor Corona: Das Leid der "Schattenfamilien". 17. Januar 2022, abgerufen am 15. April 2023.
  3. NDR: "Schattenfamilien": Rückzug ins Private wegen Corona. Abgerufen am 15. April 2023.
  4. Vera Dünnwald: Leben in einer "Schattenfamilie": Vater findet Ende der Corona-Regeln "fürchterlich". Abgerufen am 15. April 2023.
  5. Schattenfamilie. In: Jan Fleischhauer. Abgerufen am 15. April 2023 (deutsch).
  6. Nicole Opitz: Familien mit vorerkrankten Kindern: Im Schatten der Gesellschaft. In: Die Tageszeitung: taz. 7. April 2022, ISSN 0931-9085 (taz.de [abgerufen am 15. April 2023]).
  7. elisabeth.gerstendorfer: Schattenfamilien: Eltern von Risikokindern fühlen sich vergessen. 15. Februar 2022, abgerufen am 15. April 2023.
  8. Pierre von BedeutungOnline: Was sind Schattenfamilien? Bedeutung, Definition, Erklärung. 22. Februar 2022, abgerufen am 15. April 2023 (deutsch).
  9. Schattenfamilie. In: Wiktionary. 5. Januar 2023 (wiktionary.org [abgerufen am 15. April 2023]).
  10. Björn Schlüter: »Meine Schattenfamilie hat mich immer begleitet«. 12. Mai 2015, abgerufen am 15. April 2023.
  11. Schattenkind. Encyclopaedia.Fandom.com, abgerufen am 12. April 2023.
  12. Isabell Ruland: Stellungnahme der #Schattenfamilien zur Anhörung des Ausschusses für Schule und Bildung des Landetags in NRW. Initiativen #BildungAberSicher, #ProtectTheKids, #TeamKinderschutz u.a., 14. November 2021, abgerufen am 12. April 2023.
  13. Bildung Aber Sicher – #BildungAberSicher – https://twitter.com/BildungSicher. Abgerufen am 17. April 2023 (deutsch).
  14. Kultusministerium Baden-Württemberg: Schreiben des Kultusministeriums BW. 6. Mai 2020, abgerufen am 15. April 2023.
  15. RKI - Impfungen A - Z - COVID-19 und Impfen. Abgerufen am 17. April 2023.
  16. Julia Jannaschk: Wir haben keine Energie mehr übrig – wir versuchen, irgendwie zu überleben": Eltern von Kindern mit Behinderung und chronischer Erkrankung fühlen sich von der Politik vergessen. 7. November 2021, abgerufen am 15. April 2023.
  17. Stephanie Gasteiger: #Schattenfamilie: Familien mit chronisch kranken Kindern in der Pandemie. In: WWK collectiv. 13. Januar 2022, abgerufen am 15. April 2023 (deutsch).
  18. Antrag: Aus der Pandemie lernen: Chancen der Digitalisierung für die Inklusion nutzen. Bündnis 90 / DIE GRÜNEN im Landtag Nordrhein-Westfalen, 31. August 2021, abgerufen am 15. April 2023.
  19. Lewin Gillich: Gastbeitrag in der WELT: Schulen aufhalten für alle, um jeden Preis? Das ist zu pauschal. 19. Juli 2022, abgerufen am 15. April 2023 (deutsch).
  20. Corona-Schutzmaßnahmen sind ausgelaufen | Bundesregierung. Abgerufen am 17. April 2023.
  21. admin: Offener Brief der Schattenfamilien an die Landesregierung in Hessen (2023-03-15) – Bildung Aber Sicher. Abgerufen am 15. April 2023 (deutsch).