Ursachen

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Die Ursachen, die zu einer Depression führen, sind noch nicht vollständig aufgeklärt. Es ist wohl, wie bei vielen Erkrankungen, von einer Multikausalität auszugehen, das heißt, dass sowohl biologische (genetische) Faktoren, wie entwicklungsgeschichtliche Erlebnisse, wie auch schließlich aktuelle Ereignisse eine Rolle spielen können. Im Einzelfall kann dabei die Ursache mehr bei einem der genannten Pole liegen. Arbeitsplatzverlust, gescheiterte Beziehung sowie Vereinsamung lösen nicht selten eine Depression aus.

Psychische Ursachen

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Neben der Möglichkeit einer genetischen Disposition stellt beispielsweise das Erleben von Entwertung, Erniedrigung und Verlust in engen Beziehungen ein hohes Risiko für das Entstehen einer Depression dar. Auch Stresssituationen (siehe unten) scheinen als Ursache eine Rolle zu spielen.

Als psychische Ursachen für die Depression werden, besonders von psychoanalytisch orientierten Psychologen wie Heinz Kohut und Donald W. Winnicott, auch dysfunktionale Familien beschrieben. Hier sind die Eltern mit der Erziehungsarbeit überfordert, und von den Kindern wird erwartet, dass sie problemlos „funktionieren“, um das fragile familiäre System nicht aus dem Gleichgewicht zu bringen. Besonders Kinder, die auf solch eine Überforderung mit der bedingungslosen Anpassung an die familiären Bedürfnisse reagieren, sind später depressionsgefährdet. Als handlungsleitendes Motiv kann nun das ständige Erfüllen von Erwartungen entstehen. Die so entstandenen Muster können lange auf einer latenten Ebene bleiben, und beispielsweise durch narzisstische Größenphantasien oder ein Helfersyndrom kompensiert werden. Erst wenn die depressive Überforderung ein nicht mehr erträgliches Maß erreicht, wird aus der latenten eine manifeste Depression. Diese psychischen Ursachen hinterlassen in der Regel physisch nachweisbare Reaktionen im Gehirn.

Depression als Folge von Hilflosigkeitserfahrungen

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Ein ganz anderes psychologisches Erklärungsmodell stellt das Konzept der „Erlernten Hilflosigkeit“ dar, welches bestimmte Lernvorgänge im Leben eines Menschen als ursächlich für destruktive Denk- und Verhaltensmuster ansieht, die eine Depression zur Folge haben können.

Nach Seligmans Depressionsmodell werden Depressionen durch Gefühle der Hilflosigkeit bedingt, die auf unkontrollierbare, aversive Ereignisse folgen. Entscheidend für die erlebte Kontrollierbarkeit von Ereignissen sind die Ursachen, auf die die Person ein Ereignis zurückführt. Nach Seligman führen Attributionen aversiver Ereignisse auf internale, globale und stabile Faktoren zu Gefühlen der Hilflosigkeit, die wiederum zu Depressionen führen. Mittels Seligmans Modell lässt sich die hohe Komorbidität zu Angststörungen erklären: Allen Angststörungen ist gemein, das die Personen ihre Angst nicht oder sehr schlecht kontrollieren können, was zu Hilflosigkeits- und im Verlauf der Störung auch zu Hoffnungslosigkeitserfahrungen führt. Diese wiederum sind, laut Seligman, ursächlich für die Entstehung von Depressionen.

Kognitionen als Ursache

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Im Zentrum von Becks Depressionsmodell stehen kognitive Verzerrungen der Realität durch den Depressiven. Ursächlich dafür sind, laut Beck, negative kognitive Schemata oder Überzeugungen, die durch negative Lebenserfahrungen ausgelöst werden. Kognitive Schemata sind Muster, die sowohl Informationen beinhalten als auch zur Verarbeitung von Informationen benutzt werden und somit einen Einfluss auf Aufmerksamkeit, Enkodierung und Bewertung von Informationen haben. Durch Benutzung dysfunkionaler Schemata kommt es zu kognitiven Verzerrungen der Realität, die im Falle der depressiven Person zu pessimistischen Sichtweisen von sich selbst, der Welt und der Zukunft führen (negative Triade). Als typische kognitive Verzerrungen werden u.a. willkürliche Schlüsse, selektive Abstraktion, Übergeneralisierungen und Über- oder Untertreibungen angesehen. Die kognitiven Verzerrungen verstärken rückwirkend das Schema, was zu einer Verfestigung der Schemata führt. Jedoch ist unklar ob kognitive Fehlinterpretationen, bedingt durch die Schemata, die Ursache der Depression darstellen oder ob durch die Depression kognitive Fehlinterpretationen erst entstehen.

Stress als Ursache

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Als natürlicher Schutzmechanismus wird im Gehirn in Gefahrensituationen die Produktion von Serotonin gehemmt. Dieser Vorgang ist nachweisbar, während der hochkomplexe individuelle Sozialisationsprozess und das charakterlich-affektive Verhalten im Erleben des Menschen nicht so einfach nachzuweisen ist. Die verminderte Serotoninproduktion ist eine mögliche Reaktion des Gehirns auf interpersonelle (zwischenmenschliche) oder intrapersonelle (selbstreflektierte) Stressinteraktionen des Menschen. Sie spielt eine Schlüsselrolle bei weitsichtigem Denken, was aber in Gefahrensituationen nicht sinnvoll ist. Normalisiert sich die Situation wieder, so normalisiert sich beim gesunden Menschen auch die Serotoninproduktion wieder – der Betreffende denkt wieder klar.

Besonders wenn mehrere Stresssituationen über einen Zeitraum von einigen Jahren anhalten, kann es vorkommen, dass sich die Serotoninproduktion nicht mehr normalisiert, wenn schließlich doch wieder eine ruhigere Phase im Leben eintritt. Depressionen werden im Alter von etwa 30 Jahren verstärkt beobachtet, zu einem Zeitpunkt also, da bei manchen Menschen nach einer stressreichen Jugendzeit das Leben in ruhigeren Bahnen verläuft. Das Serotoninniveau bleibt niedrig, und nun wird nicht mehr Stress im Leben bewältigt, sondern ein normaler, nicht übermäßig aufregender Alltag gedämpft. An dieser Stelle setzt die Depression ein. Das weitsichtige Denken ist gestört, was aber notwendig ist, um sich auf künftige Ereignisse freuen zu können. Viele psychologische Selbstschutzmechanismen (etwa der Gedankengang, dass an einem Problem auch andere schuld sein könnten, und nicht man selbst) sind bei Depressionserkrankten offenbar „ausgehebelt“ oder konnten sich gar nicht erst ausbilden.

Eine anfängliche Krise kann einen Kranken in einen Teufelskreis reißen, den er allein nur sehr schwer wieder durchbrechen kann: Im Verlauf der Erkrankung zeigt sich, dass – gerade bei lange andauernden Depressionen – die Krankheit so stark in das Leben der Betroffenen eingreift, dass zwischenmenschliche Beziehungen und auch zum Beispiel schulischer und beruflicher Erfolg darunter zu leiden haben. Das durch die Krankheit bedingte Ausbleiben von Erfolgserlebnissen beziehungsweise das häufigere Erleben von Rückschlägen im eigenen Fortkommen führt dann wieder in das die Depression bestimmende Denkmuster von Hilfs- und Hoffnungslosigkeit.

Im Blut und Urin von Depressiven lassen sich in der Regel überhöhte Mengen des Stresshormons Kortisol nachweisen.

Physische Ursachen

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Insbesondere in älteren Diagnoseansätzen der Schulmedizin wird diesen neuronalen Veränderungen an sich die auslösende Ursache für die Krankheit zugeschrieben. Andere Diagnoseansätze fokussieren mehr auf die Auslöser der biochemischen Veränderungen in der Umwelt und den Lebensgewohnheiten des Patienten.

Ein weiterer exogener beziehungsweise biogener Auslöser ist die Lichtaufnahme. Bei der so genannten saisonalen, auch: Winter- oder Herbstdepression (siehe oben) treten durch den Mangel an Sonnenlicht regelmäßig über die Wintermonate depressive Symptome auf, die im Frühjahr wieder abklingen.

Auch die Antibabypille kann schwere Depressionen auslösen, da einige Frauen sehr empfindlich auf die chemischen Hormone reagieren. Auslöser sind hierbei vor allem die Gestagene.

Depressionen werden auch häufig durch Medikamente verursacht.[1] So ist z.B. von Malaria-Prophylaxe-Präparaten bekannt, dass sie Depressionen auslösen können. Diese Nebenwirkung ist daher als Warnhinweis im Beipackzettel enthalten.

Depression als Begleiterscheinung anderer Erkrankungen

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Verschiedene körperliche Zustände oder Erkrankungen können die Ursache einer symptomatischen Depression sein. Dazu zählen viele Hormonstörungen, beziehungsweise Veränderungen im Regelkreis der Hormone, zum Beispiel Umstellung der Sexualhormone nach der Schwangerschaft oder während der Pubertät, bei Schilddrüsenfunktionsstörungen und Hypophysen- oder Nebennierenerkrankungen. Ebenso stehen bestimmte Viren wie z. B. das Bornavirus in Verdacht zu funktionellen Störungen des Gehirns beizutragen, welche letztendlich zu Depressionen führen. Auch können medikamentöse Therapien Depressionen auslösen, so etwa Betablocker aber auch viele andere Medikamente, etwa die Therapie mit gewissen Immunmodulatoren bei Hepatitis.

Bei korrekter Anamnese und fachgerechter Behandlung der Grunderkrankung ist die Wahrscheinlichkeit sehr hoch, dass auch die Depression verschwindet. Beispielsweise leiden Personen mit stark schwankenden Blutzucker häufig unter depressiver Verstimmung. Wenn durch geeignete Maßnahmen wie Ernährungsumstellung, Sport oder ggf. Diabetesbehandlung der auslösende Zustand Blutzuckerschwankung beseitigt wird, mildert sich auch die vermeintlich psychisch bedingte Depression ab.

Auch Umweltgifte wie z. B. Schwermetalle oder Holzschutzmittel stehen in Verdacht, eine Depression verursachen zu können.

Betrachtung aus physiologischer Sicht

Die Depression gehört zu den affektiven Störungen, wie auch die Manie und die manisch-depressive Erkrankung. Als gesichert gilt, dass bei jeder bekannten Form der Depression das serotonale und/oder noradrenale System gestört ist, das heißt, der Spiegel dieser Neurotransmitter ist zu hoch oder zu niedrig, oder die Resorption/Reizbarkeit der Synapsen ist verändert. Vollkommen unklar ist jedoch, ob die Veränderung im Serotoninspiegel eine Ursache oder eine Folge der depressiven Erkrankung ist.

Die medikamentöse Behandlung mit modernen Antidepressiva setzt bei der Veränderung des Serotonin- und/oder des Noradrenalinspiegels an.

Genetische Ursachen

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Aus der Zwillingsforschung ist bekannt, dass eine genetische Komponente bei der Neigung zu Depressionen wahrscheinlich ist. Vermutlich sind mehrere Gene für eine Anfälligkeit gegenüber Depressionen verantwortlich, so hat man etwa bei Depressiven eine relevant häufige Mutation auf dem Gen 5-HTT entdeckt.

Familien-, Zwillings- und Adoptionsstudien legen nahe, dass bei manchen Menschen eine genetisch bedingte Empfindlichkeit für Depression besteht. Zwillingsstudien weisen darauf hin, dass im Vergleich zu Effekten der gemeinsamen familiären Umgebung genetischen Faktoren die entscheidende Bedeutung zuzukommen scheint.[2] So sei das Risiko für Kinder, bei denen ein Elternteil depressiv erkrankt ist, bei 10–15%, ebenfalls zu erkranken und bei vorhandener Erkrankung beider Elternteile von 30–40%.

Die Zwillingsstudien zeigen umgekehrt aber auch, dass der genetische Faktor nur ein Teilfaktor ist. Selbst bei identischer genetischer Ausstattung erkrankt der Zwillingspartner des depressiven Patienten in weniger als der Hälfte der Fälle. Beim Entstehen einer Depression spielen immer auch Umweltfaktoren eine Rolle. Darüber, wie die mögliche genetische Grundlage der Depression allerdings aussehen könnte, besteht keine Einigkeit. Einvernehmen herrscht im Moment nur darüber, dass es ein isoliertes „Depressions-Gen“ nicht gibt.

Zu bedenken ist, dass zwischen genetischen Faktoren und Umweltfaktoren komplizierte Wechselbedingungen bestehen können. So können genetische Faktoren z.B. bedingen, dass ein bestimmter Mensch durch eine große Risikobereitschaft sich häufig in schwierige Lebenssituationen manövriert. [3] Umgekehrt kann es von genetischen Faktoren abhängen, ob ein bestimmter Mensch mit einer psychosozialen Belastung gut zurecht kommt oder depressiv erkrankt.

  1. http://www.adfd.org/forum/viewtopic.php?t=1880
  2. Vgl. McGuffin, P., Katz, R., Watkins, S., & Rutherford, J. (1996). A Hospital-Based Twin Register of the Heritability of DSM-IV Unipolar Depression. Archives of General Psychiatry, 53, 129–136
  3. Vgl. Kendler, K.S., Karkowski, L.M., & Prescott, C. A. (1999). Causal Relationship Between Stressful Life Events and the Onset of Major Depression. American Journal of Psychiatry, 156, 837–841