American Civil Liberties Union

US-amerikanische Bürgerrechtsorganisation
(Weitergeleitet von ACLU)

Die American Civil Liberties Union (kurz ACLU, englisch „Amerikanische Bürgerrechtsunion“) ist eine US-amerikanische Nichtregierungsorganisation mit Sitz in New York City, die seit 1920 besteht. Sie setzt sich für Bürgerrechte und generell für Anliegen des Liberalismus ein.

American Civil Liberties Union
(ACLU)
Logo
Rechtsform gemeinnütziger Verein
Gründung 1920
Gründer Roger Nash Baldwin, Crystal Eastman, Walter Nelles, Morris Ernst, Albert DeSilver, Arthur Garfield Hays, Jane Addams, Felix Frankfurter, Elizabeth Gurley Flynn
Sitz 125 Broad St., 18th floor
New York, NY 10004
Schwerpunkt Verteidigung der bürgerlichen Rechte
Aktionsraum Vereinigte Staaten mit Geschäftsstellen in 50 Bundesstaaten[1]
Vorsitz Susan N. Herman
Geschäftsführung Anthony Romero
Umsatz 137 Mio. $ (2015)[2]
Beschäftigte ca. 200[3]
Freiwillige ca. 2.000
Mitglieder über 750.000[3]
Website www.aclu.org

Sie setzt sich ein für die Gewährleistung der Meinungsfreiheit (siehe First Amendment der US-Verfassung), für das individuelle Recht auf Schutz der Privatsphäre, ein Recht auf Abtreibung, für die Gleichberechtigung von Homosexuellen, gegen die Todesstrafe und Polizeibrutalität und auch oft für die Trennung von Kirche und Staat. Die Organisation hat nach eigenen Angaben auf ihrer Homepage (11/2018) über 1.750.000 Mitglieder und Unterstützer und betreut jährlich etwa 2.000 Verfahren vor Gericht.

Geschichte

Bearbeiten

Die ACLU wurde im Jahr 1920 als Reaktion auf die Folgen der so genannten Red Scare, also der Angst vor Kommunisten, die in den Palmer Raids mündete, gegründet. Prominente Mitglieder der Frühzeit waren Jane Addams, John Dewey, der Richter am Supreme Court Felix Frankfurter oder der Anführer der Sozialistischen Partei, Norman Mattoon Thomas. Von Beginn an infiltrierte und observierte das damalige Bureau of Investigation den Verband.[4]

Die ACLU setzte sich mehrmals gegen die Verbannung der Evolutionstheorie aus dem US-amerikanischen Schulunterricht ein. Im Jahr 1925 suchte die ACLU einen Lehrer, der das Verbot durch einen gezielten Verstoß gegen das Gesetz auf den Prüfstand bringen wollte. Lokale Geschäftsleute wollten Publizität für ihre Kleinstadt erreichen und konnten den Lehrer John T. Scopes vom ACLU-Vorhaben überzeugen. In erster Instanz wurde er trotz der Unterstützung des bekannten Anwalts Clarence Darrow zu einer Geldstrafe verurteilt. Die Zweitinstanz, der Tennessee Supreme Court, hob das Urteil wegen eines Verfahrensfehlers der Erstinstanz auf: nur die Jury, nicht der Richter, kann Geldstrafen verhängen. Es kam dann zu keinem neuen Verfahren mehr, und eine Strafe wurde nie vollstreckt.

Trotzdem wurde der erste Prozess zum ersten Anlass der Massenmedien – Dutzende von Radiostationen brachten Live-Übertragungen – und durch die Kreuzverhöre wurde das Verbot der Evolutionstheorie der Lächerlichkeit preisgegeben (siehe Scopes-Prozess).

Der Fall hat das Thema eines Hollywood-Films abgegeben (Wer den Wind sät, Jahr 1960, unter anderem mit Spencer Tracy und Fredric March).

Nach den japanischen Angriffen auf Pearl Harbor im Jahr 1941 setzte sich die ACLU vehement gegen die Internierung von Amerikanern japanischer Abstammung ein.

Im Jahr 1954 spielte die ACLU eine wichtige Rolle im Prozess Brown v. Board of Education of Topeka, der zum Verbot der Rassentrennung in den amerikanischen Schulen führte.

Im Jahr 1973 war die ACLU die erste große politische Organisation, die aufgrund des Watergate-Skandals die Absetzung von US-Präsident Richard Nixon forderte.

Im selben Jahr beteiligte sich die Organisation am Prozess Roe v. Wade, der die Rechte amerikanischer Frauen bei der Abtreibung stärkte. Der amerikanische Supreme Court entschied, dass die Gesetzgebung über die Abtreibung ein unzulässiger Eingriff in die Privatsphäre der Frau sei.

Im Jahr 1977 verklagte die ACLU die Stadtverwaltung von Skokie, Illinois, um Neonazis Paraden und Demonstrationen zu ermöglichen – Skokie hat einen großen jüdischen Bevölkerungsanteil. Ein Bundesgericht wies sodann die Stadt an, das Demonstrationsverbot aufzuheben, und dieser Entscheid wurde dann vom amerikanischen Supreme Court gebilligt.[5] Das Eingreifen der ACLU in diesem Fall führte dazu, dass rund 15 Prozent aller Mitglieder die ACLU verließen; in Illinois trat sogar jeder Fünfte aus. Der Bundesrichter Bernard M. Decker beschrieb das Prinzip, das die ACLU verfolgte, folgendermaßen:

„Es ist besser, denen, die Rassenhass predigen, zu erlauben, ihr rhetorisches Gift zu speien, als in panischer und gefährlicher Weise die Regierung entscheiden zu lassen, was die Bürger sehen und hören dürfen … Die Fähigkeit der amerikanischen Gesellschaft, die Verteidigung einer hasserfüllten Doktrin zu tolerieren, ist der beste Schutz, den wir gegen die Errichtung eines Nazi-ähnlichen Regimes haben.“

Seit den Terroranschlägen am 11. September 2001 setzt sich die ACLU gegen eine zu starke Ausweitung der Polizei- und Geheimdienstbefugnisse ein, die insbesondere durch den USA PATRIOT Act eingerichtet wurden. Die ACLU hat gegen die NSA geklagt und wurde von Richterin Anna Diggs Taylor bestätigt, die die Abhörmaßnahmen der Bush-Regierung für illegal erklärte. 2009 führte eine Klage der ACLU zu der Veröffentlichung eines geheimgehaltenen CIA-Berichts, der die Folterpraktiken des Nachrichtendienstes an 28 terrorverdächtigen Personen dokumentiert.[6]

2017 wandte sich die ACLU gegen die in immer mehr Staaten obligatorische Erklärungspflicht für Bewerber für staatliche Aufträge, nicht an Boykotten gegen Israel teilzunehmen bzw. Mitglied der BDS-Bewegung zu sein. Obwohl die Organisation selbst nicht Befürworter dieser Aktionen ist, ist sie der Ansicht, dass solcher Zwang gegen die Verfassung sei und mit den Antikommunismus-Gesetzen der McCarthy-Ära vergleichbar. Boykotts haben nämlich in den USA lange Tradition und einiges bewirkt – von der Boston Tea Party, über den Busboykott von Montgomery bis zum Südafrika-Boykott. Darum sei man gegen die speziellen Regelungen betreffend Israel-Boykott. Am 11. Oktober verklagte ACLU den Staat Kansas im Namen einer Mathematikprofessorin, Mitglied der Mennoniten, die an einem Bildungsprojekt des Staates mitarbeiten wollte, aber die Erklärung nicht unterzeichnen konnte, weil sie Produkte aus den israelischen Siedlungen boykottiert.[7]

Finanzierung

Bearbeiten

Die ACLU und die an die ACLU angeschlossene, von den Steuern befreite Stiftung erhalten substanzielle, jährliche Spenden von diversen Stiftungen. Großspender sind u. a. die Stiftungen von Ford, Rockefeller und Carnegie.

Im Oktober 2004 verzichtete die ACLU auf Spenden in Höhe von 1,15 Millionen US-Dollar von der Rockefeller- sowie der Ford-Stiftung, weil diese in einer Zuwendungsvereinbarung eine Klausel aufgenommen hatten, dass mit dem Geld weder „Terrorismus noch andere unakzeptable Aktivitäten“ unterstützt werden dürften. Die ACLU lehnte die Klausel mit der Begründung ab, dass eine solch vage Formulierung in einem „Klima der Angst und Einschüchterung“ bürgerliche Freiheiten gefährde.[8] Die ACLU wies auch eine halbe Million US-Dollar von der Regierung der Vereinigten Staaten zurück, weil sie sich weigerte, zu überprüfen, ob ACLU-Mitarbeiter auf der Terrorismus-Beobachtungsliste eingetragen waren.

Siehe auch

Bearbeiten

Literatur

Bearbeiten
  • Michael Chabon, Ayelet Waldman (Hrsg.): Fight of the Century: Writers Reflect on 100 Years of Landmark ACLU Cases. Simon & Schuster, New York 2020, ISBN 978-1-5011-9040-7.
  • John J. Patrick, Richard M. Pious, Donald A. Ritchie: The Oxford Guide to the United States Government. Oxford University Press, New York 2001, ISBN 978-0-19-514273-0, S. 22–23 (= American Civil Liberties Union (ACLU)).
Bearbeiten
Commons: American Civil Liberties Union – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

Bearbeiten
  1. Find your local ACLU affiliate. ACLU, abgerufen am 31. Januar 2017 (englisch).
  2. ACLU Annual Report 2015. ACLU, abgerufen am 30. Januar 2017 (englisch).
  3. a b ACLU History. ACLU, abgerufen am 30. Januar 2017 (englisch).
  4. Tim Weiner: FBI. Die wahre Geschichte einer legendären Organisation. S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main 2011, ISBN 978-3-10-091071-4, Seite 94 f.
  5. Lynn Rapaport: The Holocaust in American Jewish life. In: Dana Evan Kaplan (Hrsg.): The Cambridge Companions to American Judaism. Cambridge University Press, Cambridge/New York/etc. 2005, ISBN 0-521-82204-1, S. 187–208, hier S. 199 und 207 mit Anm. 56.
  6. CIA-Agenten bedrohten Terrorverdächtigen mit Bohrmaschine. In: Spiegel Online, 22. August 2009.
  7. Opinion // In America, the Right to Boycott Israel Is Under Threat. This Is Why That's Cause for Concern. Ha-Aretz am 11. Oktober 2017, abgerufen am 14. November 2017.
  8. Stephanie Strom: A.C.L.U. Rejects Foundation Grants Over Terror Language. In: The New York Times, 19. Oktober 2004 (englisch).