Aufmarsch der Heimwehr und des Schutzbundes in Wiener Neustadt 1928

Konfrontation der paramilitärischen Verbände der Heimwehr und des Schutzbundes am 7. Oktober 1928

Der Aufmarsch der Heimwehr und des Schutzbundes in Wiener Neustadt war eine Konfrontation der paramilitärischen Verbände der Heimwehr (Österreichischer Heimatschutz) und des Schutzbundes am Sonntag, den 7. Oktober 1928 in Wiener Neustadt in Niederösterreich. Räumlich und zeitlich auseinandergehalten wurde die Konfrontation durch starke Verbände der Bundesgendarmerie und des Bundesheeres unter Bundeskanzler Ignaz Seipel mit einer Heerschau und Besetzung von Wiener Neustadt und der Einrichtung von sogenannten Neutralen Zonen am Samstag, den 6. Oktober. Die Möglichkeit eines Bürgerkrieges zur Beendigung der Republik bewirkte internationales Interesse und eine starke Beteiligung von ausländischen Journalisten und Fotografen.

Versammlung der Formationen der Heimwehr am 7. Oktober 1928 morgens auf der Neuklosterwiese beim Stift Neukloster (mittig im Hintergrund die zwei Dachreiter der Stiftskirche erkennbar, rechts davon die zwei Türme des Doms erkennbar), Fotograf Georg Pahl wohl erhöht von der provisorischen Tribüne aus fotografiert (Bundesarchiv).
Der Bundesführer der österreichischen Heimwehr Richard Steidle (Mitte), der stellvertretende steirische Führer Reinhart Bachofen von Echt (links) und der steirische Kreisführer Hans von Pranckh (rechts hinten), Foto auf der Heimwehr-Tribüne auf der Neuklosterwiese am 7. Oktober 1928
Der Tag, Extra-Ausgabe, 7. Oktober 1928

Vorgeschichte Bearbeiten

Nach dem Ende des Ersten Weltkrieges mit der Auflösung der Österreich-Ungarn und der damit verbundenen Auflösung der Gemeinsamen Armee versuchten die jeweiligen Soldaten von den Frontgebieten in ihre jeweilige Heimat zu gelangen. Diese ehemaligen Soldaten mit Hunger und Frustration und großteils ohne Zwang und Führung begannen Plünderungen und Übergriffe auf die Bevölkerung. Im Gegenzug bildeten sich teils örtliche Bürgerwehren gegen die durchziehenden Soldaten. So bildete Ende Oktober 1918 der damalige Amtsrat Edmund Scheidtenberger und spätere Oberbürgermeister in der NS-Zeit eine sogenannte Stadtwehr. Weiters versammelten sich die sogenannten Bürger um den Fabrikanten Bauer in der Zeughauskaserne und die sogenannten Arbeiter mit dem Lokomotivführer Josef Püchler im Arbeiterheim, wobei sich diese Formationen mit Waffen aus den Heeresbeständen versorgten.

Der Unterstaatssekretär für Heereswesen Julius Deutsch schuf aus heimkehrenden Soldaten die Volkswehr, welche er am 3. November 1918 auf Deutschösterreich installierte und vereidigte und die nun von staatlicher Seite den Schutz der Bevölkerung gegen Plünderungen und Ausschreitungen durchziehender ehemaliger Soldaten, Kriegsgefangener und Zwangsarbeiter aufnahm. Das bürgerliche Lager bzw. die Christlichsoziale Partei sahen in der Volkswehr eine Parteiarmee und die Drohung der Errichtung einer Diktatur des Proletariats. Wie in anderen Stadtgemeinden in Deutschland und Österreich kam es in Wiener Neustadt zur Bildung eines Arbeiter- und Soldatenrates, welcher in den ersten Jahren nach dem Krieg einen großen Einfluss auf die Politik des Stadtgemeinde ausübte. Der politische Versuch in Österreich eine Räterepublik zu installieren scheiterte im Juni 1919.

Der Wiener Justizpalastbrand am 18. Juli 1927 bewirkte ein Zusammenrücken der antidemokratischen, bürgerlichen und reaktionären Kräfte. An den Maßnahmen gegen den damit verbundenen kurzzeitigen Generalstreik war die Heimwehr beteiligt, indem sie Bahnhöfe und Post- und Telegrafenämter besetzten. Im Juli 1927 kündigte der Rechtsanwalt und Heimwehrführer Walter Pfrimer[1] bei einer Rede in Anlehnung an Benito Mussolini mit dem Marsch auf Rom (1922) einen Marsch auf Wien an. Da aber der amtierende Bundeskanzler Ignaz Seipel sich 1920 an ausländische faschistische Regierungen und Organisationen um finanzielle Unterstützung für die Heimwehr gewandt hatte, wäre dies ein Affront gegen den mehr als nur wohlgesinnten Bundeskanzler gewesen. Also wählte sich die Führung der Heimwehr das rote Wiener Neustadt im Industrieviertel, eine durch Fabriksansiedlungen bedingte Hochburg der Sozialdemokratie.

Das kolportierte Schlagwort der Heimwehr war, das Monopol der Sozialdemokraten auf die Beherrschung der Straßen zu brechen. Hintergrund dafür waren die traditionellen Umzüge und Bittgänge und Prozessionen zu den verschiedensten Anlässen mit Fahnen der katholischen Kirche und von Burschenschaften und bürgerlichen Vereinigungen die das Bild der Dörfer und Städte beherrschten. Erst gegen Ende des 19. Jahrhunderts gelang es der Arbeiterschaft gegen Verbote und Schikanen der Behörden zum Ersten Mai Genehmigungen für Aufmärsche zu erlangen. Die 1.-Mai-Kundgebungen – 1889 in Paris beschlossen – zielten auf die Einführung des Allgemeinen Wahlrechtes und auf die Einführung des Achtstundentages.

Vorbereitungen Bearbeiten

Am 5. Juni 1928 meldete die lokale Ortsgruppe des niederösterreichischen Heimatschutzverbandes in Wiener Neustadt für den 6. und 7. Oktober 1928 eine Heimatschutz-Tagung an, wo 20.000 bis 25.000 Teilnehmer veranschlagt wurden, welche in Wiener Neustadt und Umgebung untergebracht werden sollten. Nach verschiedenen Publikationen meldete auch die Sozialdemokratische Partei, die Gewerkschaften und Genossenschaften am 26. Juni 1928 (laut Bundespolizeikommissariat am 9. Juli 1928) für den 7. Oktober einen sogenannten Arbeitertag an.[2] Die zum gleichen Tag angesetzte kommunistische Kundgebung wurde vom Bundeskommissariat Wiener Neustadt von vornherein verboten.[3]

Die österreichische Arbeiter-Zeitung vom 8. September 1928 zitierte den Vorsitzenden Oskar Helmer der Vertrauensobmännerkonferenz des Wiener Neustädter Landbezirkes im Wiener Neustädter Arbeiterheim: Seit Monaten wird in den Versammlungen der Heimwehren davon geredet, Wiener Neustadt müsse eine Abrechnung, eine Entscheidung werden. Sollen wir da ruhig zusehen und die Arme verschränkt halten, wenn die Heimwehren zum Sturmangriff blasen? Aber so stehen die Dinge nicht, daß wir uns einfach von den Heimwehrfaschisten niederknüppeln lassen. Sie haben heute als Vertrauensmänner in ernster Verantwortung voll bewußter Art zum 7. Oktober und zu der von unserer Seite geplanten Abwehr Stellung genommen. Ihre Stellung ist eindeutig und verpflichtend für uns alle.

Das Grazer Tagblatt vom 10. September 1928 berichtet: … Nach dem 15. Juli 1927 hat der Heimatschutzverband Steiermark auf Verlangen der niederösterreichischen heimattreuen Bevölkerung sein Organisationsgebiet auch auf das niederösterreichische Industriegebiet ausgedehnt. …

Die Rote Fahne vom 13. September wurde behördlich beschlagnahmt, weil zur Zerschmetterung der Fascisten[4] und Heimwehren und zu einem Eisenbahnerstreik aufgerufen wurde, um die Heimwehrtransporte zu verhindern.

Aus der Grazer Gendarmeriekaserne wurden mit einem Täuschungsmanöver vom Gendarmerie-Oberinspektor Meyszner einige tausend Gewehre, einige Maschinengewehre und die dazugehörige Munition gestohlen. Etwa 500 Gewehre und zehn Maschinengewehre wurden nach Aspang zur Bewaffnung einer sogenannten Eingreiftruppe gebracht. 2000 Landesschützen aus Tirol sollten dorthin kommen. Eine Gruppe mit etwa 200 Gewehren und vier Maschinengewehren soll unter Baumeister Kubascek in Lanzenkirchen in Bereitschaft stehen.[5]

Am 13. September 1928 schrieb der Wiener Neustädter Bürgermeister Anton Ofenböck an den niederösterreichischen Landeshauptmann Karl Buresch: Ganz offen sprechen da die Heimwehrführer von einem Marsche nach Wien, auf welchem der 7. Oktober nur eine Etappe sein soll. Er ersuchte ihn, da mir als Bürgermeister dieser Stadt die Interessen ihrer Gesamtbevölkerung am nächsten liegen, a l l e V e r a n s t a l t u n g e n der gedachten A r t zu v e r b i e t e n.[6]

In einer Sitzung des Gemeinderates von Wiener Neustadt vom 18. September 1928 beklagte sich der Gemeinderat Kuckertz und Hans Zach, dass Plakate des Heimatschutzes für die Tagung im Oktober systematisch heruntergerissen wurden und meinte, daß dieses Vorgehen keine Art sei, einen politischen Kampf zu führen wozu Bürgermeister Ofenböck sarkastisch konterte, daß man die Verantwortlichen erst bestrafen könne, wenn man sie hätte.

In einer telefonischen Mitteilung vom Bundespolizeikommissariat Wiener Neustadt mit Dr. Pürer[7] an die Stadtgemeinde vom 19. September 1928 haben die Kommunisten für den 23. September 1928 einen Umzug mit einer Gründungsversammlung angemeldet und für den 7. Oktober 1928 eine Versammlung am Pfarrplatz angemeldet. Der Landeshauptmann habe für den 23. September 1928 der Staatspolizei die Ermächtigung erteilt Gendarmerie im Stadtgebiet zu verwenden.

In einer Besprechung Pürer – Ofenböck am 21. September 1928 wurde informiert, dass 50 Mann Gendarmerie am Postenkommandogebäude Grabnerring und 50 Mann Gendarmerie im städtischen Sägewerk (Landbezirk Wiener Neustadt) in Bereitschaft gehalten werden, zu den 90 Mann Wachaufgebot der Stadtgemeinde selbst.

Die Zeitschrift Arbeiterwille in Graz vom 22. September 1928 veröffentlicht … Der Bürgermeister von Wiener Neustadt hat heute in einem Schreiben an die Regierung auf die Gefahren aufmerksam gemacht, die für die Stadt durch die Aufmärsche bestehen und ein Verbot verlangt. Da der Landeshauptmann darauf nicht eingegangen ist, hat die Sozialdemokratie noch einen weiteren Schritt unternommen, indem sie erklärte, unter bestimmten Voraussetzungen dafür zu sein, daß, sei es im Gesetzgebungswege oder durch Verordnung, für eine bestimmte Zeit oder dergleichen derartige Kundgebungen nicht gestattet werden, sondern daß Selbstschutzverbände sich auf örtliche und zeitliche Veranstaltungen zu beschränken haben. …

Schließlich entschloss sich die Magistratsdirektion Wiener Neustadt mit einem gleichlautenden Bescheid vom 25. September 1928, zugestellt an Johann Zach und Alexander Henke für den Selbstschutzverband N. Oe. Ortsgruppe Wr.-Neustadt, zugestellt an Johann Menzl und Rudolf Schmidt für das Gewerkschaftskartell, den Kreisverband der Genossenschaften und sozialdemokratischen Wahlkreisausschuss für das Viertel unter dem Wienerwald, und zugestellt zuhanden Johann Graner, für die Kommunistische Partei Österreichs, Ortsgruppe Wr.-Neustadt, welcher alle Aufmärsche und Kundgebungen wegen Gefährdung der persönlichen Sicherheit und wegen Gefährdung der Sicherheit des Verkehres im Stadtgebiet verbietet.

Der Leiter Dr. Pürrer vom Polizeikommissariat Wiener Neustadt teilt im Auftrag des Landeshauptmannes dem Bürgermeister am 27. September 1928 mit, dass nach dem von ihm, Ofenböck, namens der Wahlkreisorganisation der sozialdemokratischen Partei usw. nun vorgelegten Programm die in Aussicht genommenen Veranstaltungen nur unter der Bedingung zugelassen werden könnten, daß die Stadt durch eine Demarkationslinie in zwei Teile geteilt würde, von welchem der südliche den Heimwehren, der nördliche den Sozialdemokraten überlassen wird. … Ich erbitte mir der Dringlichkeit wegen eine Antwort bis morgen Freitag, den 28. September 6 Uhr abends, widrigenfalls ich weisungsgemäss mit einem Verbot der angemeldeten Veranstaltungen vorgehen müßte. …

Das Tagblatt vom 27. September 1928 berichtet von einer Unterredung des Bundesführers der Heimwehren mit dem Bundeskanzler, in dem der Bundeskanzler Ignaz Seipel nachher erklärte: … Die Heimwehren sind eine Notwendigkeit. Sie haben keine fascistischen (nach Fascis) Absichten und bekämpfen auch nicht die Sozialdemokratie oder die Arbeiterschaft, sondern sie wenden sich nur gegen den Terror der Austromarxisten. Die Bekämpfung des Terrors ist aber notwendig zur Unterstützung der öffentlichen Funktionäre. … Die Heimwehren sind dazu da, um dem nichtmarxistisch gesinnten Teil der Bevölkerung auch ihrerseits Schutz zu gewähren. … Weiters stellte er fest, daß die geplante Veranstaltung unter allen Umständen stattfinden und, wenn von der Gegenseite keine Störungen erfolgen, auch ruhig verlaufen werde. Er garantierte, daß seitens der Heimwehren nicht die geringste Herausforderung zu erwarten sei.

Es existiert eine Abschrift an den Bürgermeister vom 27. September 1928 von Johann Menzl und Johann Püchler, der den vor Monaten der Bundespolizei angezeigten Sozialistischen Arbeitertag detailliert darstellt.

Am 28. September 1928 verwahrte sich der Bürgermeister Ofenböck schriftlich auf das Entschiedenste gegen diese Zuschrift von Hofrat Pürrer. Ich habe nach Wr.-Neustadt weder einen Arbeitertag noch einen Aufmarsch … einberufen.

Die Arbeiter-Zeitung bringt am 28. September 1928 einen Leitartikel mit Buresch will den Arbeitertag verbieten.

Am 29. September 1928 fand im Arbeiterheim eine Versammlung unter der Leitung des Vorsitzenden Miksch mit mehr als 1000 Delegierten der Konferenz der Gewerkschaftsfunktionäre und Betriebsvertrauensmänner für das Viertel unter dem Wienerwald statt. Oskar Helmer erklärte in seiner Rede die Bedeutung des 7. Oktober für die Arbeiterklasse ganz Österreichs, und nannte die geplante Heimwehr-Veranstaltung einen wohlvorbereiteten Angriff der steirischen Unternehmerterroristen. Abgeordneter Paul Johannes Schlesinger forderte anschließend die Aufrechterhaltung des Mieterschutzes, die Verlängerung des Gesetzes über die Notstandsaushilfe. Anschließend zogen die Delegierten geschlossen durch die Wiener Straße zum Hauptplatz, wo vom Balkon des Rathauses der Gewerkschaftssekretär Auinger in seiner Ansprache nochmals betonte, dass die Arbeiterschaft des Kreises entschlossen sei, ihre Freiheit zu verteidigen.

Landeshauptmann Buresch sicherte dem Einberufer des Arbeitertages Menzel am 2. Oktober 1928 zu, der Berufung gegen das Verbot des Arbeitertages stattzugeben, wenn eine Demarkationslinie in der Richtung des Wiener Neustädter Kanals durch die Stadt gezogen wird, und das Magistrat und die Delegation am Mittwoch, den 3. Oktober 1928 dazu in seinem Büro um 10 Uhr erscheint. An dieser Sitzung nahmen Bürgermeister Ofenböck, Magistratsdirektor Dr. Fritzer und Polizeirat Fuchs teil. Die Heimwehr war mit Bundesführer Steidle, Dr. Pfriemer, von der niederösterreichischen Leitung durch Julius Raab[8] und durch Major Gredler von der Ortsgruppe Wiener Neustadt vertreten. Für den Republikanischen Schutzbund war der Landtagsabgeordnete Josef Püchler delegiert.

Die Heimwehr berichtete: Die Transporte werden am 7. Oktober 1928 ab 0 Uhr 20 am Verschiebebahnhof eintreffen und die Truppen werden sich sofort über die Neunkirchnerstraße und den Burgplatz unter Vermeidung des Hauptplatzes in vorbereitete Quartiere im Akademieterrain, dem Neukloster und dem Turnplatz in der Ungargasse begeben. Der Aufmarsch würde ab 9 Uhr vom Turnplatz auf der Neuklosterwiese weg durch die Ungargasse, den Hauptplatz, die Herzog-Leopold-Straße, die Singergasse, die Bahngasse, durch die Neunkirchnerstraße zum Wasserturm und über den Burgplatz, die Burggasse, Neunkirchnerstraße, die Schulgasse, Neuklostergasse und Ungargasse zum Turnplatz der Neuklosterwiese führen, wo die Feldmesse und die obligatorischen Ansprachen gehalten werden sollen.

Ab 12 Uhr mittags wäre dann der Hauptplatz für den Aufmarsch der sozialdemokratischen Veranstaltung frei.

Das kommunistische Münchner Blatt vom 2. Oktober 1928 meldet, dass 500 kriegsmarschmäßig ausgerüstete deutsche Polizisten an der österreichischen Grenze stehen um der österreichischen Regierung zur Verfügung zu stehen.

Dringliche Anfrage in der Nationalratssitzung am 3. Oktober 1928 Bearbeiten

  • Stenographisches Protokoll. 56. Sitzung des Nationalrates der Republik Österreich. III. Gesetzgebungsperiode. Mittwoch, 3. Oktober 1928. Siehe Liste der Abgeordneten zum Österreichischen Nationalrat (III. Gesetzgebungsperiode)
  • Eine dringliche Anfrage Dr. Renner an die Bundesregierung über die innere Abrüstung lautet: „Die Ereignisse der letzten Wochen haben gezeigt, daß die sogenannten Heimwehren zu einer ernsten Gefahr für die demokratische Entwicklung der Republik und für den Frieden im Lande geworden sind. Die Heimwehren sind allmählich zu faschistischen Formationen entartet, die immer offener mit gewaltsamen Umsturz der republikanischen Verfassung drohen. Die Entwicklung hat selbstverständlich zur Folge, daß die verfassungstreue republikanische Bevölkerung, insbesonders die Arbeiterschaft, gezwungen ist,sich gegen diese Gefahren zu wappnen.“ Angesichts der durch diese Entwicklung heraufbeschworenen Gefahren richten die Gefertigten an die Bundesregierung die Frage: „Ist die Bundesregierung bereit, Verhandlungen mit den parlamentarischen Parteien über die innere Abrüstung einzuleiten?“
  • Karl Renner meint in seiner langen Rede, dass eine Absage des Marsches (der Heimwehr) an einem Veto von Steidle und Pabst gescheitert ist.

Besetzung der Stadt mit Gendarmerie und Militär Bearbeiten

Bürgermeister Anton Ofenböck ließ für den 6. und 7. Oktober 1928 ein Plakat Alkoholverbot! plakatieren.

In einem streng vertraulichen unter Verschluss zu haltenden Schreiben des Bundeskanzleramtes vom 29. September 1928 wurden alle Gendarmeriestellen angewiesen, für Freitag, den 5. Oktober 1928 mit der Bahn Gendarmerie, in Patrouillenadjustierung mit Mantel, volle Munition, alle nicht leitenden Beamten bis einschließlich Revierinspektor mit Karabiner, Bezirksinspektoren und leitende Beamte mit Pistole, mit Essbesteck, von Bregenz, Salzburg, Passau, Wels, Sillian, Villach, Klagenfurt, Bruck an der Mur, nach Wien zusammen zu ziehen.

Am 4. Oktober 1928 informierte Landeshauptmann Buresch den Bürgermeister Ofenböck schriftlich, dass er Landesamtsdirektor Dr. Aloys Kastner[9] mit der Oberleitung sämtlicher Sicherheitsmaßnahmen betraut hat, und dieser mit Oberregierungsrat Karl Karwinsky am 6. Oktober im Bundespolizeikommissariat Wiener Neustadt Aufenthalt nehmen wird.

Die Wiener Zeitung vermerkt: … Es ist auch pure Erfindung, daß Frauen und Kinder die Stadt verlassen haben, daß die Geschäftsleute Verschalungen anschaffen ließen! …

Die Wiener Zeitung berichtet am 7. Oktober: Bei den Bundesbahnen haben die Heimwehren 16, die Schutzbündler 22 Züge angemeldet. Von diesen 38 Sonderzügen, in den ungefähr 40.000 Personen befördert werden können, sollen 15 Züge mit Heimwehrleuten und 9 Züge mit Schutzbündlern schon im Laufe des Tages (6. Okt) abgefertigt werden, so daß im Laufe der Nacht ein Teil der Transporte in Wiener Neustadt eintreffen wird. Zur Beförderung dieser Massen haben die Bundesbahnen 450 Personenwagen und 470 für den Personentransport eingerichtete Güterwagen zur Verfügung gestellt.

Die Neue Freie Presse berichtet am 7. Oktober zum 6. Oktober: ...Zu Mittag noch eine ruhige Stadt, in der nur die verstärkte Gendarmerie auffiel, ist Wiener-Neustadt am Abend wirklich zu einem Heerlager geworden. Es gibt Maschinengewehre auf den Straßen, Drahtverhaue, Stahlhelme und Handgranaten. Mittags vor 2 Uhr begann der Aufmarsch. In dem großen Hof der Akademie hielt Oberinspektor Nabler aus Graz eine Ansprache an die Gendarmerieangehörigen, er ermahnte sie zur Besonnenheit und gab ihnen die letzten Weisungen zu nunmehr selbständigen Handlungen in den Straßen. Dann zogen die Gendarmen, vollkommen marschmäßig adjustiert mit Stahlhelmen, Rucksäcken und Gewehren, truppenweise in die Stadt und besetzten sämtliche Eingänge in die innere Stadt … Um dieselbe Zeit begannen auch bereits Militärtruppen einzuziehen. Auf dem Pfarrplatz marschierte ein Zug auf, mit zwei tragbaren Maschinengewehren und mit einem Wagen ausgerüstet … Gegen 3 Uhr zogen unter Trommelklängen fast durch alle Straßen kleine Militärzüge gegen den Hauptplatz, auf welchem die Geschäfte noch immer offenblieben und die Gemüse- und Obsthändler weiter ihre Waren verkauften. …

Die Neue Freie Presse zum 6. Oktober: … Die Hotelzimmer der Stadt sind zur Gänze besetzt. In dem Hotel Zum Goldenen Hirschen hat die Heimwehr sämtliche Zimmer für ihre Offiziere belegt. Im Hotel Central auf dem Hauptplatze wurden zehn Zimmer für sozialdemokratische Abgeordnete reserviert. Es befinden sich auch bereits der Kommandant des Schutzbundes Dr. Deutsch, ferner Dr. Renner in Wiener Neustadt. … Um halb 6 Uhr abends kam auf dem Hauptbahnhof der erste Sonderzug aus Wien an. Er bestand aus 20 Waggons und brachte den ersten Teil des Wiener Schutzbundes, etwa 1500 Mann.

Fotos zeigen Spanische Reiter der sogenannten neutralen Zone vor den eigentlichen Absperrungen zur Inneren Stadt. Alle Personen konnten nur mit einem Legitimation-Schein diesen Bereich passieren. Ein Foto zeigt einen Rundstempel mit Heimatschutz-Tagung 7. Oktober 1928 Wr.-Neustadt.

Aufmarsch der Heimwehr Bearbeiten

 
Durchmarsch der Heimwehr am 7. Oktober 1928 vormittags aus der Ungargasse in den Hauptplatz von Wiener Neustadt, Fotograf Georg Pahl etwas erhöht nähe Rathaus Hauptplatz Nr. 1, im Platz die Mariensäule (Bundesarchiv)

Ein Foto zeigt den Hauptplatz am Morgen ohne Marktstände, zudem sieht man Militär vor und in den Lauben Hauptplatz Nr. 16/Nr. 17. Eine Musikkapelle der Heimwehr aus Donawitz ist auf der Neuklosterwiese abgebildet, im Hintergrund ist das Gebäude vom Ungarbad zu sehen.

Die an der Ungargasse östlich vom Stift Neukloster auf der Neuklosterwiese versammelten Formationen der Heimwehr zogen vormittags über die Ungargasse auf den Hauptplatz, wo auf dem Balkon des Rathauses Mitglieder der Einheitsliste[10] die Parade abnahmen. Die Formationen marschierten dann über die Herzog-Leopold-Straße, die Singergasse, die Bahngasse, durch die Neunkirchnerstraße zum Wasserturm mit einer Wende und über den Burgplatz, die Burggasse, Neunkirchnerstraße, die Schulgasse, Neuklostergasse und Ungargasse zurück zur Neuklosterwiese. Dort erfolgte vor einer provisorischen podestartigen Tribüne als Altarwand eine Feldmesse mit Prior Alberich Rabensteiner. Danach wurden auf der Tribüne die obligatorischen Ansprachen gehalten. Fotos zeigen die Redner, den Heimwehrführer Richard Steidle, den Gauführer der Heimwehr Reg. Rat Ludwig Kohlfürst, den Metallarbeiter Langauer aus Knittelfeld, den Vizebürgermeister der Stadt Wiener Neustadt Adolf Meixner[11] und den steirischen Heimwehrführer Walter Pfrimer.

Aufmarsch des Schutzbundes Bearbeiten

 
Aufmarsch des Schutzbundes am 7. Oktober 1928 nachmittags aus der Wiener Straße in den Hauptplatz von Wiener Neustadt, Fotograf Georg Pahl ebenerdig nähe Rathaus auf Hauptplatz Nr. 1, im Hintergrund die Häuser Hauptplatz Nr. 14 und Nr. 15, Bundesarchiv (Deutschland)

Nach dem Ende des Heimwehraufmarsches hat das Militär seine Stellungen am Hauptplatz geräumt. Für die Aufrechterhaltung von Ruhe und Ordnung sorgte wiederum die Wiener Neustädter Sicherheitswache.[3] Ein Foto zeigt die Anhänger der Sozialdemokratischen Partei, welche am Hauptplatz den Vorbeimarsch ihrer Formationen (Hauptplatz von der Grazer Straße her bis Linie Wiener Straße – Neunkirchner Straße voll) erwarten. Die Politiker Theodor Körner, Anton Ofenböck, Karl Renner und Julius Deutsch nahmen die Parade am Hauptplatz vor der Menschenmenge ab. Der Aufmarsch des Schutzbundes erfolgte vom Auge Gottes weg durch die Wiener Straße über den Hauptplatz, Neunkirchner Straße, Bahngasse, Ring und Herzog-Leopold-Straße wieder zum Hauptplatz. Am Vorbeimarsch nahmen motorisierte Verbände mit Motorrädern teil. Ihnen folgten Arbeitervereine bzw. Organisationen des Schutzbundes mit Fahnen. Vizebürgermeister Josef Püchler erschien mit Stahlhelm und Schutzbunduniform mit einem offenen Austro Daimler geparkt vor dem Rathaus. Zur folgenden Versammlung erfolgten Ansprachen auf dem Balkon des Rathauses, von Landesrat Oskar Helmer, Bürgermeister Anton Ofenböck, Nationalratsabgeordneter Paul Johannes Schlesinger und Karl Renner. Nach dieser Arbeitertagskundgebung hielten die Schutzbundführer Vizebürgermeister Josef Püchler, Abgeordneter Leopold Petznek, Abgeordneter Julius Deutsch Ansprachen. Dem folgten noch Ansprachen von ausländischen Delegierten.[3]

Zahlen Bearbeiten

Einem Protokoll des Polizeikommissariats zufolge gab die Heimwehr eine Teilnehmeranzahl von 20.200 Personen an, die Zählung der per Bahn eingetroffenen Mannschaft betrug 14.522, die abermalige Zählung der abmarschierenden Heimwehrverbände ergab die Zahl von 14.300. Die Gesamtzahl der sozialdemokratischen Verbände betrug diesem Protokoll zufolge 35.000 Teilnehmer, die Zählung der per Bahn angekommenen Sozialdemokraten ergab 19.985 Personen, die Schutzbündler wurden mit 15.600 Mann angegeben.

Kommunisten Bearbeiten

Die Wiener Zeitung vom 9. Oktober 1928: … Mehrere Gruppen von kommunistischen Parteigängern, welche sich trotz des Verbotes einer kommunistischen Kundgebung in Wiener Neustadt dorthin begeben wollten, wurden teils von der an der Grenze des Wiener Polizeirayons befindlichen Sicherheitswache, teils von der Gendarmerie angehalten und an der Fortsetzung des Marsches gehindert. 67 solcher außerhalb Wiens Angehaltener wurden seitens der Gendarmerie der Bundespolizeidirektion Wien zugeführt. Während des sozialdemokratischen Aufmarsches versuchten Kommunisten auf dem Marktplatz von Wiener Neustadt Ansprachen zu halten. Bei dieser Gelegenheit wurde der tschechische Reichsabgeordnete, Redakteur Viktor Stern aus Reichenberg, der Redakteur der Brünner Rovnost Richard Slansky, der Vorsitzende des Zentralkomitees der kommunistischen Jugendverbindung Franz Lauscher, vom Zentralkomitee der kommunistischen Partei Österreichs Jakob Rihs und Franz Koritschoner, ferner die Führer der österreichischen Arbeiterdelegation in die Sowjetunion Farkas und der Betriebsrat in Zillingdorf Olajos verhaftet.

Presse Bearbeiten

Die Wiener Zeitung vom 9. Oktober 1928 berichtete, dass ungefähr 380 Pressevertreter nach Wiener Neustadt gekommen waren, davon mehr als die Hälfte aus dem Ausland, aus Amerika, Dänemark, England, Belgien, Frankreich und Italien, deren Berichte in Kurzform abgedruckt wurden.

Corriere della Sera: … die Kundgebungen hätten gezeigt, dass Oesterreich bei einer Gefahr von aussen imstande wäre, mit seinem Heer, den 160.000 Schutzbündlern und den 100.000 Mitgliedern der Heimwehr entgegen den Bestimmungen des Friedensvertrages eine bewaffnete Macht von 300.000 Mann aufzustellen.

Reporter und Fotografen trugen am 6. und 7. Oktober 1928 Armbinden in Rot-Weiß-Rot mit Aufdruck Pressedienst mit einer Nummer, diese Nummer hatte mit dem Legitations-Schein übereinzustimmen.

Der Ständestaat und Wiener Neustadt Bearbeiten

Am 3. Juni 1934 (Ständestaat) wurde in Wiener Neustadt eine Großkundgebung der Heimwehr abgehalten und dabei Engelbert Dollfuß und Ernst Rüdiger Starhemberg die Ehrenbürgerschaft der Stadt Wiener Neustadt verliehen. Hierzu zeigen Fotos Formationen der Heimwehr, die über eine Route durch die Haupttorhalle der Burg über den Hof auf den Maria-Theresien-Platz marschierten.

Literatur Bearbeiten

  • Peter Zumpf: Konfrontation. Schutzbund – Heimwehr. Wiener Neustadt 1928. Kommentierter Bildband mit Faksimiles von Quellen. Herausgegeben im Auftrag des Kulturamtes der Statutarstadt Wiener Neustadt, Stadtarchiv Wiener Neustadt, merbod-Verlag, Wiener Neustadt 1998, ISBN 3-900844-47-X.

Weblinks Bearbeiten

Commons: Aufmarsch der Heimwehr und des Schutzbundes in Wiener Neustadt – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise Bearbeiten

  1. Martin Betz: Der kurze Rausch der Macht. In: martinbetz.at. 12. September 2001, abgerufen am 5. Oktober 2022.
  2. Bundespolizeikommissariat Wiener Neustadt, am 4. September 1928, an das Magistrat Abteilung 2 Wiener Neustadt
  3. a b c Gertrud Gerhartl: Wiener Neustadt. Geschichte, Kunst, Kultur, Wirtschaft. Wilhelm Braumüller Universitäts-Verlagsbuchhandlung Ges.m.b.H. Ergänzter und erweiterter Nachdruck der 1. Auflage 1978, Wien 1993, ISBN 3-7003-1032-3.
  4. Fascisten war eine damals übliche Schreibweise.
  5. Aussage und Protokoll vom 14. September 1928 mit dem Städtischen Sicherheits-Wachmann Franz Maurer.
  6. Gedehnte Schreibung laut Originalschreiben vom 13. September.
  7. Auf Dokumenten Pürrer, in Zeitungen und im Parlamentsprotokoll Pürer.
  8. Julius Raab in der Datenbank Gedächtnis des Landes zur Geschichte des Landes Niederösterreich (Museum Niederösterreich).
  9. Kastner, Aloys, Dr., Landesamtsdirektor von Niederösterreich. (Memento vom 15. Juni 2016 im Internet Archive) In: Deutsche Digitale Bibliothek. Abgerufen am 9. März 2024.
  10. A. V. [Aktenvermerk] Herr Vizebürgermeister Meixner teilte heute mit, dass die Mitglieder der Einheitsliste beschlossen haben, am 7. Oktober vormittags, um 9 Uhr, während des Marsches der Heimwehren über den Hauptplatz auf dem Balkone des Rathauses zu erscheinen. Gesprochen wird voraussichtlich vom Balkone nicht werden, weil eine Versammlung der Heimwehr auf dem Hauptplatze nicht vorgesehen ist. 5.10.1928.
  11. Adolf Meixner