Benutzer:MYR67/Artikelwerkstatt Bombenpass-Bombenschein

Der Bombenpaß – Ausweis für Fliegergeschädigte, kurz Bombenpaß genannt, war ein offizielles Ausweisdokument des Deutschen Reiches, das während des Zweiten Weltkrieges von den Sozialämtern oder von den kommunalen oder regionalen Wirtschaftsämtern an Personen ausgegeben wurde, die durch alliierte Bomben- bzw. Fliegerangriffe ihre Wohnungen entweder ganz oder teilweise verloren hatten.

Der Bombenpaß wurde auch als Bombenschein, Fliegerschadenschein, Fliegerschaden-Sonderbezugsschein, Bescheinigung über erlittenen Fliegerschaden oder als Betreuungskarte​ bezeichnet.

Der Ausweis diente der verwaltungsmäßigen Erfassung und Behandlung der ausgebombten Personen. Aufgrund dieses amtlichen Dokuments konnten Ausgebombte und andere vom Luftkrieg schwer Betroffene – nach dem Verlust ihrer Bleibe und Habe durch Fliegerbomben – erste staatliche Hilfsleistungen bekommen, zum Beispiel neue Lebensmittelkarten, eine Zuteilungen rationierter Konsumgüter oder eine Behelfsunterkunft.

Rechtsgrundlage war die (im Laufe des Krieges mehrfach geänderte) Kriegssachschädenverordnung vom 30. November 1940.[1]

Typischer Aufbau eines Bombenpasses Bearbeiten

 
Bombenpaß aus Braunschweig: Handschriftlicher Eintrag in der oberen rechten Ecke: „Schadensfall 15.10.44“.
(Familienname nachträglich unkenntlich gemacht.)

Das DIN-A6-große Papierdokument bestand aus etwa zehn Seiten. Die erste Innenseite war das Merkblatt für Fliegergeschädigte, es richtete sich an die (ausgebombten) „Volksgenossen und Volksgenossinnen!“ und enthielt neben propagandistischen Durchhalteparolen (z. B. Punkt 8: „Vergeßt nie, daß Ihr zur großen Front der Kämpfer um eine bessere Zukunft unseres deutschen Volkes gehört.“), Warnungen (Punkt 2: „Hütet Euch vor Übertreibungen, denn die Erfahrung lehrt, daß Ihr damit der wilden Gerüchteküche Tor und Tür öffnet […]“) auch Verhaltenshinweise für den Umgang mit den „Quartierleuten“, so z. B. Punkt 4: „Achtet Eigenheiten Eurer Gastgeber […].“ oder Punkt 5: „Deshalb geht mit den Gegenständen […] sorgsam um […]“.

Auf der dritten Seite folgten die Personalangaben wie Name, Geburtsdatum und -ort, (alte und neue) Anschrift, Schadensart sowie weitere Informationen (z. B. Anzahl der Kinder oder vermisste Angehörige). Weitere Seiten enthielten Essenmarken für Frühstück, Mittag- und Abendessen sowie Eintragungen des Wirtschafts- und Ernährungsamtes. Die letzte Seite war eine Postkarte zum Heraustrennen. Sie war adressiert „An die Zentralnachweisstelle“, der bei Umquartierung die neue Anschrift mitgeteilt werden sollte.

In manchen Fällen war dem Vordruck für den Fliegerschadenschein eine Strafandrohung bei Missbrauch aufgedruckt, wie etwa die folgende: „Wer sich diesen Ausweis durch unrichtige Angaben erschleicht, hat als Volksschädling schwerste Strafen, auch die Todessstrafe, zu erwarten.“[2]

Sozialgeschichtliche Bedeutung Bearbeiten

Ein Bombenpaß konnte Deutschen, die im Dritten Reich in der Illegalität leben mussten, zu einer neuen, schein-legalen Identität verhelfen:

„Inzwischen hatten in Berlin die schweren Luftbombardements eingesetzt. Ich machte mir das zunutze, suchte mir einen Bezirk, in dem sowohl das Polizeiamt wie auch die Lebensmittelkartenstelle ausgebombt waren, ging zum Bürgermeisteramt Schöneberg und gab dort an, ich sei ausgebombt worden. Da meine Angaben nicht auf ihre Richtigkeit nachgeprüft werden konnten, erhielt ich ohne weiteres einen sogenannten Bombenschein als Ausgebombte. […]. Auf meinen Bombenschein hin erhielt ich legale Aufenthaltserlaubnis und wurde auch wieder mit Lebensmittelkarten beliefert.[3]

Während des Zweiten Weltkriegs war die Freizügigkeit beschränkt, zum Beispiel für Arbeitskräfte in kriegswichtigen Betrieben wie auch für diese Betriebe selbst. Wer mit Hilfe eines Bombenscheins nachweisen konnte, ausgebombt worden zu sein, erhielt leichter die Erlaubnis zum Wegzug aus den besonders bombengefährdeten Städten.

Bombengeschädigte erhielten Vorrang beim Kauf von so genanntem „Judengut“, also von Hausrat und Einrichtungsgegenständen von deportierten niederländischen Juden, deren Eigentum nach ihrer Deportation im Rahmen der „Aktion M” beschlagnahmt und als so genannte „Hollandmöbel“ von den Landeswirtschaftsämtern der verschiedenen Gaue verwertet wurden. Auf diese Weise erhielten Bombengeschädigte, Kriegsversehrte, kinderreiche Familien und Jungverheiratete eine Möglichkeit, sehr preiswert geraubte Einrichtungsgegenstände und Textilien zu kaufen, die wegen der Umstellung auf Kriegsproduktion sonst im Deutschen Reich kaum noch erhältlich waren.[4]

In Soest fordert die Stadtverwaltung die ansässigen Juden auf, ihre Wohnungen zu verlassen und sie den Luftkriegsgeschädigten zu übergeben.[5]

Noch im Wiederaufbau nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs haben Bombenscheine eine Rolle gespielt: In Österreich wurde zum Beispiel Sozialer Wohnbau vom Wohnhauswiederaufbaufonds (WWF) nur dann mit dem maximalen Zuschuss gefördert, wenn der Antragsteller einen Bombenschein (also eine Bestätigung der Kriegsschäden) vorlegen und die Unmöglichkeit der Wiederinstandsetzung der betroffenen Immobilie nachweisen konnte.[6] In Deutschland in der Nachkriegszeit konnten Bombenschein-Inhaber Bezugsscheine für Zement, Steine, Träger und andere Baumaterialien bekommen.[7] In den Ausführungsbestimmungen der Bundesländer Nordrhein-Westfalen und Hessen zum Bundesevakuiertengesetz wurde im Antragsformular für Personen-Rückführungen unter anderem auf den Bombenschein Bezug genommen.[8]

Faksimiles von Bombenscheinen bzw. Fliegerschadenscheinen Bearbeiten

Quellen / Zitate Bearbeiten

»Den Fürsorgeteil des Luftschutzes organisiert die NSDAP. Im November 1943 ernennt Hitler einen Reichsinspektor für den zivilen Luftschutz, den Propagandaminister Goebbels. Die einzige Propaganda, die jetzt noch etwas zählt, ist die Tat. So wird für die Bombenopfer etwas getan. Die NS-Volkswohlfahrt, der Bund deutscher Mädel, die NS-Frauenschaft nehmen sich der Geschädigten an. Die Sozialämter überrollt eine Flut von Bedürftigkeiten , die ein Heer von Notdienstverpflichteten sämtlicher Behörden [...] auffängt. Zwischen Sozialämtern und Partei wird in „Einsatzmappen“ vereinbart, wer wen behandelt. [...]

Im Nebenzimmer von Gaststätten schlägt er [der NS-Staat] Obdachlosensammelstellen auf. Übergangsweise vermitteln sie ein Sammelmassenquartier, gewöhnliche einen Schule, außen markiert mit gelb-blauem Transparent und Aufdruck 'N'. Darin sind, für Mann und Frau getrennt, Schlaf- und Aufenthaltsräume eingerichtet für bis zu 3000 Personen. [...] [bis hierhin S. 437]

In den Notunterkünften walten bereits Amtsstellen, die den Geschädigten Bezugsscheine für Lebensmittel und Kleider ausstellen, Gutscheine zur Teilnahme an der Gemeinschaftsverpflegung, Bescheinigungen für Familienunterhalt, Geldvorschüsse und spätere Entschädigung für verlorene Garderobe, Wäsche, Gebrauchsartikel usw. [...] Die Schuljugend war ab 1943 größtenteils evakuiert.

Die Sonderabteilung Wohnungsfürsorge verschaffte den Obdachlosen die nächste Bleibe, zuerst auf dem Wohnungsmarkt, später durch Beschlagnahme. In Soest fordert die Stadtverwaltung die ansässigen Juden auf, ihre Behausungen zu verlassen und den Luftkriegsgeschädigten zu übergeben. Der oft mangelhaft bedeckte Ausgebombte wird mit Notbekleidung ausgerüstet, die im Fliegergeschädigtenausweis vermerkt ist. Dieser enthält das genaue Profil der Schädigung: die Totalverluste, die Beschädigung von Fenstern, Türen, Vorhängen und Hausrat. Diese Dinge werden ersetzt oder entgolten; Leistungen, die der Betreuungsnachweis festhält, um keine Mißbräuche zu begünstigen. Gesundheitsschäden lassen sich über den „Heilfürsorgeausweis“ beheben. [S. 438]«

aus: Jörg Friedrich, »Der Brand – Deutschland im Bombenkrieg 1294–1945«, Propyläen, München 2002, ISBN 3-549-07165-5, ab S. 435 (Hervorhebungen von MYR67)

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» Die Betreuungsorganisation Die vom Luftkrieg getroffenen deutschen Städte hatten sich während des zweiten Weltkrieges ein umfassendes Betreuungssystem aufgebaut, das den von einem Fliegerangriff Betroffenen die erste Hilfe bringen sollte. Die für die erste Versorgung der Geschädigten erforderlichen Maßnahmen waren grundsätzlich nach den örtlichen Gegebenheiten einzurichten. Es war also keine reichseinheitliche Ausrichtung vorhanden. Sie wäre den stark differenzierten örtlichen Verhältnissen und Notwendigkeiten im übrigen auch nicht gerecht geworden. Gleichwohl wurden den Gemeinden allgemeine Richtlinien erteilt. [...] Die Betreuung der Fliegergeschädigten im 2. Weltkrieg lag in der Regel in der Hand der Sozialverwaltungen, die dabei als federführende Behörde von den übrigen städtischen Dienststellen unterstützt wurden. Sie erfüllten ihre Aufgabe in enger Zusammenarbeit mit der NSDAP und der NSV. Die Zuständigkeit der städtischen Ämter gegenüber der Partei bzw. der NSV war theoretisch klar abgegrenzt. Daß es dennoch oftmals zu Reibungen und Schwierigkeiten kam, lag an dem allumfassenden Führungsanspruch der Partei, der sich immer wieder durchzusetzen suchte. Der Ablauf der ersten Betreuung von Fliegergeschädigten ist am besten an einem Modellfall zu veranschaulichen. Gleich nach der Entwarnung wurden Sammelstellen geöffnet, die zu diesem Zweck vorbereitet worden waren. Dem Ausfall vorbereiteter Sammelstellen durch eigenen Bombenschaden war durch Erschließung von Ausweichstellen Rechnung getragen. Diese Sammelstellen wurden durch Leuchttafeln nach außen kenntlich gemacht. Sie dienten der Aufnahme von Personen, die obdachlos geworden waren, aber nicht bei Nachbarn oder Verwandten unterkommen konnten. In den Sammelstellen wurden besondere Dienststellen eingerichtet, in denen die verschiedenen beteiligten städtischen Ämter in der Zielsetzung zusammenwirkten, den Betroffenen umständliche Gänge zu den verschiedenen Behörden zu ersparen. Ihre Bezeichnung war verschieden: sie sind u. a. als „Notdienststellen“ und „Betreuungsstellen“ bekannt geworden. Die beteiligten städtischen Ämter waren in der Regel: das Wohlfahrtsamt, das Ernährungs- und Wirtschaftsamt, das Quartieramt, das Wohnungs- und Siedlungsamt, gegebenenfalls, soweit es nicht dem Wohlfahrtsamt angegliedert war, auch das Kriegsschädenamt. [...] Die Ausgebombten erhielten auch Ausweise, die, örtlich verschieden, unter mehreren Bezeichnungen liefen (Ausweis für Fliegergeschädigte, Bombenpaß usw.). Sie legitimierten die Betroffenen und wiesen den Schädigungsgrad (leicht, mittel, total) aus. Soweit es zur Behebung eines augenblicklichen Notstandes geboten war, konnten auf Sach- und Nutzungsschäden Vorauszahlungen geleistet werden. Fliegergeschädigte, die Lebensmittelkarten verloren hatten, erhielten Lebensmittelmarken („Fl.-Wochenkarten“); zur Deckung des Sofortbedarfs an Haushaltswaren wurden Einkaufsausweise u.ä. Bezugsrechte ausgegeben. Zum Ausfüllen der für die Schadensmeldung bei den Kriegsschädenämtern erforderlichen Formulare wurde Ausfüllhilfe geleistet. Bei Personenschäden wurden sogenannte „Tatbestandsberichte“ aufgenommen und „Heilfürsorgeausweise“ ausgestellt. „Erste Hilfe“ gewährte das Deutsche Rote Kreuz. Schließlich leitete man von den Sammelstellen aus auch die Evakuierungen ein und gab zu diesem Zweck „Fl.-Abreisebescheinigungen“ aus. [...] Besondere Probleme stellte die Verpflegung der Fliegergeschädigten in den ersten Tagen nach einem Luftangriff. Ursprünglich war sie Sache der Städte; ab 1942 ging die Zuständigkeit dafür auf die Partei, die NSV, über, wobei die Städte allerdings weiterhin tatkräftig mithelfen mußten. In den ersten Jahren galt es vielfach als ausreichend, die Gaststätten heranzuziehen. Diese Handhabung erwies sich aber schon bald als unzulänglich. Zunächst begnügte man sich mit nur wenigen Großküchen. [...] Die Darstellung der Betreuung der Fliegergeschädigten im zweiten Weltkrieg wäre unvollkommen, würde man nicht erwähnen, daß auch eine Reihe von örtlichen Sonderhilfen bekannt geworden ist; so standen dem Stiftungsamt der Stadt Stuttgart namhafte Stiftungsmittel zur Verfügung, mit denen in Einzelfällen wirksam geholfen werden konnte.«

Quelle: Erich Hampe, „Der Zivile Luftschutz im Zweiten Weltkrieg“, Bernard und Graefe Verlag, Frankfurt am Main 1963, Kapitel: „Die Betreuungsorganisation“, S. 412 bis 416; http://download.gsb.bund.de/BBK/Hampe/14_Betreuungsorganisation_S_412_416.pdf (Hervorhebungen von MYR67)

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»Mit solchen Bombenangriffen hatte man in der Stadt [Dessau] bereits gerechnet. Zahlreiche Luftschutzräume und Luftschutzbunker waren gebaut worden, es bestand ein Kriegsschädenamt und im Oktober 1943 wurde auch ein Amt für Betreuungsmaßnahmen nach Luftangriffen eingerichtet. Dieses Amt sollte die Sofortmaßnahmen nach den Luftangriffen koordinieren. Zusätzlich bildete die NSDAP entsprechende Einsatzstellen, die als erste Anlaufpunkte der durch die Bombenangriffe Geschädigten dienten. Hier wurden u.a. Ausweise für Fliegergeschädigte ausgegeben. Diese Ausweise dienten als Bescheinigungen über erste Hilfs- und Versorgungsmaßnahmen und erfassten die erlittenen Schädigungen.«

Quelle: Stadtarchiv Dessau-Rosslau, Archivalie des Monats Mai 2019, 02. Mai 2019, http://www.stadtarchiv.dessau-rosslau.de/post/fu2019_05/ (Hervorhebungen von MYR67)

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»Nach dem „1000-Bomber-Angriff“ vom 31. Mai 1942 war [in Köln] das „Sozialamt für Fliegergeschädigte“ eingerichtet worden. Eine seiner zentralen Aufgaben bestand darin, nach Bombenangriffen für obdachlos gewordene Kölner die notwendigen Essensrationen zur Verfügung zu stellen. Trotz aller kriegsbedingter Engpässe war das NS-Regime stets darum bemüht, die Versorgung der Bevölkerung auf einem hohen Niveau zu halten, damit es nicht, wie während des Ersten Weltkrieges, zu Unruhen und Revolten kam. Hierzu griff man auch auf den Besitz der emigrierten oder deportierten jüdischen Bevölkerung in Köln und Europa zurück. So wurden beispielsweise nach dem „1000-Bomber-Angriff“ Hunderte von Wohnungseinrichtungen mit Mobiliar und Hausrat aus dem besetzten Belgien oder den Niederlanden auf Schiffen nach Köln gebracht.« 

Quelle: Museen Köln, NS-Dokumentationszentrum, https://museenkoeln.de/ns-dokumentationszentrum/default.aspx?s=394

»Die während des Zweiten Weltkrieges jedermann vertrauten grünen „Ausweise für Fliegergeschädigte“ hielten in aller Regel nicht, was sie versprachen, da die durch Luftangriffe verlorenen Güter – trotz der großzügig gewährten finanziellen Entschädigung – häufig offiziell nicht mehr käuflich zu erwerben waren.« Ausweis für Fliegergeschädigte „Berechtigt nicht zu bevorzugtem Einkauf“ Der Leiter der Einsatzbefehlsstelle Sondereinsatz der NSDAP, Köln Bezirksstelle 23 Ernährungs- und Wirtschaftsamt https://museenkoeln.de/ns-dokumentationszentrum/default.aspx?s=394#!prettyPhoto[45677]/6/ https://museenkoeln.de/ns-dokumentationszentrum/medien/abb/394/4354_6374_lo.jpg (kleine Vorschau) https://museenkoeln.de/ns-dokumentationszentrum/medien/abb/394/4354_6374.jpg (Hervorhebungen von MYR67)

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Zur Betreuung dieser „Ausgebombten” richtete man in Braunschweig das „Sozialamt für Fliegergeschädigte” ein. Die Hauptaufgabe dieses Amtes bestand darin, die durch die Angriffe entstandenen sozialen Missstände der Geschädigten zu lindern. Da vielfältige soziale Notsituationen erwartet wurden, richtete man sieben verschiedene Hauptsachgebiete ein (u. a. Unterkunftsangelegenheiten, Hausratsicherung, Personenschäden, Bestattungsangelegenheiten).

Bild

Zur schnelleren Bearbeitung nach den Angriffen wurden sogenannte Auffangstellen eingerichtet, die einen ersten Anlaufpunkt für hilfesuchende Bürger bildeten, und eine Erstversorgung mit Nahrung und Kleidung vornahmen. Von hier aus wurden die Bürger dann einer der insgesamt 11 „Betreuungsstellen des Sozialamtes für Fliegergeschädigte“ am Rande des Stadtgebiets zugeleitet. Deren Personal wurde oft von geeigneten Bürgern gestellt, die dazu notdienstverpflichtet wurden. Sie mussten von den Geschädigten die entstandenen Schäden aufnehmen und stellten den Betroffenen die benötigten amtlichen Papiere (Kleinschadenausweis siehe links, Bombenpass (bei Total- und erheblich Geschädigten), Abreisebescheinigung) aus. Auch erste Geldmittel oder neuer Wohnraum konnten hier zugewiesen werden. Jedoch schon die Versorgung mit Kleidung und Lebensmitteln war durch die kriegsbedingte Zwangswirtschaft ein organisatorischer Kraftakt. Für Hemden und Mäntel wurden z. B. vom Wirtschaftsamt Bezugsscheine erteilt, während das Ernährungsamt Ersatzlebensmittelkarten ausgab und das dem „Sozialamt für Fliegergeschädigte” angegliederte „Amt für Raumbeschaffung” für die Zuteilung von Wohnraum zuständig war. Bis zu dieser Zuteilung konnten Ausgebombte in einer der 257 vorhandenen Notunterkünfte untergebracht werden. Wohnraum selbst stand allerdings nur beschränkt zur Verfügung, so dass bereits im „Merkblatt für Fliegergeschädigte” von Ende 1943 – Braunschweig war bis zu diesem Zeitpunkt noch nicht ernsthaft in den Fokus der alliierten Luftangriffe geraten – steht:

Quelle:

   »Durch leichtere oder mittlere Angriffe obdachlos gewordene Fliegergeschädigte werden dringend gebeten, selbst nach Möglichkeit für Unterkunft bei Verwandten oder Bekannten in Braunschweig oder im Wege der Nachbarschaftshilfe besorgt zu sein.
   Nach Großkatastrophen obdachlos gewordene Volksgenossen wollen sich ebenfalls nach Möglichkeit bei auswärtigen Verwandten um Unterkunft bemühen.« 

Für den Fall, dass in Braunschweig nicht mehr genügend Wohnraum vorhanden wäre, war ein sogenanntes „Räumungsgebiet” für die Stadt Braunschweig vorgesehen. Dabei sollten die obdachlosen Braunschweiger Bürger vornehmlich in den umliegenden kleineren Ortschaften und Dörfern eine neue Bleibe erhalten. Dieses Räumungsgebiet reichte im Norden bis über Vorsfelde hinaus, im Süden gar bis Walkenried im Harz. Im Westen reichte es bis über Seesen und im Osten bis nach Helmstedt. Jedem Ort war dabei ein bestimmtes Kontingent an aufzunehmenden Braunschweigern zugeordnet. So sollte etwa das benachbarte Wolfenbüttel 905 Personen aufnehmen.

Quelle: Bunker in Braunschweig , Kap.: „Ausgebombt“, http://bunker.amaot.info/bunker25a.htm (Hervorhebungen von MYR67)

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»Fliegerschadenschein Die im Volksmund „Fliegerschadenschein“ oder „Bombenschein“ genannten Formulare staatlicher Stellen bestätigten vom Luftkrieg Betroffenen ihren Status als Bombengeschädigte. Das Papier war nach Ausbombung Voraussetzung für die Aufnahem in Notunterkünfte oder die Zuweisung von Lebensmittelkarten und Hilfsgütern«

Quelle: Guido Knopp, „Der zweite Weltkrieg: Bilder, die wir nie vergessen”, Kap.: »Das Grauen des Bombenkrieges« ; https://books.google.de/books?id=xUmOBAAAQBAJ&pg=PT246&lpg=PT246 (Hervorhebungen von MYR67)

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Einzelnachweise Bearbeiten

  1. Kriegssachschädenverordnung vom 30. November 1940, Reichsgesetzblatt Teil I, Nr. 204 vom 4. Dezember 1940, S. 1547–1556, http://alex.onb.ac.at/cgi-content/alex?apm=0&aid=dra&datum=19400004&seite=00001547&zoom=2 ; abgerufen am 29. Februar 2020
  2. Siehe Faksimile des Ausweises für Fliegergeschädigte 1944; bei: Gelsenzentrum, Portal für Stadt- und Zeitgeschichte, http://www.gelsenzentrum.de/zeitgeist_fliegerschaden.htm ; abgerufen am 12. April 2020
  3. Bericht von Charlotte Joseph(y), in: Wolfgang Benz (Hg.), „Überleben im Dritten Reich: Juden im Untergrund und ihre Helfer“, C.H. Beck, München 2003, S. 27, https://books.google.de/books?id=j7oXM8BB4_0C&pg=PA27&lpg=PA27 ; abgerufen am 11. April 2020
  4. Provenienzforschung in kulturgeschichtlichen Museen, Margarete Rosenbohm-Plate, „Nicht nur für Bombengeschädigte! Judenmöbel – Hollandmöbel in Ostfriesland 1943/44. Ein Blick in die OTZ“, http://provenienzforschung.info/beitrage/nicht-nur-fuer-bombengeschaedigte-judenmoebel-hollandmoebel-in-ostfriesland-1943-44-ein-blick-in-die-otz/ ; s.a. Holger Frerichs, »Die „Aktion M” und die „Hollandmöbel“ in Jever und Varel (Landkreis Friesland) 1943/44«, Zentrum für Jüdische Geschichte und Zeitgeschichte der Region Friesland / Wilhelmshaven, Gröschler Haus, https://www.groeschlerhaus.eu/2918-2/
  5. Jörg Friedrich, »Der Brand – Deutschland im Bombenkrieg 1294–1945«, Propyläen, München 2002, ISBN 3-549-07165-5, S. 438
  6. Ingo Mörth, Linzer Kultur-Regionen – Entwurf einer Broschüre, Recherchen: Dr. Christiane Mörth, Mag. Andrea Schmolmüller, Dr. Ingo Mörth, Kap. 26: Kultur-Blitzlicht 9: „Ein Bombentreffer mit Spätfolgen“, S. 111, http://soziologie.soz.uni-linz.ac.at/sozthe/staff/moerthpub/LinzerKulturRegionen.pdf ; abgerufen am 11. April 2020
  7. Landesverband Berlin der Gartenfreunde e.V. (Hg.), Gabriele Gutzmann, „Zukunft der Berliner Kleingärten mit Schutzfrist 2020 - Beiträge aus den betroffenen Kleingartenanlagen“, Kap.: „Die Kolonie Am Heckerdamm in Berlin-Charlottenburg-Nord muss dauerhaft erhalten werden!“, S. 35, Berlin, 2015 ; https://www.kolonie-am-stadtpark.de/wp/wp-content/uploads/2019/03/Zukunft_Berliner_Kleing%C3%A4rten_-Schutzfrist-2020_LV_2015.pdf ; abgerufen am 11. April 2020
  8. Ministerialblatt für das Land Nordrhein-Westfalen, Ausgabe A, Jahrgang 1962, Nummer 52, 15. Mai 1962, S. 787 (= S. 11 der PDF-Datei unter https://recht.nrw.de/lmi/owa/br_mbl_show_pdf?p_jahr=1962&p_nr=52 ; abgerufen am 11. April 2020). Staatsanzeiger für das Land Hessen, 1954, Nr. 8, 20. Februar 1954, S. 179 (= S. 15 der PDF-Datei unter http://starweb.hessen.de/cache/STANZ/1954/00008.pdf ; abgerufen am 11. April 2020). Ministerialblatt für das Land Nordrhein-Westfalen, Ausgabe A, 7. ,Jahrgang 1954, Nr. 12, 13. Februar 1954, S. 154 (= S. 9 der PDF-Datei unter https://recht.nrw.de/lmi/owa/br_mbl_show_pdf?p_jahr=1954&p_nr=12 ; abgerufen am 11. April 2020).


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