Wie bei Variationswerken üblich, beginnt und schließt die Komposition mit dem Thema - von Bach hier als Aria bezeichnet. Zwischen den Auftritten des Themas liegen dreißig Variationen, die Bach mit unterschiedlichen Mitteln strukturiert. Zum einen verdeutlicht er eine große Zweiteilung, indem er die 16. Variation als französiche Ouvertüre ausbildet, die im Barock traditionell zur Einleitung umfangreicher nicht-geistlicher Werke verwendet wurde, besonders von Suiten. Ganz ähnlich hatte Bach zuvor schon in Clavierübung I die zweite Hälfte durch eine französische Ouvertüre (den ersten Satz der 4. Partita) eingeleitet.

Andererseits bilden jeweils drei aufeinanderfolgende Variationen eine zusammengehörige Gruppe, meist bestehend aus einem Charakterstück, einem virtuosen Duett und abschließendem Kanon – in dieser Sicht besteht das Werk also aus zehn Dreiergruppen. Andere Werke Bachs bringen ebenfalls mehrere verschiedene Musikarten zusammen und verzahnen sie miteinander, aber meist nicht in einer derart regelmäßig gebauten Weise. So führt etwa das Musikalische Opfer drei Elemente zusammen: Kanons, eine Triosonate mit einem oder zwei ergänzenden Sätzen, sowie zwei in historisierendem Stil gehaltene Cembalo-Solostücke. Doch sind die Einzelelemente länger, und Bach macht sich nicht die Mühe, deren Abfolge genau vorzuschreiben.

Charakterstücke

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Als Charakterstück werden hier Sätze angesprochen, die mehr oder weniger deutlich auf eine bestimmte Stilrichtung anspielen und von Bach oft mit einer Überschrift versehen wurden. Hier finden sich verschiedene Tanzformen, eine Toccata, eine Fughette, zwei Arien, die erwähnte französische Ouvertüre und ähnliches. Neuerdings wurde versucht, einige dieser Sätze mit den zu Bachs Zeit bekannten Planeten in Beziehung zu setzen[1], doch wird dieser Ansatz als willkürlich kritisiert.

Als Duette bezeichnen wir hier im Wesentlichen zweistimmige Stücke, die deutlich für die beiden Hände eines Cembalisten geschrieben sind und diese einander gegenüberstellen – oft überkreuzen sich die Hände. Bach hatte im dritten Teil seiner Clavierübung derartige Sätze mit diesem Titel versehen. Innerhalb der Goldbergvariationen machen sie eine deutliche Entwicklung durch: Erinnern die ersten derartigen Sätze noch deutlich an zweistimmige Inventionen, steigern sich die spieltechnischen Anforderungen schnell, bis gegen Ende die beiden Hände auch in Terz- und Sextparallelen gegen einander geführt werden und die Sätze virtuose Herausforderungen bieten. Einige Musikwissenschaftler sprechen diese Sätze als Polonaisen an[2].

Jeder dritte Satz in den Goldbergvariationen ist ein Kanon, wobei Bach das Imitationsintervall auch in den Titeln erwähnt. Damit verdeutlicht er das stufenweise Ansteigen der Imitationsintervalle. Die ersten acht Kanons sind zweistimmig, beginnend in der Prim bis zur Oktav: Bach oktaviert dieses Intervall nicht und fügt, um einen vollen Satz zu erreichen, immer eine begleitende Bassstimme hinzu. Erst der neunten Kanon (in der None) ist dann zweistimmig ohne Begleitung. An die Stelle des zehnten tritt ein Quodlibet (siehe unten).

Satzübersicht

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Die Arie


Variationen 1, 2, 3

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Nach der Arie beginnen die eigentlichen Variationen mit einer zweistimmige Invention, mithin einem Duo, in dem ein mordentartiges Motiv eine enge Verzahnung der beiden Stimmen andeutet und gleichzeitig für motivische Einheitlichkeit und Zusammenhang des Satzes sorgt. In dieser allerersten Dreiergruppe nimmt sich Bach also eine gewisse Freiheit von der eben beschriebenen Abfolge Charakterstück - Duo - Kanon, denn er vertauscht die beiden ersten Elemente.

Der zweite Satz im Zweivierteltakt führt zwei imitierende Oberstimmen über einen unthematischen Achtelbass, wie ein Ausschnitt aus einer Triosonate. Es könnte sich um eine stilisierte Gavotte handeln.

Der abschließende Kanon (Variatio 3. Canone all' Unisono a 1 Clav.) bringt zwei Oberstimmen im 12/8-Takt über einen bewegten Bass in Achteln und Sechzehnteln und ähnelt so ein wenig dem ersten Satz der ersten Gambensonate oder auch dessen Urfassung für zwei Flöten und Continuo.

Variationen 4, 5, 6

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First 8 bars of the fourth variation.

Satz 4 ist eine vierstimmige kontrapunktische Studie im 3/8 Takt; die Stimmen imitieren in engem Abstand ein Dreiklangsmotiv. Der Satz stilisiert den Typ eines Passepieds.

Nun beginnt ein fast ununterbrochener, rasanter Sechzehntellauf über stützenden getupften Vierteln, die zwischen Bass- une Diskantregister wechseln. Schnell wechseln die beiden Stimmen ihre Funktionen. Dieser Satz ist der virtuoser Höhepunkt einer klar angelegten Steigerung von Beginn.

Die Dreiergruppe wird abgeschlossen von einem Kanon in der Sekunde im 3/8-Takt, der in Art und Gestus die ruhigen Passagen der Blockflöten unmittelbar vor dem virtuosen Violinsolo im ersten Satz des Vierten Brandenburgischen Konzerts heraufbeschwört.

Variationen 7, 8, 9

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789

  • Variatio 7. a 1 ô vero 2 Clav. (zweistimmig)
  • Variatio 8. a 2 Clav. (zweistimmig)
  • Variatio 9. Canone alla Terza a 1 Clav. (dreistimmig)

Al tempo di Giga schrieb Bach zur siebten Variation in sein Handexemplar, also „Im Tempo (und nach Art) einer Gigue“. Der beschwingte, tänzerische Charakter wird in dem hellen Klangbild sehr deutlich.

Es folgt eine zweistimmige Invention XX

Der die Dreiergruppe abschließende Terzkanon lässt die zweite Stimme nicht höher, sondern tiefer einsetzen. XX

Variationen 10, 11, 12

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Variation 10 wurde von Bach in seinem Handexemplar des Drucks eigenhändig als Fughetta bezeichnet, also als eine Fuge von eher kleiner Ausdehnung mit geringerem Anspruch. Die Themen setzen durchweg regelmäßig alle vier Takte ein, in der ersten Hälfte abwechselnd auf Tonika und Dominante, in der zweiten Hälfte modulieren sie von der Doppeldominante zurück zur Tonika. Gleichzeitig spielt der Satz an den Charakter einer Gavotte an.

Das folgende Duett ist durch eine durchgehende Triolenbewegung von vorne bis hinten gekennzeichnet, die die mesite Zeit auch in beiden Händen gleichzeitzig stattfindet.

Wie der vorhergehende Kanon lässt auch der nun folgende Kanon in der Quarte die zweite Stimme tiefer einsetzen und imitiert außerdem das Thema in der Umkehrung.


Variationen 13, 14, 15

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Satz 13 trägt keine Bezeichnung, aber es handelt sich eindeutig um eine Arie für eine Oberstimme und stützende Akkorde, ein wenig im Charakter einer Sarabande.

Der nächste Satz basiert auf einem Mordentmotiv, das XX Nach der vorhergehdnenDIeses Duett XX

Variation 15 steht nun in Moll und bringt – auch durch das ruhig fließende Tempo (Bach schreibt Andante vor) – eine ganz neue Atmosphäre. Es ist ein Kanon in der Quint, und wieder imitiert die zweite Stimme in der Umkehrung. Der Satz ist geprägt von Seufzermotiven und

Schlussfloskel lässt den Hörer alleine.

Variationen 16, 17, 18

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  • Variatio 16. Ouverture a 1 Clav. (Französische Ouvertüre in punktiertem Rhythmus mit dreistimmigem Fugato)
  • Variatio 17. a 2 Clav. (zweistimmig)
  • Variatio 18. Canone alla Sexta a 1 Clav. (dreistimmig)

Die französische Ouvertüre macht deutlich, dass Bach an dieser Stelle eine Zäsur setzen wollte – sie leitet den zweiten Teil des Zyklus’ ein. Nach einer festlichen Eingangspassage in punktierten Rhythmen folgt ein dreistimmiges Fugato.

Der nächste Satz, das Duett, lehnt sich wieder en g an das Vorbild zweistimmige Inventionen an;

Dreistimmiger Kanon in der Sexte. Als einziger Kanon wird er schon nach einem halben Takt beantwortet, also XX

Variationen 19, 20, 21

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  • Variatio 19. a 1 Clav. (dreistimmig)
  • Variatio 20. a 2 Clav.
  • Variatio 21. Canone alla Setima a 1 Clav. (dreistimmig)

Eine Art Ländler, dreistimmig. Menuett?Abhängig vom tempo: Passepied oder Polonaise.

in variation 20 wechselt die

Variationen 22, 23, 24

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  • Variatio 22. a 1 Clav. (vierstimmig)
  • Variatio 23. a 2 Clav. (zweistimmig)
  • Variatio 24. Canone all' Ottava a 1 Clav. (dreistimmig)

Bach bezeichnete den ersten Satz dieser Dreiergruppe als alla breve; es ist ein kontrapunktischer Satz im Stil etwa einer Gavotte. Gavotte-Charakter?

Einschnitt, gewisser Abschluss durch die Oktave.

Variationen 25, 26, 27

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  • Variatio 25. a 2 Clav. (Melodie und Begleitung)
  • Variatio 26. a 2 Clav.
  • Variatio 27. Canone alla Nona a 2 Clav. (zweistimmig)

Der zweite Satz mit Moll-Vorzeichen – und diesmal mit der Tempobezeichnung „adagio“: Dies lässt einen deutlichen Einschnitt erwarten, und tatsächlich bildet der Satz das emotionale Herzstück der gesamten Komposition. Forscher vermuten, dass es als eine Art Tombeau für die 1720 verstorbene Maria Barbara Bach konzipiert ist, Bachs erste Ehefrau, und zugleich für seinen Sohn

Es handelt sich um eine schmerzlich-klagende Arie mit Sarabendencharakter, voll Seufzermotiven und chromatischen Gängen.


Nach diesem Höhepunkt setzt Bach bewusst tief an mit einem schlichten, rein zweistimmigen Kanon. Die Einfachheit wird ihm bis zum Schluss eine angemessene Schlusssteigerung erlauben.

Variationen 28, 29, 30

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  • Variatio 28. a 2 Clav.
  • Variatio 29. a 1 ô vero 2 Clav.
  • Variatio 30. Quodlibet. a 1 Clav. (vierstimmig)

Die letzte Dreiergruppe bietet als Abschluss noch ein paar Überraschungen. Zunächst werden - wie in der allerersten - die Positionen von Charakterstück und Duett vertauscht. Sie beginnt also mit einem Duett, das aber gleich von Anfang an das Bild der beiden einstimmigen Hände ins Gigantische vergrößert...

Es folgt wieder das 'Charakterstück' - eine Folge wechselnder schneller Läufe und abweschelnder Akkorde der Hände. Derartige Sätze kennt man in der Barockmusik als Toccaten.

Abschließend wäre nun wieder ein Kanon zu erwartend. Stattdessen bietet Bach hier ein Quodlibet - eine kontrapunktische Form, die verschiedene Volkslieder zeilenweise zusammenfügt – diese Lieder waren zur Entstehungszeit bekannte Gassenhauer.

Der Druck schließt mit der Anweisung, die zugrundeliegende Arie zu wiederholen.

  1. David Humphreys: More on the Cosmological Allegory in Bach's Goldberg Variations, in: Soundings 12 (1984)
  2. Heinz Hermann Niemöller: Polonaise und Quodlibet, in: Musik-Konzepte 421985, ISBN 3-88377-197-X