Die AN-M74 war eine US-amerikanische Brandbombe, die während des Zweiten Weltkrieges produziert und eingesetzt wurde.

AN-M74


Allgemeine Angaben
Bezeichnung: AN-M74[1]
Typ: Fliegerbombe
Herkunftsland: USA
Hersteller: Chemical Warfare Service, Ordnance Departement, DuPont
Entwicklung: Chemical Warfare Service
Indienststellung: 1945
Technische Daten
Gefechtsgewicht: 3,86 kg
Länge: 0,45 m
Durchmesser: 71 mm
Zünder: Aufschlagzünder, Zeitzünder
Füllung:

1,22 kg PT-1-Pyrogel & 0,17 kg Phosphor

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Entwicklung Bearbeiten

Die Entwicklung der AN-M74-Bombe begann 1943 im Edgewood Arsenal. Basierend auf einem Auftrag der U.S. Regierung sollte eine verbesserte Ausführung der AN-M69-Napalm-Streubombe entwickelt werden. Die neue Bombe sollte über dieselbe Bombenhülle verfügen aber mit einer größeren Menge Brandstoff befüllt sein und über eine größere Durchschlagskraft verfügen. Die Ingenieure beim Chemical Warfare Service (CWS) und DuPont nahmen die Bombenhülle der AN-M69, modifizierten den Zündmechanismus und ersetzten das Paket mit den Stoffbändern am Bombenheck. Anstelle dessen bauten sie eine mit einem Teleskoprohr ausfahrbare Heckflosse ein. Befüllt wurde die Bombe mit dem neuentwickelten gelförmigen Brandstoff PT-1 Pyrogel von DuPont. Nach verschiedenen Versuchen auf dem Testgelände Dugway Proving Ground in Utah wurden Anfang Mai 1945 die ersten Chargen AN-M74-Bomben an das XXIst Bomber Command geliefert.[2][3]

Technik Bearbeiten

Bomben Bearbeiten

Die Bombe hatte eine längliche Rumpfform mit einem sechseckigen Querschnitt und keine Stabilisierungsflügel. Der Bombenkörper bestand aus Stahl und hatte eine graue Grundfarbe. Ein violetter Streifen kennzeichnete die AN-M74 als Brandbombe. Die Bombe war 0,45 m lang, hatte einen Durchmesser von 71 mm und wog 3,86 kg. Im Rumpfkopf befand sich der hochempfindliche M142-Verzögerungszünder. Unmittelbar hinter dem Zünder befand sich eine Ladung Schießpulver. Darüber war ein Behälter mit 0,17 kg Weißem Phosphor angebracht. Der Rest des Bombenkörpers war mit 1,22 kg PT-1 Pyrogel befüllt. Dieses war eine Mischung aus Benzin, Butylmethacrylat, Magnesiumpulver, Kerosin sowie Erdölrückstände, Asphalt, Aktivkohle und Natriumnitrat.[4] Im Rumpfheck befand sich eine über ein Teleskoprohr ausziehbare Heckflosse, welche die Bombe im freien Fall stabilisierte. Die Bomben wurden für den Abwurf in Streubehälter und Streubomben gepackt. Am meisten kam die Streubombe vom Typ M31 (E48) zum Einsatz. Diese war mit 38 AN-M74 Bomben beladen und wog 255 kg. Nach dem Abwurf der Streubombe folgte diese einer ballistischen Kurve. In einer selektierbaren Höhe (in der Regel 1.524 m oder 5.000 Fuß) wurden die Sprengringe und dadurch die Bombenbeplankung weggesprengt.[5] Die AN-M74 Bomben verteilten sich nun nach dem Gießkannenprinzip über der Zielfläche. Die Bombenhülle der AN-M74 war so konstruiert, dass die Bombe Dachziegel und Betonplatten bis zu einer Stärke von 102 mm durchschlagen konnte.[6] Beim Aufschlag wurde der M142-Zünder aktiviert. Dieser detonierte mit einer kurzen Verzögerung und entzündete das Schießpulver und das Phosphor. Durch den nun im Bombenkörper entstandenen Druck wurde der entzündete, gelförmige Brandstoff zusammen mit dem Phosphor aus dem Rumpfheck herausgeschleudert.[7] Der Druck reichte aus, um das brennende Pyrogel 2,5–5 m weit zu verspritzen. Die Brandmischung hatte eine Brenndauer von 4–6 Minuten bei einer Brandtemperatur von 1.200–1.600 °C.[6] Das klebrige, brennende Gel war mit Wasser praktisch nicht zu löschen. Gegenüber dem an der Harvard University zeitgleich entwickelten herkömmlichen Napalm, haftete das PT-1-Pyrogel besser an Oberflächen. Ebenso besaß es eine längere Brenndauer und eine wesentlich höhere Brandtemperatur. Es entstanden die folgenden Ausführungen der AN-M74-Bombe:[8]

  • AN-M74: Mit M142 Zünder
  • AN-M74A1: Mit M197 Zünder
  • AN-M74 (E5): Befüllt mit 1,91 kg Lost. Gesamtgewicht 3,99 kg

Streubomben Bearbeiten

Die AN-M74 wurden als Bündel in Streubehältern und Streubomben montiert.[6] Diese waren im Querschnitt kreisförmig oder sechseckig. Dadurch konnten sie als Bündel mit unterschiedlicher Bestückung und Gewicht zusammengestellt werden. Bekannte Streubomben und Behälter für die AN-M74 waren:[9]

  • M18: (E28) mit E6R2-Adapter mit 38 × AN-M74, Gewicht 159 kg
  • M31 (E48): mit M35-Adapter mit 38 × AN-M74, Gewicht 238 kg
  • M35: mit M30-Adapter mit 57 × AN-M74A1, Gewicht 313 kg

Einsatz Bearbeiten

Die primäre Einsatzplattform war der Bomber B-29 Superfortress. Dieser konnte mit 38 M31-Streubomben bestückt werden. Somit konnte ein einzelner Bomber dieses Typs 1.444 AN-M74-Bomben zum Einsatz bringen.[10] Der erste belegte Einsatz von AN-M74-Bomben erfolgte am 7. Juni 1945 beim Luftangriff auf Ōsaka. Bei diesem Flächenbombardement wurden neben anderen Brandbomben über 185 Tonnen AN-M74-Bomben auf die Stadt abgeworfen. Bei diesem Angriff wurden knapp 6 km2 Stadtgebiet niedergebrannt.[4] Einer der zerstörerischsten Luftangriffe mit AN-M74-Bomben erfolgte in der Nacht vom 28. auf den 29. Juli 1945 auf die japanische Stadt Aomori. In dieser Nacht warfen 65 B-29-Bomber 79.116 AN-M74-Bomben auf die Stadt ab. Die darauffolgenden Großfeuer brannten die Stadt zu 88 % nieder.[7][11]

Nach dem Zweiten Weltkrieg kam die AN-M74-Bombe während des Koreakrieges zum Einsatz. Wiederum wurde empfohlen, die Bevölkerungszentren von Nordkorea mit kleinen Brandbomben zu bombardieren. So wurden die Städte Pjöngjang, Hoeryong, Hŭngnam, Hamhŭng, Chongsong, Chinbo, Kusu-dong und Sinŭiju mehrfach mit Streu-Brandbomben vom Typ AN-M74, AN-M69, AN-M50 und AN-M54 bombardiert.[12] Auch diese Einsätze forderten enorme Verluste unter der Zivilbevölkerung. Zum Teil wurden ganze Städte durch die entfachten Großfeuer bis auf die Grundmauern niedergebrannt.[13] Während des Koreakrieges wurden die Bestände der AN-M74-Bomben aufgebraucht, so dass fortan andere Brandbombentypen zum Einsatz kamen.[14]

Siehe auch Bearbeiten

Weblinks Bearbeiten

Commons: American WW2 incendiary bombs – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise Bearbeiten

  1. Uxoinfo, MOTIS, BOMB, INCENDIARY, M74 (Datenblatt), (PDF, 82,8 kB) (Memento vom 23. Februar 2015 im Internet Archive)
  2. How we fight japan with fire. Popular Science Mai 1945, Seite 100–109, Zugriff: 20. Februar 2015
  3. Kleber, B.E. und Birdsell, D.: Chemical Warfare Service Chemicals in Combat. Center of Military History, United States Army. Zugriff: 20. Februar 2015
  4. a b National Defense Research Committee (NDRC): Summary Technical Report of Division 11, Volume 3: Fire Warfare, Incendiaries and Flame Throwers, Washington D.C. 1946.
  5. Department oft the Army Technical Manual: Technical Manual TM 3-400 Chemical Bombs & Clusters, Departments of the Army and the Air Force, May 1957.
  6. a b c Joint Target Group: Study of Incendiary Bombings for Employment by the United States Army Air Forces, NARA-M1655, Washington D.C. October 1944, Seiten 14–23.
  7. a b United States Strategic Bombing Survey: Effects of Incendiary Bomb Attacks on Japan, A Report on eight Cities. United States Strategic Bombing Survey, 1947. S. 137–138
  8. Department oft the Army Technical Manual: Technical Manual TO 11-1-28/TM 9-1325-200 Bombs & Bomb Components, Departments of the Army, the Navy and the Air Force, April 1966.
  9. War Department: Technical Manual TM 9-1904 Ammunition Inspection Guide, März 1944.
  10. Twentieth Air Force Association. Zugriff: 20. Februar 2015.
  11. The 6th Bomb Group - B-29 Performance, Zugriff 20. Februar 2015
  12. Jörg Friedrich: Yalu. An den Ufern des dritten Weltkrieges. Propyläen Verlag, München 10/2007, ISBN 978-3-549-07338-4
  13. Cumings, Bruce: Napalm über Nordkorea. In: Le Monde diplomatique. Nr. 7536, 10. Dezember 2004, S. 5–7 (monde-diplomatique.de).
  14. Crane Conrad: American Airpower Strategy in Korea 1950–1953, University Press of Kansas 2000.