Albaner in Griechenland

Minderheit in Griechenland

Die Albaner in Griechenland (albanisch Shqiptarët në Greqi; griechisch Αλβανοί στην Ελλάδα Alvanoí stin Elláda) stellen mit einer Bevölkerung von etwa einer halben bis einer Million Personen die größte Minderheit in Griechenland. Sie unterteilt sich in drei Gruppen: die alteingesessenen griechisch-orthodoxen Arvaniten, die moslemischen Çamen und seit Anfang der 1990er Jahre neu, vor allem aus der Republik Albanien eingewanderte Migranten. Weder die Migranten noch die in Griechenland einheimischen Albaner werden offiziell als ethnische oder nationale Minderheit anerkannt.

Charles Gleyre: Albanische Bäuerin, Athen. (1834, Museum of Fine Arts, Boston).

Seit 1990 und dem Ende der kommunistischen Diktatur unter Enver Hoxha in Albanien hat Griechenland etwa 700.000 albanische Immigranten aufgenommen, von denen viele illegal einreisten. Die griechische Volkszählung von 2011 spricht von 480.824 albanischen Staatsbürgern in Griechenland, mit 53 % die größte Ausländergruppe im Land.[1]

Dazu kommen noch etwa 20.000 christliche Çamen und bis zu 200.000 Arvaniten, die Albanisch sprechen oder ein arvanitisches Bewusstsein haben. Von ihnen bekennen sich jedoch nur 25.000 offiziell.[2][3] Albanische Quellen geben deutlich höhere Zahlen an und behaupten, dass Millionen von Griechen albanische Wurzeln hätten.[3][4]

Siedlungsgebiet

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Ethnographische Karte Griechenlands von 1908, mehrheitlich von Albanischstämmigen bewohnte Gebiete orange

Die albanischen Einwanderer in Griechenland leben heute hauptsächlich in Großstädten wie Thessaloniki und Athen. Auf einigen Agäisinseln sowie in Dörfern im südlichen und nördlichen Griechenland sind die Arvaniten vertreten. Die Çamen lebten bis zu ihrer Vertreibung 1945, was ihre Vertreter als Völkermord betrachten, im Epirus in Nordwestgriechenland, der von ihnen als Çamërija bezeichnet wird.

Um die Volkszugehörigkeit der Soulioten streiten sich Griechen und Albaner, was den aktuellen Disput der Minderheitenrechte im albanischen Nordepirus (griechisch Vórios Ipiros Βόρειος Ήπειρος) und griechischen Südepirus (albanisch Çamëri/-a) widerspiegelt. Angehörige beider Völker sehen im Kampf der Soulioten gegen die Osmanen einen heldenhaften nationalen Einsatz, der zur Gründung ihres modernen Staates beigetragen habe.

Geschichte und Assimilierungsprozess

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Albanische Auswanderung nach Griechenland zwischen dem 14. und 16. Jahrhundert

Die Arvaniten siedelten sich im 13. bis 15. Jahrhundert im Süden Griechenlands und auf der Peloponnes an.

Die Çamen waren beim Bevölkerungsaustausch zwischen Griechenland und der Türkei 1923 als einzige muslimische Minderheit neben den Westthrakientürken von der Umsiedlung ausgenommen. Im Zweiten Weltkrieg wurden sie jedoch kollektiv der Kollaboration mit den Italienern verdächtigt und ein Großteil der muslimischen Albaner 1944 nach Albanien und in die Türkei vertrieben. Es kann davon ausgegangen werden, dass viele Çamen mit den deutschen Besatzern sympathisierten, nachdem diese ihnen einen Anschluss der Region an Albanien nach dem Krieg in Aussicht gestellt hatten.[5] Es kam auch zu Verbrechen, Beteiligung an Massakern, Vertreibung und anderen Übergriffen der Çamen an den Griechen in Epirus, insbesondere in Paramythia.[6]

Die arvanitische respektive albanische Sprache genießt keinen Rechtsstatus und wird an Schulen nicht unterrichtet. Einzig in den 1930er Jahren wurde in wenigen Dörfern auf Albanisch unterrichtet. Eine Förderung der Minderheit und ihrer Sprache fand ansonsten nie statt. Heute sind alle Arvaniten und Çamen Griechenlands zweisprachig oder beherrschen nur die griechische Sprache. Beobachter sprechen von amtlichem Druck sowie einer Verdrängung und Prestigeminderung der Minderheitensprache durch staatliche Institutionen und die orthodoxe Kirche. Als Folge wird die arvanitische Sprache wohl nur noch in wenigen Dörfern verwendet, die Arvaniten anerkennen eine griechische Identität parallel zur arvanitischen. Einen albanischen Sprachgebrauch in den Medien oder Öffentlichkeit gibt es kaum. Die Gottesdienste werden fast ausnahmslos auf Griechisch abgehalten. Neben ein paar Buch- und CD-Publikationen sind einzig das Abspielen von einigen arvanitischen Liedern in lokalen Radiosendern und Auftritte an Musikfestivals nachgewiesen – Sänger, die Lieder in Minderheitensprachen vortrugen, waren aber auch schon Gewalt ausgesetzt. Um das Jahr 1980 wurden vier arvanitische Kulturvereine gegründet.[2][3][7]

Die Albaner bilden in Griechenland seit den 1990er Jahren die größte Migrantengruppe, doch sind sie bemüht, nicht aufzufallen. Aus Angst vor Diskriminierung wechseln Einwanderer Namen und Religion:[8] Es wurde beobachtet, dass sich immer mehr Menschen im Süden Albaniens als Griechen bekennen und sogar ihren muslimischen Namen gegen einen christlichen oder griechischen tauschen. Sie erhoffen sich damit zumeist, ein Visum für Griechenland zu erhalten.[9] Nach der Einwanderung nach Griechenland lassen sie sich taufen und den griechischen Namen im Pass eintragen.

Im Norden Griechenlands sollen im Jahr 2003 militante Albaner den bewaffneten Kampf vorbereitet haben, um Großalbanien zu gründen.[10]

Bekannte Arvaniten und Albaner in Griechenland

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Çamen und Soulioten
Arvanitische Abstammung
Eingebürgerte albanischstämmige Sportler
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Literatur

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  • Ioannis Manos, Dora Papadopoulou, Vasiliki Makrigianni: Communities in Greece: Studying the aspects of Albanian migration to Greece. Hrsg.: Center for Democracy and Reconciliation in Southeast Europe. Thessaloniki 2017 (Online [abgerufen am 14. September 2024]).
  • Ifigeneia Kokkali: Albanian Immigrants in the Greek City: Spatial ‘Invisibility’ and Identity Management as a Strategy of Adaptation. In: Hans Vermeulen, Martin Baldwin-Edwards, Riki van Boeschoten (Hrsg.): Migration in the Southern Balkans. From Ottoman Territory to Globalized Nation States (= IMISCOE Research Series). Springer Open, Cham / Heidelberg / New York / Dordrecht / London 2015, ISBN 978-3-319-13718-6, Kapitel 7–142, S. 123, doi:10.1007/978-3-319-13719-3_7 (academia.edu [abgerufen am 14. September 2024]).

Einzelnachweise

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  1. Hellenic Statistical Authority (Hrsg.): Announcement of the demographic and social characteristics of the Resident Population of Greece according to the 2011 Population - Housing Census. Medienmitteilung. Piräus 23. August 2013, S. 9 (statistics.gr (Memento vom 29. Oktober 2015 im Internet Archive) [PDF; abgerufen am 10. September 2017]).
  2. a b Konrad Clewing: Albanischsprachige und Albaner in Griechenland sowie Griechen in Albanien. Hrsg.: Gesellschaft für bedrohte Völker. Göttingen 28. April 2005 (gfbv.de [abgerufen am 25. Februar 2024]).
  3. a b c Greek Helsinki Committee: The Arvanites (Memento vom 3. Oktober 2016 im Internet Archive)
  4. Valeria Dedaj: 4 milionë grekë kanë origjinë të pastër shqiptare. In: Shekulli. 4. August 2013, abgerufen am 10. September 2017 (albanisch, Interview mit Arben Llalla).
  5. Hermann Frank Meyer: Blutiges Edelweiß: die 1. Gebirgs-Division im Zweiten Weltkrieg. 3. Auflage. Links, Berlin 2010, ISBN 978-3-86153-447-1, S. 464.
  6. Hermann Frank Meyer: Blutiges Edelweiß: die 1. Gebirgs-Division im Zweiten Weltkrieg. 3. Auflage. Links, Berlin 2010, ISBN 978-3-86153-447-1, S. 469 ff., 498.
  7. Bardhyl Demiraj: Arvanitisch. In: Miloš Okuka, Gerald Krenn (Hrsg.): Lexikon der Sprachen des europäischen Ostens (= Wieser-Enzyklopädie des europäischen Ostens. Band 10). Wieser Verlag, Klagenfurt/Celovec 2002, ISBN 3-85129-510-2, S. 71–72 (aau.at [PDF; 129 kB]).
  8. Armand Feka: Griechenlands verborgene Albaner. In: Wiener Zeitung. 16. Juli 2013, archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 4. März 2016; abgerufen am 2. März 2016: „Er lächelt und antwortet in einwandfreiem Griechisch: ‚Ich bin eigentlich auch ein Albaner.‘“
  9. Lars Brügger: Umstrittene Identitäten. Grenzüberschreitungen zuhause und in der Fremde. In: Karl Kaser, Robert Pichler, Stephanie Schwander-Sievers (Hrsg.): Die weite Welt und das Dorf. Albanische Emigration am Ende des 20. Jahrhunderts = Zur Kunde Südosteuropas: Albanologische Studien. Band 3. Böhlau-Verlag, Wien 2002, ISBN 3-205-99413-2.
  10. Renate Flottau: Balkan: Aufstand der Skipetaren. In: Der Spiegel (46/2003). 10. November 2003, abgerufen am 2. März 2016.