Julius Lober (* und † im 16. Jahrhundert) war ein täuferischer Wanderprediger, dessen Wirkungsfeld insbesondere im süddeutschen Raum lag. Bekanntheit erlangte er vor allem durch eine Sammlung von Handschriften, die bei der Verhaftung seiner Ehefrau entdeckt und konfisziert wurden. In der Sammlung fand sich unter anderem ein täuferisches Martyrologium, in dem zwischen 1527 und 1531 erfolgte Hinrichtungen von Täufern dokumentiert werden. Weitere Handschriften gehen auf Wilhelm Reublin, David Burda, Hans Schlaffer, Leonhard Schiemer, Christian Hitz und Hans Hut zurück. Bei ihnen handelt es sich allerdings nicht um Originale, sondern um Abschriften, die wahrscheinlich im süddeutschen und mährischen Raum angefertigt worden sind.

Leben Bearbeiten

Über Herkunft, Kindheit und Jugend Julius Lobers schweigen die Quellen. Daten und Fakten seiner Biographie orientieren sich im Wesentlichen an den protokollierten Verhören, den er sich nach seiner Festnahme am 10. April 1531 zu unterziehen hatte.[1] Danach stammte Lober, ein ehemaliger römisch-katholischer Priester, aus Zürich. Mitte der 1520er Jahre zog er nach Straßburg. Seinen Unterhalt verdiente er dort als Schneidergeselle.[2] Ein weiterer Geselle mit Vornamen Jerg – so Lober in einem Verhör am 12. Mai 1531 – habe ihn dort wegen seines sündhaften Lebenswandels angesprochen und ihn in diesem Zusammenhang auf die Heilige Schrift verwiesen. Er habe dann selbst in der Bibel gelesen und sei ihr „gevolgt, bis er der in rechten verstand“ gekommen sei.[3] Es ist die Vermutung geäußert worden, dass es sich bei dem erwähnten Gesellen Jerg um den aus München stammenden Täufer, Meistersinger und Schwärmer Jörg Schechner handeln könnte.[4] In diesem Zusammenhang wurde unter anderem darauf verwiesen, dass die Zeilen 189 – 193 in Schechners Meistersingerlied Nr. 6[5] in Lobers Urgicht ähnlich wiedergegeben werden.[6]

In Straßburg, Mähren und Franken Bearbeiten

 
Burg Hoheneck

Ab 1526 gab es Kontakte zwischen Julius Lober und Straßburger Täufern. Getauft wurde er allerdings erst vier Jahre später durch Wilhelm Reublin. Im Anschluss an die Taufe zog er – vermutlich gemeinsam mit dem Ehepaar Reublin – ins mährische Rossitz, kehrte aber von dort noch vor Weihnachten desselben Jahres in den Südwesten des Reiches zurück und wanderte dabei über Franken. Nach seiner Rückkehr wählte ihn die Täufergemeinde in Bruchsal zu ihrem Vorsteher und schickte ihn kurze Zeit später gemeinsam mit Bernhard Weith und dessen Frau als Sendboten zu den fränkischen und mährischen Täufergemeinden.[7]

Während seiner Gemeindebesuche im Fränkischen wohnte Lobers Ehefrau im Haus des Täufers Ulrich Hutscher[8] in Oberntief bei Windsheim und wurde mit ihm Anfang April 1531 durch den brandenburgischen Amtmann Albrecht Gailing festgenommen und auf die Burg Hoheneck verbracht. Bei den im Zusammenhang der Verhaftung vorgenommenen Durchsuchungen fand man bei Lobers Frau eine größere Sammlung von täuferischen Handschriften, die von ihrem Mann zusammengetragen worden waren und die er bei seinen Reisen mitführte. Als Julius Lober von der Inhaftierung Hutschers und seiner Frau erfuhr, begab er sich am 8. April zur Burg Hoheneck, um den Grund für die polizeilichen Maßnahmen zu erfahren. Daraufhin nahm Gailing auch ihn gefangen.[9]

Gütliche und peinliche Verhöre Bearbeiten

 
Georg der Fromme (nach einem Cranach-Gemälde)
 
Andreas Althammer

Gailing meldete die Verhaftungen am 10. April 1531 seinem Landesherrn Markgraf Georg von Brandenburg, der wegen seiner festen lutherischen Überzeugung auch Georg der Fromme genannt wurde.[10] Die gefangenen Täufer – unter ihnen auch Bernhard Weith – wurden nach Ansbach überstellt und dort im Auftrag des Markgrafen von folgenden Geistlichen zum Teil unter Anwendung von Folter verhört: Andreas Althamer, der bereits mehrere Traktate gegen die Täufer verfasst hatte, sowie Sigmund Schneeweis und Johann Rurer. Der aus Bruchsal stammende Bernhard Weith war zum Widerruf bereit und wollte sich wieder der evangelischen Kirche anschließen. Er wurde begnadigt, während die anderen Häftlinge bei ihren täuferischen Auffassungen verblieben und deshalb weiteren gütlichen und peinlichen Verhören unterzogen wurden.

Haupttema der folgenden Disputationen war die Kindertaufe. Es gelang den beteiligten Theologen nicht, Lober von der er akzeptierte auch nicht die Aussagen der Theologen, die ein Kind glauben könnte. Er erklärte, er werde bei seiner Vorstellung von der Taufe bleiben, die ihm als Erwachsener zuteil geworden sei. Auch Luthers Abendmahlslehre konnte er nicht akzeptieren; der Leib Christi war zu seinem Trost gekommen, und durch das Blut Christi war er von seinen Sünden gerettet worden. Gehorsam und Steuern sind der Regierung geschuldet. Aber er konnte keinen Eid schwören. Von Gemeinschaft der Frauen wusste er nichts. "Wenn ihn jemand so etwas lehren sollte, würde er sagen, dass diese Lehre vom Teufel und nicht von Gott stammt." Er befürwortete auch keine Gütergemeinschaft , aber er war bereit, seinem in Not geratenen Bruder ohne Zwang aus brüderlicher Liebe zu helfen. Die Bestrafung der Bösen gehört nur Gott. Nach Abschluss des Kreuzverhörs und der Bekehrungsversuche erklärte Lober, er werde von seinem Glauben nicht ablassen; ebenso sprach sein Mithäftling Ulrich Hutscher. Ein weiterer Versuch der Geistlichen, die Häftlinge vom Glauben abzubringen, blieb erfolglos, während der dritte Häftling, Bernhard Wei aus Bruchsal, um Gnade bat und sich zum Eintritt in die Landeskirche (TA) bereit erklärte .

Taufsukzession Bearbeiten

Die Linie der Taufsukzession geht bei Julius Lober (Anfang 1530) über Wilhelm Reublin (Januar 1525), Jörg Blaurock (Januar 1525) auf Konrad Grebel (Januar 1525) zurück. Die in Klammern gesetzten Daten bezeichnen das jeweilige Taufdatum. Belege dazu finden sich in den Biographieartikeln der erwähnten Personen.

Mitgeführte Handschriften Bearbeiten

Handschriftliche Liste der Täufermärtyrer Bearbeiten

Die handschriftliche Märtyrerliste, die im Zusammenhang der Festnahme bei Julius Lober gefunden worden ist, findet sich im V. Band der Quellen zur Geschichte der Täufer abgedruckt,[11] im Auszug auch bei Hans Guderian.[12] Das Original befindet sich bei den Ansbacher Religionsakten im Staatsarchiv Nürnberg.[13] Die Frage, ob die Liste von Lober selbst verfasst worden ist oder von anderer Hand stammt, muss unbeantwortet bleiben.[14] Sie enthält über 50 Orte im süddeutschen Raum, in denen Täufer wegen ihrer Glaubensüberzeugungen hingerichtet sowie in zwei Fällen schwer misshandelt worden sind. Die Liste ist unterteilt in „stet an der tunow“ (= „Orte an der Donau“) und „stet am rin“ (= „Orte am Rhein“), wobei diese geographischen Zuordnungen sehr ungenau sind.

Brief an Marbeck (Wilhelm Reublin) Bearbeiten

Das 13 capiteln zum Römern (David Burda) Bearbeiten

 
Titelseite der Schrift Das 13 capiteln zum Römer

Kurzer Unterricht zum Anfang eines rechten christlichen Lebens (Hans Schlaffer) Bearbeiten

Auslegung zu 1. Korinther 11,20–34 (anonym) Bearbeiten

Von dreierlei Taufe (Leonhard Schiemer) Bearbeiten

Von dreierlei Gnade, Vater Unser und Fläschlein (Leonhard Schiemer) Bearbeiten

Rechtschaffener Glaube (Christian Hitz) Bearbeiten

Entschuldigungsbrief (Hans Hut?) Bearbeiten

Konkordanz Die sieben Urteile (Hans Hut) Bearbeiten

Trostbrief (Hans Hut?) Bearbeiten

Literatur (Auswahl) Bearbeiten

Die folgende Liste ist nach Verfassern in alphabetischer Reihenfolge sortiert.

  • Josef Beck: Die Geschichts-Bücher der Wiedertäufer in Oesterreich-Ungarn. Vienna, 1883 (Reprint: Nieuwkoop: De Graaf, 1967)
  • Peter Burschel: Sterben und Unsterblichkeit. Zur Kultur des Martyriums in der frühen Neuzeit. Oldenbourg Verlag: München, 2004. ISBN 9783486568158. S. 159–167
  • Hans Guderian: Die Täufer in Augsburg. Ihre Geschichte und ihr Erbe. Ein Beitrag zur 2000–Feier der Stadt Augsburg. W. Ludwig Verlag: Pfaffenhofen 1984. ISBN 3-7787-2063-5. S. 95f
  • Christian Hege / Christian Neff: Artikel Lober, Julius (16. Jahrhundert). In: Mennonitisches Lexikon. Band IV. Hege: Frankfurt und Weierhof 1913; Schneider: Karlsruhe 1967. S. 675–677
  • J. E. Jorg: Deutschland in der Revolutions-Periode 1522-1526. Freiburg, 1851. S. 706
  • Wolfgang Schäufele: Das missionarische Bewußtsein und Wirken der Täufer. Dargestellt nach oberdeutschen Quellen. 21. Band in der Reihe Beiträge zur Geschichte und Lehre der Reformierten Kirche. Neukirchener Verlag des Erziehungsvereins GmbH: Neukirchen-Vluyn 1966. S. 106; 142; 247; 296f
  • Karl Schornbaum: Quellen zur Geschichte der Wiedertäufer, II. Band: Markgraftum Brandenburg. (Bayern I. Abteilung). M. Heinsius Nachfolger: Leipzig, 1934. S. 217–229
  • Karl Schornbaum: Zur Politik des Markgrafen Georg von Brandenburg. München 1906
  • Gotfried Seebaß: Müntzers Erbe. Werk, Leben und Theologie des Hans Huts. Band 73 in der Reihe Quellen und Forschungen zur Reformationsgeschichte. Gütersloher Verlagshaus: Gütersloh, 2002. ISBN 3-579-01758-6. S. 12; 84f; 87; 303.
  • Wilhelm Wiswedel: Bilder and Führergestalten aus dem Täufertum. J.G. Oncken Verlag: Kassel, 1928–1952. S. 31

Weblinks Bearbeiten

Einzelnachweise Bearbeiten

  1. Karl Schornbaum: Quellen zur Geschichte der Wiedertäufer, II. Band: Markgraftum Brandenburg. (Bayern I. Abteilung). M. Heinsius Nachfolger: Leipzig, 1934. S. 216–219; 237–240; 241-243; 243–247; 259–262
  2. Peter Burschel: Sterben und Unsterblichkeit. Zur Kultur des Martyriums in der frühen Neuzeit. Oldenbourg Verlag: München, 2004. S. 160, Anmerkung 1
  3. Karl Schornbaum: Quellen zur Geschichte der Wiedertäufer, II. Band: Markgraftum Brandenburg. (Bayern I. Abteilung). M. Heinsius Nachfolger: Leipzig, 1934. S. 243 (Urgicht des Julius Lober von Zürich [12. Mai 1531])
  4. Friedrich Roth: Zur Geschichte der Wiedertäufer in Oberschwaben. Folge III: Der Höhepunkt der wiedertäuferischen Bewegung in Augsburg und ihr Niedergang im Jahr 1528. In Zeitschrift des Historischen Vereins in Schwaben und Neuburg. Band 28 (1901). S. 126
  5. Irene Stahl: Jörg Schechner. Täufer – Meistersinger – Schwärmer. Ein Handwerkerleben im Jahrhundert der Reformation. Band 5 in der Reihe Würzburger Beiträge zur deutschen Philologie. Würzburg: Königshausen & Neumann, 1991. ISBN 3-88479-563-5. S. 95–104; hier: S. 101
  6. Karl Schornbaum: Quellen zur Geschichte der Wiedertäufer, II. Band: Markgraftum Brandenburg. (Bayern I. Abteilung). M. Heinsius Nachfolger: Leipzig, 1934. S. 244; Abschnitt 5 (Urgicht des Julius Lober von Zürich [12. Mai 1531])
  7. Gottfried Seebaß: Müntzers Erbe. Werk, Leben und Theologie des Hans Hut. Band 73 in der Reihe Quellen und Forschungen zur Reformationsgeschichte. Gütersloher Verlagshaus: Gütersloh 2002. S. 83
  8. Zu Ulrich Hutscher siehe Wilhelm Wiswedel: Hutscher, Ulrich (16th century). In: Global Anabaptist Mennonite Encyclopedia Online. 1956. (online); eingesehen am 25. Mai 2023.
  9. Gottfried Seebaß: Müntzers Erbe. Werk, Leben und Theologie des Hans Hut. Band 73 in der Reihe Quellen und Forschungen zur Reformationsgeschichte. Gütersloher Verlagshaus: Gütersloh 2002. S. 83
  10. Der Brief ist abgedruckt bei Karl Schornbaum: Quellen zur Geschichte der Wiedertäufer. II. Band: Markgrafentum Brandenburg (Bayern I. Abteilung). M. Hensius Nachfolger: Leipzig, 1934. S. 216f (Nr. 241).
  11. Karl Schornbaum: Bayern, II. Abteilung. Reichsstädte: Regensburg, Kaufbeuren, Rotheburg, Nördlingen, Schweinfurt, Weißenburg. Band V in der Reihe Quellen zur Geschichte der Täufer (Band XXIII in der Reihe Quellen und Forschungen zur Reformationsgeschichte [Herausgeber: Verein für Reformationsgeschichte]). C. Bertelsmann Verlag: Gütersloh 1951. S. 278f
  12. Die Täufer in Augsburg. Ihre Geschichte und ihr Erbe. Ein Beitrag zur 2000–Feier der Stadt Augsburg. W. Ludwig Verlag: Pfaffenhofen 1984. S. 96
  13. Peter Burschel: Sterben und Unsterblichkeit. Zur Kultur des Martyriums in der frühen Neuzeit. Oldenbourg Verlag: München, 2004. S. 162 (Abbildung der Liste)
  14. Peter Burschel: Sterben und Unsterblichkeit. Zur Kultur des Martyriums in der frühen Neuzeit. Oldenbourg Verlag: München, 2004. S. 159