Specker-Folge

Folgende von rationalen Zahlen

In der Berechenbarkeitstheorie ist die Specker-Folge eine berechenbare, monoton wachsende, beschränkte Folge von rationalen Zahlen, deren Supremum keine berechenbare reelle Zahl ist. Das erste Beispiel einer solchen Folge wurde 1949 von Ernst Specker konstruiert.

Eine Specker-Folge. Die -te Ziffer von ist wenn die Berechnung von nach Schritten anhält; sonst

Die Existenz von Specker-Folgen hat Konsequenzen für die berechenbare Analysis. Die Tatsache, dass es solche Folgen gibt, bedeutet, dass die Klasse der berechenbaren reellen Zahlen nicht die aus der reellen Analysis bekannte Supremumseigenschaft aufweist, selbst dann, wenn man sich dabei auf berechenbare Folgen beschränkt. Ein üblicher Weg, dieses Problem zu lösen, ist, nur berechenbare Folgen versehen mit einem berechenbaren Konvergenzmodul zu betrachten. Keine Specker-Folge hat einen berechenbaren Konvergenzmodul, das bedeutet: Jeder Konvergenzmodul einer Specker-Folge wächst schneller als jede berechenbare Funktion, sonst ließe sich auf berechenbare Weise abschätzen, nach wie vielen Folgengliedern die ersten Stellen feststehen, und damit wäre das Supremum eine berechenbare reelle Zahl.

Die Supremumseigenschaft wurde auch im Bereich der reversen Mathematik untersucht, wo ihre genaue Stärke bestimmt wurde. In der Sprache der Disziplin ausgedrückt ist die Supremumseigenschaft äquivalent zu ACA0 über RCA0.

Verletzung der Supremumseigenschaft Bearbeiten

Da jede rationale Zahl berechenbar ist und die Vervollständigung der rationalen Zahlen bekanntlich genau die Menge der reellen Zahlen ist, die berechenbaren reellen Zahlen als abzählbare Menge aber eine echte Teilmenge der reellen Zahlen bilden, können die berechenbaren reellen Zahlen nicht vollständig sein. Da besagte Supremumseigenschaft in metrischen, separablen, geordneten Räumen und somit jedem Unterraum der reellen Zahlen äquivalent zur Ordnungsvollständigkeit und somit zur Vollständigkeit ist, können die berechenbaren reellen Zahlen nicht die Supremumseigenschaft erfüllen. Naheliegend wäre nun, sich auf berechenbare Folgen berechenbarer Zahlen zu beschränken.

Konstruktion Bearbeiten

Die Existenz einer Specker-Folge besagt darüber hinaus, dass die Supremumseigenschaft bereits verletzt ist, wenn man sich auf berechenbare Folgen beschränkt. Die folgende Konstruktion wurde von Kushner beschrieben.[1] Sei   eine rekursiv aufzählbare, aber nicht entscheidbare Menge natürlicher Zahlen, und sei ( ) eine berechenbare Aufzählung von   ohne Wiederholung. Eine Folge   von rationalen Zahlen sei durch

 

definiert. Offensichtlich ist jedes   nichtnegativ und rational, und die Folge   wächst monoton. Außerdem ist es möglich, jedes   durch die Reihe

 

nach oben abzuschätzen, da   keine Wiederholung enthält. Daher ist die Folge   durch   beschränkt. Klassischerweise bedeutet dies, dass   ein Supremum   besitzt.

Es wurde gezeigt, dass   keine berechenbare reelle Zahl ist. Der Beweis verwendet ein bestimmte Eigenschaft berechenbarer reeller Zahlen: Wäre   berechenbar, dann gäbe es eine berechenbare Funktion   so, dass   für alle  . Um   zu berechnen, vergleiche man die Binärexpansion von   mit der Binärexpansion von   für immer größere Werte von  . Die Definition von   führt dazu, dass jedes Mal, wenn   um   größer wird, eine binäre Ziffer von   zu   wechselt. Also gibt es ein   so, dass ein hinreichend großes Anfangsstück von   durch   dergestalt festgelegt ist, dass keine weitere Binärziffer in diesem Stück auf   wechseln kann, was zu einer Abschätzung der Distanz zwischen   und   für   führt.

Wenn irgendeine solche Funktion   berechenbar wäre, würde dies auf folgende Weise zu einem Entscheidungsverfahren für   führen. Zu einer Eingabe   berechne man  . Wenn   in der Folge   vorkäme, würde dies eine Erhöhung von   um   verursachen. Das kann aber nicht passieren, sobald alle Elemente von   nicht weiter als   voneinander entfernt sind. Wenn also   in einem   aufgezählt wird, muss es um den Wert von   kleiner sein als  . Es bleibt eine endliche Zahl von möglichen Orten, wo   aufgezählt werden könnte. Um das Entscheidungsverfahren zu vervollständigen, prüfe man diese endlich vielen Stellen in berechenbarer Weise und gebe   oder   aus, je nachdem, ob   gefunden wird oder nicht.

Literatur Bearbeiten

  • Douglas Bridges, Fred Richman: Varieties of Constructive Mathematics. Oxford 1987.
  • Jakob G. Simonsen: Specker sequences revisited. In: Mathematical Logic Quarterly. 2005, Band 51, S. 532–540. doi:10.1002/malq.200410048
  • S. Simpson: Subsystems of second-order arithmetic. Springer, 1999.
  • E. Specker: Nicht konstruktiv beweisbare Sätze der Analysis. In: Journal of Symbolic Logic. 1949, Band 14, S. 145–158.

Einzelnachweise Bearbeiten

  1. B. A. Kushner: Lectures on constructive mathematical analysis. In: American Mathematical Society: Translations of Mathematical Monographs. 1984, Band 60.