In der Gruppentheorie, einem Teilgebiet der Mathematik, sind zentrale Erweiterungen eine Möglichkeit, Gruppen durch eine zentrale Untergruppe und die sich ergebende Faktorgruppe zu beschreiben. Eine analoge Begriffsbildung findet sich auch in anderen Gebieten der Mathematik. Hier wird zunächst die Gruppentheorie behandelt und dann auf andere Gebiete hingewiesen.

Definitionen Bearbeiten

Sei   eine beliebige Gruppe und   eine abelsche Gruppe. Eine zentrale Erweiterung von   durch   besteht aus einer Gruppe   und einem surjektiven Gruppenhomomorphismus   mit Kern isomorph zu  . Mit anderen Worten, es gibt eine exakte Sequenz

 

mit  , d. h.   ist zentral in  . Dabei wird   als Inklusion   aufgefasst, was man dadurch rechtfertigt, dass man   durch sein isomorphes Bild in   ersetzen kann.

Ein Morphismus zwischen zwei zentralen Erweiterungen   derselben Gruppe   ist ein Gruppenhomomorphismus   mit  .    

Beispiele Bearbeiten

  • Als triviale Erweiterung durch   bezeichnet man die Projektion  .
  • Sei  . Eine nichttriviale Erweiterung von   ist   und  . Nichttrivialität bedeutet hier, dass es keine auf ganz   definierte  -te Wurzelfunktion gibt. Der Kern   besteht aus den  -ten Einheitswurzeln und ist isomorph zu  .
  • Für eine zusammenhängende Lie-Gruppe   ist ihre universelle Überlagerung   eine zentrale Erweiterung durch die Fundamentalgruppe  . Zum Beispiel ist die Spin-Gruppe   eine zentrale Erweiterung der speziellen orthogonalen Gruppe  , und die metaplektische Gruppe   ist eine zentrale Erweiterung der symplektischen Gruppe  .
  • Für einen Hilbert-Raum   und seinen projektiven Raum   ist die unitäre Gruppe   eine zentrale Erweiterung der Gruppe der unitären projektiven Transformationen   durch  .
  • Selbst für abelsche Gruppen   ist ein semidirektes Produkt   nur dann eine zentrale Erweiterung, wenn es das direkte Produkt   ist, es sich also um die triviale Erweiterung handelt. Zum Beispiel ist die Gruppe der affinen Abbildungen   ein semidirektes Produkt  , aber keine zentrale Erweiterung von  .

Klassifikation zentraler Erweiterungen durch Gruppenkohomologie Bearbeiten

Als Parametrisierung einer zentralen Erweiterung bezeichnet man einen Isomorphismus  . Die Isomorphismenklassen parametrisierter zentraler Erweiterungen bilden mit der Baer-Summe eine abelsche Gruppe, die als   bezeichnet wird. Die triviale Erweiterung ist das neutrale Element dieser Gruppe. Das inverse Element einer parametrisierten zentralen Erweiterung ist dieselbe zentrale Erweiterung mit der entgegengesetzten Parametrisierung  .

Man hat einen Isomorphismus

 

zur zweiten Gruppenkohomologie. Dieser ordnet einer parametrisierten zentralen Erweiterung die Klasse des mit Hilfe einer die Bedingung   erfüllenden (nicht notwendig homomorphen) Abbildung durch

 

festgelegten Abbildung   zu. Diese ist ein Kozykel und ihre Kohomologieklasse hängt nicht von der Wahl von   ab. Umgekehrt kann man einen Kozykel innerhalb seiner Kohomologieklasse so normieren, dass   wenn   oder  . Dann definiert man auf   die Operation   und erhält die der Kohomologieklasse von   entsprechende zentrale Erweiterung.

Zentrale Erweiterungen in anderen Gebieten Bearbeiten

Den Begriff der zentralen Erweiterung kann man auch in anderen Gebiete der Mathematik betrachten, wenn man dort über kurze exakte Sequenzen und einem Zentrum sprechen kann, zum Beispiel in der Theorie der Algebren oder Lie-Algebren. Genau wie oben heißt eine kurze exakte Sequenz

 

eine zentrale Erweiterung von  , wenn das injektive Bild von   im Zentrum von   liegt. So ist zum Beispiel in der Theorie der Lie-Algebren die Virasoro-Algebra als zentrale Erweiterung der Witt-Algebra definiert.

Literatur Bearbeiten

  • M. Kervaire: Multiplicateurs der Schur et K-theorie, S. 212–225 in: Essays on Topology and Related Topics (Memoires dedies a Georges de Rham), Springer Verlag, Berlin-Heidelberg-New York, 1970
  • J. Milnor: Introduction to Algebraic K-Theory, Annals of Mathematical Studies 72, Princeton University Press, Princeton, 1971
  • J. Rosenberg: Algebraic K-Theory and Applications, Graduate Texts in Mathematics 147, Springer Verlag, Berlin-Heidelberg-New York, 1994