Unbeschränkter Borel-Funktionalkalkül

mathematisches Verfahren

Der unbeschränkte Borel-Funktionalkalkül ist ein Instrument in der mathematischen Theorie der dicht-definierten selbstadjungierten Operatoren. Er erlaubt eine „Einsetzung“ solcher Operatoren in Borelfunktionen, was unter anderem in der Quantenmechanik Anwendung findet, da die selbstadjungierten Operatoren die quantenmechanischen Observablen sind. Dieser Funktionalkalkül ist mathematisch sehr aufwändig, da der Umgang mit dicht-definierten Operatoren zusätzliche Techniken erfordert.

Ausgangssituation Bearbeiten

Es sei   ein dicht definierter, selbstadjungierter Operator mit Definitionsbereich   in einem separablen Hilbertraum   (dicht-definiert bedeutet, dass   dicht liegt). Das Spektrum   eines solchen Operators ist die Menge aller  , so dass der Operator   nicht bijektiv ist. Man kann zeigen, dass das Spektrum eines selbstadjungierten Operators reell ist. Wie im Falle der beschränkten selbstadjungierten Operatoren gibt es ein Spektralmaß  , so dass   gilt.

Ist   eine beschränkte Borelfunktion, so kann man

 

bilden, denn   definiert wegen der Beschränktheit von   eine stetige Sesquilinearform auf  .

Unbeschränkte Borelfunktionen Bearbeiten

Sei nun   eine Borelfunktion, die auch unbeschränkt sein darf. Die Bildung von   wird wie folgt auf den Fall beschränkter Borelfunktionen zurückgeführt. Es sei

 .

Dann wird der dicht-definierte Operator   durch den Definitionsbereich   und durch die Formel   für   definiert.

Für den so definierten Operator   lässt sich Folgendes zeigen:

  •  
  •   für alle  
  •   für alle  
  •  

Der Funktionalkalkül Bearbeiten

Während man beim beschränkten Borel-Funktionalkalkül für normale Operatoren einen *-Homomorphismus von der Algebra der beschränkten Borelfunktionen nach   erhält, kann man im hier betrachteten Fall der unbeschränkten Borelfunktionen und dicht-definierten selbstadjungierten Operatoren nicht mehr ohne weiteres von einem Homomorphismus sprechen, da die dicht-definierten Operatoren keine Algebra bilden; das Links-Distributivgesetz gilt nicht. Ist nämlich   ein dicht-definierter Operator,   der identische Operator auf   und  , so ist   und  . Um diesem Umstand gerecht zu werden, muss man entweder nach jeder algebraischen Operation den entstandenen Operator abschließen, dies ist im unten angegebenen Lehrbuch von Kadison und Ringrose mit zusätzlichen Techniken aus der Theorie der Von-Neumann-Algebren ausgeführt, oder, wie im unten angegebenen Lehrbuch von Dunford und Schwartz, die Definitionsbereiche der Operatoren berücksichtigen. In der hier gegebenen Darstellung wird der zweite Weg beschritten. Die dabei auftretenden Inklusionen beziehen sich auf die Graphen der Operatoren, das heißt man schreibt  , wenn   eine Erweiterung von   ist.

Es sei   ein dicht-definierter selbstadjungierter Operator auf   mit Spektralmaß  . Dann gelten für  , Borelfunktionen   und Borelmengen   folgende Regeln:

  •  
  •  
  •   und  
  •  

Für das Spektrum lässt sich folgende Formel beweisen:

  •  .

Die Formel   ist nach der hier vorgestellten Konstruktion nicht selbstverständlich, kann aber relativ leicht gezeigt werden. Allgemeiner hat der Ausdruck   für ein Polynom   zwei mögliche Interpretationen: einmal als   im Sinne des oben vorgestellten Kalküls und einmal als   im Sinne des Einsetzens in ein Polynom. Man kann beweisen, dass beide Interpretationen übereinstimmen, das heißt

  •   für alle Polynome  .

Quellen Bearbeiten