Benutzer:Matutinho/Arbeitsindex/Stellwerk Kerzers

Lemma evtl. Historisches Stellwerk Kerzers oder Stellwerk Kerzers (Museum)

Blick auf die Ostfassade des Stellwerks Kerzers
Wärterstellwerk zwischen den beiden Linien
091031 Kerzers IMG 7300
Stellwerk Kerzers Innenansicht
Stellwerk Kerzers Aussenansicht
Blick von Passerelle auf Stellwerk Kerzers mit Gleisanlage Seite Neuenburg und Pendelzug Bern-Neuenburg-Bahn
vollständige Läutwerkgruppe
Südfassade
Blick aus Unterführung
Tafel im Design der SBB
Gedenktafel zur Schienenkreuzung

Das historische Stellwerk Kerzers ist ein museal bewahrtes Stellwerk an der schweizweit einzigen Kreuzung von zwei Vollbahnstrecken. Es befindet sich im Kreuzungsbahnhof Kerzers, Kanton Freiburg, Schweiz. Es verkörpert ein technikgeschichtliches, denkmalpflegerisches und eisenbahnbetriebliches Kulturgut von nationaler Bedeutung, das mit der KGS-Nr. 09481 unter dem Schutz der Kulturgüter bei bewaffneten Konflikten steht.[1]

Der Bahnhof Kerzers befindet sich an der Kreuzung zweier historischer Verkehrsachsen: die Broyetallinie (Palézieux-Moudon-Payerne-Avenches-Murten-Kerzers-Lyss) und die Bern-Neuenburg-Linie (sogenannte «direkte Linie»). Das stellt schweizweit eine bahntechnische Rarität dar.

Stellwerkgebäude

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Der Bau der direkten Eisenbahnlinie Bern-Neuenburg (1898-1901) machte ein Stellwerk im Kreuzungsbahnhof Kerzers notwendig. Das neue Stellwerk kam nördlich des künftigen Kreuzungspunktes zu liegen. Entgegen verbreiteter Annahmen und dem 100-Jahr-Jubiläum von 1996 sind die ältesten Pläne des Stellwerkgebäudes mit 1901 datiert. Wegen der Führung der Drahtzüge musste das Stellwerk an zentraler Stelle errichtet werden, was sich aus der Sicht der Passagiere als hervorragende Bühne herausstellt, nämlich zwischen den Gleisen der Broyetalbahn und derjenigen der Bern-Neuenburg-Bahn (BN).

Das Gebäude sitzt auf einem verptzten, massiv gemauerten Sockelgeschoss. Eckquader und Stichbogeneinfassungen an den Fenstern und Türen verzieren den eingeschossigen Sockel. Ursprünglich waren im Erdgeschoss Vorrichtungen zur Umlenkung der Transmissionsdrähte zu den Weichen und Signalen untergebracht. Da der Boden des Spannwerkraums fast anderthalb Meter unter dem Umgebungsniveau liegt, liessen sich die zum Befehlswerk wie auch zu den Weichen und Signalen unterirdisch geführten Transmissionsdrähte einfacher verlegen. Der Stellwerkraum im Obergeschoss ist als «schlanker Massivbau» ausgeführt. Quer zur Längsrichtung des Gebäudes liegen Doppel-T-Träger, die das Obergeschoss tragen und als Konsolen in der Fassade ausgestaltet sind. Die Konsolen an der Süd- und Nordfassade sind keine durchlaufenden Träger, sondern nur Auskragungen. An der Nordfassade tragen sie als Kragarme das über eine Aussentreppe erreichbare Podest vor der Eingangstür zum Stellwerkraum. Auf dieser Tragstruktur ruht ein Stahlprofilrahmen, auf dem die mit Backsteinmauerwerk ausgefachte Holzriegelbauweise die Wände des Stellwerkraums bilden. Das Sichtmauerwerk ist allseitig mit ornamentalen Mustern belebt. Dank der Holzriegelbauweise waren grossflächige Fensteröffnungen möglich, die eine optimale Sicht über das Gleisfeld gewährleisten. Bei den Fenstern handelt es sich um die damals geläufigen «Industriebaufenster». Die Aussentreppe wie auch die Plattform vor dem Stellwerkraum sind als genietete Stahlkonstruktionen ausgeführt. Ein mit Biberschwanzziegeln bedecktes Satteldach leitete das Regenwasser in die traufseitigen Pfetten.[2]Hanus, S. 50-52

Umbauten

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Im Zuge der Elektrifizierung der Bahnlinie Bern-Neuenburg musste das Stellwerkgebäude 1928 um zwei Fassadenfenstereinheiten gegen Süden verlängert werden, um Platz für die nötigen Apparaturen zu schaffen. Damit vergrösserte sich die bisherige Länge des Gebäudes um das Anderhalbfache. Dieser Anbau wurde in der bisherigen Bauweise ausgeführt, sodass die Veränderung nicht sofort ins Auge sprang. Die Längsfassaden waren nicht mehr vier-, sondern sechsgliedrig. Das südliche Dachwasserfallrohr, die unregelmässigen Abstände der Konsolen im südlichen Drittel des Gebäudes und die Anordnung der Fenster im Erdgeschoss deuten noch heute auf diese Veränderung hin.

Der Zugverkehrs nahm weiter zu und Hand in Hand schritt die Elektrifizierung im Bahnverkehr voran. Aus Sicherheitsgründen wurden üblicherweise die elektrischen Apparaturen von den mechanischen Steuerungsanlagen räumlich getrennt. 1963 wurde das Stellwerk Kerzers umfassend modernisiert. Die mechanisch bewegten Weichen wurden auf elektrischen Weichenantrieb umgestellt und die mittels Drahtzügen beweglichen Formsignale durch Lichtsignale ersetzt. Für die neuen Einrichtungen mit den Relaisapparaturen wurde im Spannwerkraum eine neue Zelle eingebaut.

1995 wurden die noch verbliebenen mit Drahtzügen bewegten Weichen auf elektrischen Antrieb umgestellt. Weil der Raum bereits voll ausgeschöpft war, wurde an der Westfassade ein Container für den zusätzlichen Relaisraum beigestellt. Das nördliche Fenster der Westfassade wurde zu einer Tür umgebaut, durch die man vom bestehenden Relaisraum zum neu angebauten Relaisraum im Container gelangte. 1996 wurde die Fassade saniert. 1997 wurden die noch originale Tür zum Stellwerkraum und die noch ursprünglichen Nordfenster durch eine mit Isolierverglasung versehene Neukonstruktion mit aufgesetzten Sprossen ersetzt und 2000 alle übrigen noch originalen Fenster mit Festverglasungen und in die Wandkonstuktion eingelassenen Scheinsprossen ersetzt. Am 7. Oktober 2004 übernahm das neue Stellwerk die Aufgaben seines Vorgängers.[3]Hanus, S. 52-62

Stellwerkapparatur

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Auf kleinen und mittelgrossen Bahnhöfen genügte oftmals ein sogenannter Stationsapparat. Hier konnte eine einzelne Person die Weichen, Fahrstrassen und Signale einstellen. An grösseren Bahnhöfen, zu denen auch Kerzers zählt, wurde die Steuerungsanlage in ein Befehlswerk (oder auch Freigabewerk) und ein Wärterstellwerk aufgeteilt. Im Befehlswerk stellt der Stationswärter die einzustellenden Fahrstrassen ein. Diese Einstellungen werden ins Wärterstellwerk übermittelt. Dort stellt der Stellwerkwärter die übermittelte Fahrstrasse ein.

Das Befehlswerk

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Der Beamte, der das Befehlswerk bedient, wurde in der Schweiz meist als Stationsvorstand, derjenige im Wärterstellwerk als Stellwerkwärter bezeichnet. Die Anlage steuert die Ein-, Aus-und Durchfahrten von Murten nach Kallnach und umgekehrt über die Gleise 1, 2 und 3 und die Ein-, Aus- und Durchfahren auf der Bern-Neuenburg-Strecke in beiden Richtungen auf den Gleisen 4 bis 6.[4] Das Befehlswerk verfügt über 16 Kurbeln. Diese lassen sich von der Mittelstellung in beide Richtungen drehen. Dabei bestimmt die Drehrichtung, welche Fahrstrasse eingestellt wird. Die Fahrstrassen sind in jedem Fall richtungsabhängig. Ein mechanischer Verschlussapparat verhindert, dass sogenannt feindliche Fahrstrassen freigegeben werden können. 1964 ergänzte eine Gleisbildtafel der Hasler AG die modernisierte Stellwerkanlage. Diese zeigte dem Stationswärter die Zustände der Blockverschlüsse und Signalbegriffe an.

Geschlossene Doppeldrahtzüge, die unter den Gleisen der Boyetallinie verlaufen, übermitteln die freigegebenen Fahrstrassenaufträge mechanisch ins Wärterstellwerk. Dieses befindet sich im Stellwerkraum im Obergeschoss des Stellwerkgebäudes. Die Doppeldrahtzüge passieren dabei eine horizontale Umlenkung über Rollen unter dem Befehlswerk und danach noch eine vertikale Umlenkung über Rollen im ehemaligen Seilraum des Stellwerkgebäudes, bis sie im darüberliegenden Stellwerkraum ankommen.[5]Hanus, S. 66

Das Wärterstellwerk

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Beim Wärterstellwerk, das sich im Stellwerkraum im Obergeschoss des Stellwerkgebäudes befindet, handelt es sich um einen Apparat der Bauart Bruchsal G aus dem Jahr 1901. Die Anzahl an urspünglichen Hebeln und Verschlüssen ist heute nicht mehr rekonstruierbar. Jedenfalls hätte die Apparatur in ihrer heutigen Länge niemals im urprünglich nur viergliedrigen Stellwerkgebäude Platz gehabt. Infolge der Elektrifizierung der Eisenbahnlinie von Bern nach Neuenburg im Jahr 1928 und des damit zusammenhängenden Gleisausbaus musste der Stellwerkapparat angepasst werden. Zusätzliche Fahrstrassen mit der dafür notwendigen Anzahl von Fahrstrassenhebeln und den entsprechenden Signal- und Weichenhebeln mussten eingebaut werden. Dazu waren zusätzliche Vorspannvorrichtungen und Doppeldraht- und Gestängetransmissionen nötig. Auch die entsprechenden Verschlussvorrichtungen waren anzupassen. Die Elektrifizierung der Broyetallinie im Jahr 1944 brachte schrittweise den Ersatz der Semaphore durch Lichtsignale. Dazu wurden die roten Signalhebel mit elektrischen Hebelsperren und -kontakten ausgestattet. Damit wurden zum mechanischen Verschlussregister zusätzlich wirkende Abhängigkeiten hergestellt. Je nach Hebelstellung werden unterschiedliche Stromkreise geschlossen, deren Umstellbefehle an die im Spannwerkraum eingebauten Relaissätze der Signale über Kabelleitungen elektrisch übermittelt werden. Kontrolllämpchen der elektrischen Hebelsperre zeigen die jeweilige Stellung der Signalfreigabe an. Der Hebel wirkt wie ein überdimensionierter elektrischer Schalter. Denn das Verschlussregister stellt die Umstellabhängigkeiten immer noch mechanisch her.

1963 bekamen die Weichen, die am häufigsten genutzt wurden, elektrische Antriebe. Die entsprechenden Spannvorrichtungen für Doppeldrahtzüge und Gestängetransmissionen wurden im Spannraum durch Weichenrelaissätze ersetzt. Den zugeordneten Weichenhebeln wurden elektrische Hebelsperren verpasst. Die entsprechenden Drahtzüge der mechanischen Transmission wurden abgebaut. Die Anzeige der Freigabe und Weichenendlage-Überwachung erfolgt auch in diesem Fall mittels Kontrolllämpchen der elektrischen Hebelsperre. Damit übernahmen sie die Aufgabe der Seilscheibe. Der Ausfall eines Überwachungslämpchens zeigt an, dass eine Weiche aufgeschnitten ist. (Der schweizerische Fachbegriff bezeichnet das Abdrängen der Zunge von der Spitze oder vom Herzstück her, im übrigen deutschsprachigen Raum ist dieser Begriff veraltet, gebräuchlich ist der Begriff der Weichenauffahrt, die allerdings das beabsichtigte Abdrängen der Zunge nur von der Spitze her meint)[6] (zur Begrifflichkeit vgl. Bahnsicherungstechnik von Fenner, Naumann und Trinckauf). Eine Weichenaufschneidung verursacht einen Kurzschluss des Überwachungsstromkreises der Weiche. Die dadurch durchgebrannte Überwachungssicherung verhindert das weitere signalmässige Befahren der Weiche.

Gleichzeitig mit diesen Modernisierungen wurde auch das System des Streckenblocks eingeführt. Das System beruht auf dem Prinzip, die ganze Eisenbahnlinie in Abschnitte einzuteilen und dafür zu sorgen, dass auf jedem dieser Abschnitte nur jeweils ein einziger Zug fahren kann.[7] In Kerzers verwendete man den Gleichstromblock der Frima Hasler AG Bern. Die mechanischen Ausfahrsignale wurden durch Lichtsignale ersetzt. Der Gleichstromblock für Einspurstrecken verfügte über drei Blockverschlüsse: das Zustimmungsfeld, das bei der empfangenden Station die Ausfahrt verhindert; das Anfangsfeld für den ausfahrenden Zug, um Folgezüge während des Befahrens des Streckenblocks zu vermeiden, und das Endfeld, das verhindert, dass die Zustimmung aufgehoben wird. Einzig die Blockstrecke nach Gümmenen wurde mit Achszählung ausgestattet. Das Prinzip basiert auf magnetisch leitenden Fahrzeugradsätzen, die am Anfang und Ende einer Strecke gezählt werden. Stimmen die beiden Zählungen überein, wird der Blockabschnitt automatisch freigegeben. Beidseitig der Hebelbank wurden Blockbedienungskästen für die Bedienung des Streckenblocks montiert. Über der Hebelbank zeigte die neu installierte Gleisbildtafel wie über dem Befehlsfeld. mittels Lämpchen die Block-, Signal- und Barriererückmeldungen an. 1977 wurden weitere Weichen auf elektrischen Antrieb umgestellt und gleichzeitig Weichenisolierungen eingebaut. Die Stellwerkapparatur wurde entsprechend angepasst. Als 1980 eine direkte Fahrstrasse von Bern in das Gleis 1 eingebaut wurde, mussten das Wärterstellwerk und das Befehlswerk erneut angepasst werden. Später folgten weitere Umstellungen von mechanischen Weichen und Signale auf Weichenantriebe und Lichtsignale, was zu Platznot in der Relaisraumzelle führte. Deshalb stellte man 1995 einen Container an die Westfassade, der Platz für die zusätzlichen Relaissätze bot. 1998 ersetzte man die allerletzte mechanisch gesteuerte Weiche durch eine mit elektrischem Antrieb. Einzig die mechanische Ansteuerung zum Rangiersignal blieb bestehen. 2004 übernahm das neue Stellwerk seinen Betrieb, das alte wurde nicht mehr genutzt.[8] Hanus, S. 68-72

Das Wärterstellwerk bestand aus 16 Fahrstrassenhebeln, neun Signal- und zwanzig Weichenhebeln. Elf Fahrstrassenhebel liessen sich von der Grundstellung aus nach oben und unten bewegen. Damit konnten je zwei verschiedene Fahrstrassen eingestellt werden. Mit den restlichen fünf Fahrstrassenhebeln liessen sich nur je eine Fahrstrasse einstellen. Jeder Kurbel am Befehlswerk ist ein Fahrstrassenhebel am Wärterapparat zugeordnet. Mit acht der neun Signalhebel steuerte man die Ein- und Ausfuhrsignale. Ein Signalhebel steuerte das Rangiersignal, und tut es zu Demonstrationszwecken auch heute noch. Eine zu Demonstrationszwecken vor das Stellwerkgebäude verlegte Weiche lässt sich über ihren Weichenhebel umstellen. Die Weichenhebel sind blau, die Signalhebel rot gestrichen und der Rangiersignalhebel ist blau-rot markiert. An beiden Enden der Hebelbank sind die Blockbedienungskästen angebracht.[9] Hanus, S. 72

Das Läutwerk

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Vor dem Stellwerkgebäude steht eine Gruppe Spindelläutwerke. Läutwerke sind eisenbahntechnische Fernmeldeeinrichtungen. Sie informieren das Bahnpersonal über das Verkehren von Zügen. Die Tonlage und Anzahl Schläge gibt an, auf welcher Strecke ein Zug aus welcher Richtung heranrückt. Elektrische Impulse lösen das Läuten aus, während der eigentliche Läutvorgang wie bei einem Uhrwerk mechanisch über ein Gewicht abwickelt. Dieses Gewicht muss regelmässig aufgezogen werden. Die Spindelläutwerke stammen aus der Zeit des Stellwerkbaus. Ursprünglich waren es vier Läutwerke: für jede Richtung eines. Sie wurden anfänglich noch von Hand über eine Auslösetaste betätigt. Mit der Einführung des Blocks wurden die Läutwerke automatisch dank elektrischem Impuls zeitgerecht ausgelöst. Als im Jahr 1963 der Streckenblock auf der Broyetallinie eingeführt wurde, verschwand das dazugehörige Läutwerkpaar. Akustisch wurde nur noch der Zugverkehr auf der Bern-Neuenburg-Linie signalisiert. Mit der Stilllegung des alten Stellwerks verstummte auch das verbliebene Läutwerkpaar. 2006 wurden die seit 1963 fehlenden Läutwerke durch bauartgleiche Exemplate von der Bodenseelinie der Schweizerischen Bundesbahnen ergänzt. Für den gewöhnlichen Zugbetrieb bleiben sie stumm, können aber im Museumsbetrieb zur Demonstration reaktiviert werden.[10] Hanus, S. 82

Geschichte

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Im jungen Bundesstaat standen ab 1852 mehrere Eisenbahnlinien vom Genfersee bis zum Bodensee und Basel zur Diskussion. Eine dieser Linien sollte über Payerne, Murten, Laupen nach Bern führen. Eine weitere über Murten, Kerzers und Lyss. Nach dem Entscheid, eine Hauptlinie von Lausanne über Freiburg nach Bern und eine andere von Morges über Yverdon nach Neuenburg zu führen, geriet die Broyetalstrecke in den Hintergrund. Doch die betroffene Bevölkerung setzte sich weiterhin für eine Linien durchs Broyetal ein. 1872 begannen die Bauarbeiten und wenig später nahm am Nordwestrand von Kerzers das Bahnhofgebäude Gestalt an. Das neue Aufnahmegebäude mit seinem Perrondach gehörte zu den Stationsgebäuden zweiten Ranges. Es glich jenem von Avenches und Yvonand. Der Güterschuppen mit breit auslandendem traufseitigem Vordach ist aus Holz gebaut. Eine WC-Anlange und ein Barrieren-Wärterhäuschen vervollständigten die Bahnhofsbauten. Ab 1876 rollten täglich drei, später vier Züge in beide Richtungen. Die Fahrt von Lyss nach Murten (23 km) mit dem von einer Dampflokomitive angetriebenen Zug dauerte eine Stunde. Noch vor der Jahrhundertwende entstanden dank des Aufschwungs der Eisenbahnen mehrere neue Berufe: ausser dem Lokomotivführer etwa der Lokomitivheizer, die Weichen- und Bahnwärter.

1890 erlangte der Berner Ingenieur Beyeler die Konzession für eine direkte Bahnlinie Bern-Neuenburg. Sieben Jahre später fand die Gründung der Gesellschaft Bern-Neuenburg statt. Im Juni 1901 konnte die Strecke von Bern über den Saaneviadukt bei Gümmenen bis Neuenburg befahren werden. Im Bahnhof Kerzers kreuzt die «Directe» (Bern-Neuenburg-Linie) die «Longitudinale» (Broyetallinie) in einer Gleiskreuzung im spitzen Winkel von 30° und führt dann durchs Grosse Moos nach Neuenburg. Die Gleiskreuzung zweier Vollbahnlinien ist schweizweit einzigartig. Normalerweise führt man zwei sich kreuzende Linien über eine kurze Strecke auf einem gemeinsamen Gleis zusammen, das auf eine Abzweigung führt, wo sich die beiden Richtungen wieder trennen, sodass keine Gleiskreuzung nötig war. Solche Lösungen finden sich etwa in Payerne, Yverdon oder Konolfingen. Infolge der neuen Linie Bern-Neuenburg wurde ein grösserer Stellwerkapparat in Kerzers nötig. Dazu baute man das Stellwerkgebäude mit einwandfreier Sicht auf die gesamte Gleisanalage mitten zwischen die beiden Bahnlinien. Gleichzeitig wurde das Aufnahmengebäude und der Schuppen verlängert. Ausserdem wurde zwischen den beiden Linien eine Wartehalle erstellt und zusätzliche WC und Schutzhäuschen für die Bahnwärter und -wärterinnen an den nahen Strassenübergängen. 1903 übernahmen die kurz vorher entstandene Schweizerische Bundesbahnen (SBB) die Broyetallinie. 1909 wurde die von der Gemeinde Kerzers geforderte eiserne Passerelle über die Gleise auf der Südseite des Bahnhofs errichtet. Das im Jahr 1924 errichtete Unterwerk lieferte Strom für die ab 1928 durchgehend elektrifizierte Bern-Neuenburg-Linie. Die Broyetalbahn wurde erst im Jahr 1943 elektrifiziert.

Das Stellwerk von Kerzers ist ein Vertreter der ersten Stellwerkgeneration. Bei den im Laufe der Zeit nötigen Anpassungen wurde stets nur soviel angepasst, wie gerade nötig war. Dadurch sind die Entwicklungsschritte der Sicherungstechnik im Bereich dieses Stellwerks gut nachvollziehbar. Das Stellwerk, das in seinen ersten Jahrzehnten täglich gegen 30 Zügen ihre jeweilige Fahrtrasse einzustellen und zu sichern hatte, hätte theoretisch auch zu Zeiten der Expo02 die rund 230 täglichen Züge sicher über die Gleise von Kerzers leiten können.[11] Aber manuell wäre das nicht mehr nöglich gewesen. Heute wird der Bahnhofbetrieb und damit die jeweilige Fahrstrasse, die passenden Weichen und Signale von Bern Bümpliz Nord aus ferngesteuert, gesichert und überwacht.[12]

Das Museum

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1996 fand die 100-Jahr-Feier des Stellwerks Kerzers statt. Dass das Stellwerk erst 1901 erbaut wurde, ist eine neuere Erkenntnis. Im Rahmen der Jubiläumsfeier gab es Führungen, bei denen die Bevölkerung erstmals aus nächster Nähe dem Stationsvorstand und dem Stellwerkwärter über die Schultern schauen konnten und erklärt bekamen, was es mit diesen Stellhebeln und Verschlüssen auf sich hat. Weil diese Aktion ein Grosserfolg war, reifte die Idee, das Stellwerk, wenn es dereinst ersetzt oder abgebaut werden sollte, als Museum weiterzuführen. Beat Winterberger reichte im Jahr 1998 eine erste Projektstudie bei der Kreisdirektion I und dem Departement Technik der Generaldirektion ein. Das Projekt wurde abgelehnt. Das Amt für Kulturgüter des Kantons Freiburg zeigte aber von Anfang an Interesse. Die zuständige Denkmalpflegerin nahm Kontakt mit der eidgenössischen Denkmalpflege auf. 2003 wurde das Stellwerk als Kulturgut von nationaler Bedeutung anerkannt. Mit der Modernisierung der Bern-Neuenburg-Linie bekam der Bahnhof Kerzers ein neues, nun elektronisches Stellwerk. Das alte wurde 2004 ausser Betrieb gesetzt. Bereits während der Planungsarbeiten der neuen Anlage konnten Wünsche für die Publikumsanlage aufgenommen und teilweise umgesetzt werden. Mit Hilfe des Amtes für Kulturgüter gelang es auch, das noch aus der Gründungszeit der Broyetallinie stammende Bahnhofensemble grössteneils ins Inventar der Regionalbahnhöfe von nationaler Bedeutung aufzunehmen. Dieses Inventar endete allerdings in den Schubladen der SBB.[13] Inzwischen waren aber die Medien auf das historische Stellwerk aufmerksam geworden und die Fachliteratur vor allem seit der eingehenden Studie von Christian Hanus hinterliess bleibende Spuren. Die seit 1998 bestehende Projektgruppe «Pro Stellwerk Kerzers» wurde 2004 aufgelöst und der Verein Stellwerk Kerzers gegründet. Das Präsidium übernahm Beat Winterberger. Nach aufwändigen Verhandlungen und Sitzungen konnten die Eigentumsverältnisse geklärt werden: Die Gemeinde Kerzers ist Besitzerin und der Verein Stellwerk Kerzers hat das Betreiber- und Nutzungsrecht. Von 2004 bis 2017 war das alte Stellwerk stillgelegt. In dieser Zeit wurde es für den Publikumsbetrieb fit gemacht und ist als Museum seit 2017 in Betrieb.[12]

2012 zeichnete die Schweizerische Gesellschaft für Kulturgüterschutz den Verein Stellwerk Kerzers mit dem Förderpreis 2012 aus, die Gemeinde Kerzers ehrte den Verein für seine Freiwilligenarbeit mit dem Wanderpreis 2014 und die lokale FDP/die Liberalen mit dem Prix Engagement Public 2019.

Der Verein veranstaltet monatliche Arbeits-, Revisions- und Info-Treffs. Auf der Webseite können Führungen von Gruppen gebucht werden.

Literatur

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  • Christian Hanus: Stellwerk Kerzers. Geschichte der Eisenbahnsicherungstechnik. AS Verlag, Zürich 2007, ISBN 978-3-909111-45-9.
  • Alain Robiolio und François Guex: Das Stellwerk im Bahnhof Kerzers. In: Service des biens culturels du canton de Fribourg = Amt für Kulturgüter des Kantons Freiburg. Band 2003, Nr. 15, 2003, S. 52–55, doi:10.5169/seals-1035787 (e-periodica.ch).
  • M. Brand: 100 Jahre Stellwerk Kerzers 8./9. Juni 1996. Festschrift. Hrsg.: Bern-Neuenburg-Bahn und SBB. 1996.
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Commons: Historisches Stellwerk Kerzers – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

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  1. Verordnung über den Schutz der Kulturgüter bei bewaffneten Konflikten, bei Katastrophen und in Notlagen. Schweizerischer Bundesrat, 16. Januar 2016, abgerufen am 16. März 2024.
  2. Christian Hanus: Stellwerk Kerzers. Geschichte der Eisenbahnsicherungstechnik. AS Verlag, Zürich 2007, ISBN 978-3-909111-45-9, S. 50–52.
  3. Christian Hanus: Stellwerk Kerzers. Geschichte der Eisenbahnsicherungstechnik. S. 52–62.
  4. M. Brand: 100 Jahre Stellwerk Kerzers. 8./9. Juni 1996. Hrsg.: Bern-Neuenburg-Bahn und SBB. S. 8.
  5. Christian Hanus: Stellwerk Kerzers. Geschichte der Eisenbahnsicherungstechnik. S. 66.
  6. zur Begrifflichkeit vgl. Wolfgang Fenner, Peter Naumann, Jochen Trinckauf: Bahnsicherungstechnik : Steuern, Sichern und überwachen von Fahrwegen und Fahrgeschwindigkeiten im Schienenverkehr. Wiley, Hoboken 2011, ISBN 978-6-61314106-4, S. 86.
  7. Paul Romann: Sicherheit wird unsichtbar. In: Hochparterre. Band 2, Nr. 12, 1989, S. 42–49, doi:10.5169/seals-119083.
  8. Christian Hanus: Stellwerk Kerzers. Geschichte der Eisenbahnsicherungstechnik. S. 68–72.
  9. Christian Hanus: Stellwerk Kerzers. Geschichte der Eisenbahnsicherungstechnik. S. 72.
  10. Christian Hanus: Stellwerk Kerzers. Geschichte der Eisenbahnsicherungstechnik. S. 82.
  11. Alain Robiolo und François Guex: Das Stellwerk im Bahnhof Kerzers. In: Service des biens culturels du canton de Fribourg = Amt für Kulturgüter des Kantons Freiburg (Hrsg.): Patrimoine fribourgeois = Freiburger Kulturgüter. Nr. 15, 2003, S. 52–55 (e-periodica.ch).
  12. a b Beat Winterberger: Vom Wärterstellwerk zum historischen Stellwerk. In: Historischer Kalender, oder, Der hinkende Bot. Band 290, 2017, S. 83–86, doi:10.5169/seals-656359.
  13. Hans-Peter Bärtschi: Das Inventar der historischen Bahnhöfe der Schweizerischen Bundesbahnen. In: Heidelberger OJS Journals. S. 75–76 (google.ch [abgerufen am 3. Juni 2024]).

Arbeitsunterlagen

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Bilder