Links: ARIA-E (Sulkale Effusion; FLAIR-Sequenz)
Mitte: ARIA-H (Mikroblutungen; T2*-Wichtung)
Rechts: ARIA-H (Oberflächliche Hämosiderinablagerungen; T2*-Wichtung)

Amyloid-assoziierte Bildgebungsanomalien, auch Amyloid-bedingte Bildgebungsanomalien (englisch amyloid-related imaging abnormalities, ARIA) sind Unregelmäßigkeiten (Anomalien) auf MRT-Bildern, die vor allem bei einer Alzheimer-Therapie mit Anti-β-Amyloid-Antikörpern auftreten können. Dabei kann es zu Flüssigkeitsansammlungen (ARIA-E) oder kleinen Blutungen (ARIA-H) kommen.

Häufigkeit

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ARIAs treten meist bei Einleitung oder Umstellung einer Anti-Aβ-Therapie auf. Bei dieser Therapie werden monoklonale Antikörper verabreicht, die sich gegen Beta-Amyloid-Ablagerungen (Aβ) richten, die im Verdacht stehen an der Entstehung der Alzheimer-Krankheit beteiligt zu sein.[1] Mit Stand 2024 handelt es sich bei diesen Medikamenten um eine der wichtigsten Forschungsbereiche in der Alzheimertherapie.[1] ARIAs waren in mehreren Fällen mitursächlich für den Abbruch klinischer Studien.[2] ARIAs waren zudem einer der Hauptgründe für die Nichtzulassung von Aducanumab#EU[3] und Lecanemab[4] in der EU.

Die Inzidenz unterscheidet sich zwischen den verschiedenen Antikörpern. Ein gehäuftes Auftreten wurde erstmals in Studien zu Bapineuzumab berichtet und trat auch bei Aducanumab, Lecanemab und weiteren auf. Eine höhere Dosis steigert das Risiko.[1][5]

Individuelle Risikofaktoren sind unter anderem stattgehabte Mikroblutungen, die Menge von Aβ-Ablagerungen in den Blutgefäßen (zerebrale Amyloidangiopathie) und ein höheres Alter. Träger des ApoE4-Gens sind besonders häufig von ARIA betroffen. Diese Personen haben auch ein erhöhtes Risiko an Demenz zu erkranken und stellen damit eine Hauptzielgruppe der Anti-Aβ-Therapien dar. Zudem ist bei einer Behandlung mit Thrombozytenaggregationshemmern oder Antikoagulantien („Blutverdünner“) das ARIA-H-Risiko erhöht.[4]

ARIA treten auch außerhalb von Anti-Aβ-Therapien auf, vor allem im Rahmen der zerebralen Amyloidangiopathie. Von Patientinnen und Patienten mit Alzheimer, die nie mit Anti-Aβ-Antikörpern behandelt wurden, weisen unter 1 % ARIA-E auf, während die Prävalenz von ARIA-H je nach Studie zwischen 9 und 33 Prozent liegt. Insbesondere ARIA-H tritt mit steigendem Alter häufiger auf.[1]

Pathophysiologie

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Im Rahmen der Alzheimererkrankung kommt es zu Ablagerungen von Beta-Amyloid-Plaques im Gehirn. Ob diese für die Erkrankung ursächlich oder lediglich eine Begleiterscheinung sind wird kontrovers diskutiert. Neben der Ablagerung zwischen den Nervenzellen kommt es auch zu Einlagerungen in die Wände von Blutgefäßen, einer zerebralen Amyloidangiopathie. Vermutlich verursachen die Anti-Aβ-Antikörper einen Entzündungsprozess in den betroffenen Blutgefäßen, wodurch deren Wände geschädigt werden. In der Folge kommt es durch eine erhöhte Durchlässigkeit der Blut-Hirn-Schranke zum Austritt von Häm-Verbindungen und/oder geringen Blutmengen (ARIA-H) und/oder proteinreicher Flüssigkeit (ARIA-E).[1][6][7]

Bei ARIA-E (von englisch edema/effusion) kommt es zu Ansammlungen proteinhaltiger Flüssigkeiten. Diese können sich zwischen den Zellen den Gehirns (Hirnödem) oder in Zwischenräumen der Hirnhäute (leptomeningeale bzw. subpiale Effusion) ansammeln. Letztere treten meist im Bereich der Gräben (lateinisch Sulci, Einzahl Sulcus) zwischen den Hirnwindungen auf (sulkale Effusion).[1]

In der FLAIR-Sequenz zeigen sich diese Veränderungen hyperintens („hell“), ohne Kontrastmittelaufnahme und meist einseitig. In Abgrenzung zum zytotoxischen Ödem zeigen sich keine Einschränungen in der Durchblutung.[1]

Bei ARIA-H (von englisch hemorrhage) kommt es zu Blutungen (Hämorrhagien) oder oberflächlichen Ablagerungen von Hämosiderin, was ebenfalls ein Anzeichen für stattgehabte Blutungen ist. Die Blutungen haben meist wenige Millimeter Durchmesser, selten kann es jedoch auch zu größeren Hirnblutungen kommen. Sie sind neben der Schädigung der Gefäßwand vermutlich auch Folge der Risse kleinster Blutgefäße, deren Inhalt bei Mikroblutungen ins das Gewebe und bei oberflächlichen Hämosiderinablagerungen unter die Hirnhäute austritt.[1]

In der T2*-Wichtung zeigen sich die betroffenen Areale hypointens („dunkel“). Die oberflächlichen Hämosiderinablagerungen bilden Bögen entlang der Oberfläche des Gehirns.[1]

Diagnostik

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Da es sich um subtile Veränderungen handelt, werden leistungsstarke Magnetresonanztomographen (MRTs) mit mindestens 1,5 Tesla Flussdichte empfohlen.[7] Es gibt radiologische Kritierien, um verschiedene Schweregrade zu unterscheiden.[1]

Radiographische Schweregrade[1]
Typ Leicht Mittel Schwer
ARIA-E ⌀ <5 cm

Unifokal

⌀ 5–10 cm

Uni- oder Multifokal

⌀ >10 cm

Uni- oder Multifokal

ARIA-H
Mikrohämorrhagien
≤4 neue Blutungen 5–9 neue Blutungen ≥10 neue Blutungen
ARIA-H
oberflächliche Hämosiderinablagerung
1 Areal 2 Areale ≥3 Areale

Symptome

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Die Veränderungen treten meist zu Therapiebeginn auf und verursachen in den meisten Fällen keine Symptome.[1]

Bei schwereren Formen von ARIA-E kann es zu starken Schwellungen kommen, die auf umliegende Bereiche des Gehirns drücken. Dies äußert sich häufig in Kopfschmerzen, Verwirrungszuständen, Übelkeit, Sehstörungen und Gangunsicherheiten.[1][6]

Behandlung

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In erstmaligen, asymptomatischen, leichten oder mittleren Fällen kann eine Therapieforsetzung unter regelmäßigen MRT-Kontrollen möglich sein. Bei schweren oder wiederholten ARIAs sollte die Therapie abgebrochen werden.[1][5]

Bei ARIA-E kann durch Absetzen der Anti-Aβ-Therapie meist innerhalb von Wochen oder Monaten eine vollständige Rückbildung erreicht werden. In schwereren Fällen können Glucocorticoide zur Abschwellung verabreicht werden.[1][6]

Einzelnachweise

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  1. a b c d e f g h i j k l m n o Harald Hampel, Aya Elhage, Min Cho, Liana G Apostolova, James A R Nicoll, Alireza Atri: Amyloid-related imaging abnormalities (ARIA): radiological, biological and clinical characteristics. In: Brain. Band 146, Nr. 11, 2. November 2023, ISSN 0006-8950, S. 4414–4424, doi:10.1093/brain/awad188, PMID 37280110, PMC 10629981 (freier Volltext).
  2. Francesco Panza, Madia Lozupone, Giancarlo Logroscino, Bruno P. Imbimbo: A critical appraisal of amyloid-β-targeting therapies for Alzheimer disease. In: Nature Reviews Neurology. Band 15, Nr. 2, Februar 2019, ISSN 1759-4758, S. 73–88, doi:10.1038/s41582-018-0116-6 (nature.com [abgerufen am 27. Juli 2024]).
  3. Refusal of the marketing authorisation for Aduhelm (aducanumab). (PDF; 109 KB) In: Europäische Arzneimittelagentur. 17. Dezember 2021, abgerufen am 27. Juli 2024 (englisch).
  4. a b Daniela Hüttemann: EMA: Keine Empfehlung für Alzheimer-Antikörper Lecanemab. In: Pharmazeutische Zeitung. 26. Juli 2024, abgerufen am 27. Juli 2024.
  5. a b Julia Czech, Jörg B. Schulz: Aktuelle medikamentöse Therapieansätze der Alzheimerkrankheit. In: InFo Neurologie + Psychiatrie. Band 26, Nr. 1, Januar 2024, ISSN 1437-062X, S. 32–45, doi:10.1007/s15005-023-3800-z (springermedizin.de [abgerufen am 27. Juli 2024]).
  6. a b c Wade K. Self, David M. Holtzman: Emerging diagnostics and therapeutics for Alzheimer disease. In: Nature Medicine. Band 29, Nr. 9, September 2023, ISSN 1078-8956, S. 2187–2199, doi:10.1038/s41591-023-02505-2 (nature.com [abgerufen am 27. Juli 2024]).
  7. a b Reisa A. Sperling, Clifford R. Jack, Sandra E. Black, Matthew P. Frosch, Steven M. Greenberg, Bradley T. Hyman, Philip Scheltens, Maria C. Carrillo, William Thies, Martin M. Bednar, Ronald S. Black, H. Robert Brashear, Michael Grundman, Eric R. Siemers, Howard H. Feldman, Rachel J. Schindler: Amyloid-related imaging abnormalities in amyloid-modifying therapeutic trials: Recommendations from the Alzheimer’s Association Research Roundtable Workgroup. In: Alzheimer's & Dementia. Band 7, Nr. 4, Juli 2011, S. 367–385, doi:10.1016/j.jalz.2011.05.2351, PMID 21784348, PMC 3693547 (freier Volltext).