Die Takagi-Funktion (auch bekannt als Blancmange-Funktion) ist eine reellwertige Funktion einer reellen Variablen. Sie ist eine auf dem gesamten Definitionsbereich stetige, aber nicht differenzierbare Funktion.[1]

Approximation des Graphen der Takagi-Funktion auf dem Einheitsintervall.
Animation der Approximation des Graphen der Takagi-Funktion auf dem Einheitsintervall anhand der n-ten Partialsumme für n = 0,1,2,3,4,5,10,50,100.

Geschichte

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Die Funktion wurde ursprünglich vom japanischen Mathematiker Takagi Teiji im Jahr 1903 als Beispiel einer stetigen und nirgends differenzierbaren Funktion angegeben.[2] Andere Beispiele derartiger Funktionen hatten im 19. Jahrhundert bereits Karl Weierstraß und Bernard Bolzano gefunden.[1] Anfangs fand die Funktion unter westlichen Mathematikern wenig Beachtung. Im Jahr 1930 publizierte der Niederländer van der Waerden eine ähnliche Funktion mit der Basis zehn statt zwei. Neun Jahre später griff der norwegische Mathematiker Tambs-Lyche die Takagi-Funktion als ein für beginnende Mathematikstudenten zugängliches Beispiel einer stetigen und nirgends differenzierbaren Funktion wieder auf.[3] Die Funktion ist aufgrund der Ähnlichkeit ihres Graphen mit der Süßspeise Mandelsulz (französisch: blanc-manger) auch als Blancmange-Funktion bekannt.[4]

Definition

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Die Takagi-Funktion ist definiert als

 ,

wobei   der Abstand von   zur nächsten ganzen Zahl ist.

Takagi stellte die Funktion ursprünglich leicht anders dar.[3] Der Definitionsbereich lässt sich periodisch auf ganz   erweitern.

Eigenschaften

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Konvergenz und Stetigkeit

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Die Takagi-Funktion ist wohldefiniert, da für alle   die Reihe   konvergiert. Dies lässt sich zum Beispiel mit dem Weierstraßschem Majorantenkriterium zeigen. Betrachte die Funktionenfolge  mit  , für alle  . Es gilt für alle  , dass  , da  . Zudem gilt   laut Konvergenz der geometrischen Reihe. Also konvergiert laut Weierstraßschem Majorantenkriterium die Reihe   sogar gleichmäßig und absolut.

Die Takagi-Funktion ist stetig. Denn die Partialsummen   sind für alle   stetige Funktionen und konvergieren, wie oben gezeigt, gleichmäßig gegen die Tagaki-Funktion.

Nicht-Differenzierbarkeit

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Die Takagi-Funktion ist an keiner Stelle ihres Definitionsbereichs differenzierbar (im Sinne der durch den gewöhnlichen Betrag auf den reellen Zahlen induzierten Topologie).

Beweis (nach Billingsley): Sei   beliebig. Für alle   seien   und   mit  , sodass gilt   und  . Sei wie oben  . Dann gilt für den Differenzenquotient:

 ,

wobei   die rechtsseitige Ableitung von   an der Stelle   ist. Die erste Gleichheit stimmt, da   für alle   ist. Die zweite Gleichheit folgt hingegen, da   auf dem Intervall   linear mit Steigung   ist. Weil aber  , kann der Differenzenquotient für   laut Nullfolgenkriterium nicht konvergieren. Also ist   an der Stelle   nicht differenzierbar.[3]

Graphische Eigenschaften

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Der Graph der Takagi-Funktion kann anhand der ersten   Partialsumme der Reihe   approximiert werden. Die folgende Grafik illustriert dies für verschiedene Werte von  . In jedem Schritt werden Dreieckschwingungen mit sich jeweils halbierender Periodenlänge und Höhe (in rot) zum Graph hinzugefügt (was genau dem nächsten Summanden der Reihe entspricht).

       
       

Die Takagi-Funktion nimmt ihr Maximum an überabzählbar vielen Punkten mit einem Wert von   an.[3] Ihr Graph ist ein Fraktal und hat eine Hausdorff-Dimension von eins.[3]

Siehe auch

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Einzelnachweise

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  1. a b Konrad Königsberger: Analysis 1. 6. Auflage. Springer, Berlin 2004, ISBN 978-3-540-40371-5, 9.11.
  2. Teiji Takagi: A Simple Example of the Continuous Function without Derivative. In: Phys.-Math. Soc. Japan. Band 1, 1903, S. 176–177.
  3. a b c d e Pieter C. Allaart und Kiko Kawamura: The Takagi Function: a Survey. In: Real Anal. Exchange 37 (2011/12), no. 1, 1-54. Band 37, Nr. 1, 2012, S. 1–54.
  4. Eric W. Weisstein: Blancmange Function. In: MathWorld-A Wolfram Web Resource. Abgerufen am 26. Juli 2018.