Die s-Palatalisierung bezeichnet einen Lautwandel, bei dem der Stimmlose alveolare Frikativ /s/ als stimmloser postalveolarer Frikativ [ʃ] (der Laut, der in der deutschen Orthographie dem Trigraphen sch entspricht) ausgesprochen wird. Im Deutschen und vielen Deutschen Dialekten findet man man die s-Palatalisierung vor den Plosiven /p/, /t/ und /k/. Im Standarddeutschen findet man diesen Lautwandel in der Regel am Silbenanfang, so dass Stadt als [ʃtat] ausgesprochen wird. Dabei existiert jedoch eine beträchtliche sprachgeographische Variation; im südwestdeutschen Sprachraum betrifft die s-Palatalisierung oft alle Vorkommen von s vor Plosiven.

Am Silbenanfang

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Am Silbenanfang werden in allen genuin deutschen Wörtern die Kombinationen sp und st in der palatalisierten Form ausgesprochen z.B. Speise [ˈʃpaɪ̯zə], Stange [ˈʃtaŋə]. Die Lautkombinationen [ʃp] und [ʃt] finden sich häufig zu Wortbeginn, können in Komposita oder flektierten Formen jedoch auch in der Wortmitte vorkommen z.B. Gespenst [ɡəˈʃpɛnst], bestimmt [bəˈʃtɪmt]. Eine Ausnahme von dieser Regel sind manche Fremdwörter. Dabei variiert je nach Wort und Sprecher, welche Form verwendet wird. Eine Erhebung des Atlas der Atlas zur Aussprache des deutschen Gebrauchsstandards (AADG) untersuchte eine Reihe von Lehnwörtern auf die Aussprache des s-Lauts[1]:

  • Mehrheitlich nicht-palatalisierten ([sp] und [st]) werden Stil, Steak,Spray ausgesprochen. (Palatalisierte Formen finden sich insbesondere in der Schweiz und Südwestdeutschland).
  • Mehrheitlich palatalisiert ([ʃp] und [ʃt]) werden Standard, Statik, Statistik, Strategie, Struktur, Sponsor und Statue ausgesprochen. (Eine Ausnahme dazu bildete jedoch häufig das östliche Österreich, wo auch nicht-palatalisierte Formen vorkamen).

Die Kombination sk kommt heute in alten deutschen Wörtern nicht mehr vor; sie wurde im Mittelalter zu [ʃ] verschoben z.B. Schule (aus Althochdeutsch scuola). In neuere Lehnwörtern z.B. Skelett wird sk daher meistens nicht-palatalisiert ausgesprochen.

Norddeutscher Regiolekt

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Als typisch für den norddeutschen Regiolekt bzw. Missingsch gilt das komplette Fehlen der s-Palatalisierung; als typisches Schibboleth gilt der Ausdruck S-pitzer S-tein. Dieses Phänomen ist jedoch schon seit Jahrzehnten im Rückgang und ist heute nur noch bei älteren Sprechern in Teilen Schleswig-Holsteins, Hamburgs und dem östlichen Niedersachsen zu finden.[2][3]

Am Silbenende

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In den südwestlichen deutschen Dialekten (mit Zentrum Schweiz und Baden-Württemberg) findet die s-Palatalisierung auch am Silbenende statt z.B. Husten [ˈhuːʃtn̩] oder du machst [maxʃt]. Die Isoglosse, welche diese Dialekte abgrenzt, wird in der Literatur als fest-fescht-Linie bezeichnet. Die komplette Palatalisierung findet man in folgenden Dialekten:

In diesen Regionen gilt das Phänomen oft als markantes und bekanntestes Merkmal der entsprechenden Regiolekte; darüber hinaus wirkt es sich teilweise auch auf die Aussprache des Standarddeutschen, insbesondere im schwäbischen Raum und Vorarlberg. In der Schweiz dagegen, wo eine strikte Trennung zwischen Dialekt und "Schriftdeutsch" vorherrscht, hört man die Palatalisierung in der Aussprache des Standarddeutschen selten [4]. In den westlichen Gebieten (Saarland, Westpfalz) und den ostfränkischen Gebieten sind die Wörter Schwester und ist von der Palatalisierung ausgenommen. Die Palatalisierung von sp umfasst ein größeres Areal, als die Palatalisierung von st: Die meisten Bairischen Dialekte palatalisieren sp im Silbenende z.B. in Kasper [ˈkaʃpɐ], jedoch nicht st[5].

Entstehung

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Die s-Palatalisierung trat in Südwestdeutschland, Schweiz und Elsaß bereits im 11. Jahrhundert auf. Daher findet man sie nicht in der 3. Person Singular von Verben wie lassen, heißen oder lesen; diese endeten im Mittelhochdeutschen noch auf -et (er heißet etc.). Eine sekundäre Verschiebung wurde durch die so resultierende Homophonie zur 2. Person Singular verhindert: Du beisch(t) [baɪ̯ʃt], er beißt [baɪ̯st]. Das s in Samstag dagegen (aus Mittelhochdeutsch sameztac) wurde in vielen Regionen sekundär palatalisert. Ein ähnliches Phänomen ist die analoge Palatalisierung der Lautkombination sk in Lehnwörtern wie Muskel [ˈmʊʃkl̩] oder Skelett [ʃkeˈlɛt].

Die Kombination rst

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In der Kombination rst z.B. in Wurst [vʊʁʃt] findet man die Palatalisierung des s in einem wesentlich größeren Gebiet, welches auch Bayern, Österreich und Mitteldeutschland umfasst. Hier ist die Palatalisierung allerdings kein Effekt des folgenden /t/, sondern geht auf die mittelhochdeutsche Kombination rs zurück, welche auch in vielen Wörtern ohne t zu // verschoben wurde (z.B. in Kirsche).

  1. http://prowiki.ids-mannheim.de/bin/view/AADG/StimAnlautA
  2. http://www.welt.de/kultur/article10938617/Norddeutsche-verlieren-den-spitzen-Stein.html
  3. http://www.atlas-alltagssprache.de/stein/
  4. http://prowiki.ids-mannheim.de/bin/view/AADG/StimInlautBB
  5. Merkle, Ludwig (1993): Bairische Grammatik. 5. Aufl. München: Hugendubel.