Emmerich Freiherr von Godin

deutscher Offizier

Basil Emmerich Reinhard Freiherr von Godin (* 13. September 1881 in Hohenaschau im Chiemgau; † 22. November 1934 in Berlin) war ein bayerischer Major und Ritter des Militär-Max-Joseph-Ordens.

Leben Bearbeiten

Herkunft und frühere Jahre Bearbeiten

Godin war das zweite von vier Kindern und der älteste Sohn des bayerischen Kämmerers und Majors Reinhard Freiherr von Godin (1851–1925) und seiner Ehefrau Marie, geborene Bals (1856–1925). Die Mutter stammte aus einem moldauischen Bojarengeschlecht. Der mütterliche Großvater Panajot Bals war zeitweise Finanzminister der Moldau gewesen, während die mütterliche Großmutter Roxandra eine Fürstin Cantacuzene aus dem Haus Pashcani war.[1] Godins jüngster Bruder Michael machte Karriere im Polizeidienst. Er wurde vor allem dafür bekannt, dass er jene Münchener Truppen der Bayerischen Landespolizei kommandierte, die am 9. November 1923 den Hitler-Putsch in München gewaltsam niederschlugen.

In seiner Jugend wurde Godin zur Erziehung in die Pagerie in München gegeben. Sein Abitur legte er im Jahr 1900 am Wilhelmsgymnasium München ab.[2] Am 14. Juli 1900 trat er als Fähnrich in das Infanterie-Leib-Regiment der Bayerischen Armee ein.

Mitte Mai 1902 avancierte er zum Leutnant und Kammerjunker. 1906/07 ließ er sich auf ein Jahr beurlauben. Anfang März 1911 folgte die Beförderung zum Oberleutnant. Ab Oktober 1912 absolvierte er die Kriegsakademie in München.

Erster Weltkrieg Bearbeiten

Godin musste seine Studien an der Kriegsakademie mit Ablauf des zweiten Lehrgangs aufgrund des Ersten Weltkriegs im Sommer 1914 abbrechen. Er kehrte anlässlich der allgemeinen Mobilmachung zu seinem Regiment zurück und nahm nach Ausbruch der Feindseligkeiten als Führer der 11. Kompanie an den Kämpfen an der Westfront teil. Bei Herleville wurde er am 25. September 1914 als Kompanieführer schwer am Gesäß verwundet.[3] Am 17. Dezember 1914 folgte seine Beförderung zum Hauptmann.

Nach Stellungskämpfen an der Somme wurde Godin mit seinem Regiment im Mai 1915 nach Südtirol verlegt, um als Teil des neugeschaffenen Deutschen Alpenkorps gegen die Italiener eingesetzt zu werden. Am Oktober 1915 machte es den Serbienfeldzug und den Aufmarsch an der griechischen Grenze mit, bevor das Regiment wieder an die Westfront kam. Hier war Godin in die Stellungskämpfe in der Champagne und vor Verdun eingebunden. Für sein entschlossenes Wirken beim Kampf um das Fort de Souville wurde ihm als Führer des I. Bataillons mit Wirkung vom 11. Juli 1916 das Ritterkreuz des Militär-Max-Joseph-Ordens verliehen.[4]

Mitte April 1917 trat Godin als Generalstabsoffizier zur 2. Infanterie-Division über, war von Ende September 1917 bis Anfang Februar 1918 dem Armeeoberkommando 5 zugeteilt und kam anschließend zum Armeeoberkommando 19. Am 14. Juni 1918 kehrte mit der Ernennung zum Kommandeur des III. Bataillons wieder zum Infanterie-Leib-Regiment zurück und fungierte zeitweise auch als stellvertretender Regimentskommandeur.

Godins Rolle bei der Verleihung des Eisernen Kreuzes I. Klasse an Adolf Hitler Bearbeiten

Vom 26. Juli bis zum 4. August 1918 war Godin kurzzeitig mit der Führung des Reserve-Infanterie-Regiments Nr. 16 beauftragt. Zu den Angehörigen dieses Regiments gehörte seit 1914 auch Adolf Hitler, der Dienst als Meldegänger versah.

Durch einen Antrag, den er als stellvertretender Regimentskommandeur am 31. Juli 1918 an den Kommandeur der 12. Infanteriebrigade richtete, schlug Godin Hitler zur Verleihung des Eisernen Kreuzes I. Klasse vor. In diesem Antrag schrieb er:

Gefreiter (Kriegsfreiwilliger) Adolf Hitler, 3. Komp.

Hitler ist seit Ausmarsch beim Regiment und hat sich in allen mitgemachten Gefechten glänzend bewährt. Als Meldegänger leistete er sowohl im Stellungskrieg als auch im Bewegungskrieg Vorbildliches an Kaltblütigkeit und Schneid und war stets freiwillig bereit, Meldungen in schwierigsten Lagen unter größter Lebensgefahr durchzubringen. Nach Abreißen aller Verbindungen in schwierigen Gefechtslagen war es der unermüdlichen und opferbereiten Tätigkeiten des Hitler zu verdanken, daß wichtige Meldungen trotz aller Schwierigkeiten durchdringen konnten.

Hitler erhielt das E.K. II für tapferes Verhalten in der Schlacht bei Wytschaete am 2. Dezember 1914.

Ich halte Hitler für vollends würdig zur Auszeichnung mit dem E.K. I.

I.V. :

Frhr. v. Godin[5]

Der Antrag wurde schließlich genehmigt und Hitler am 4. August 1918 mit dem Eisernen Kreuz I. Klasse ausgezeichnet. Dieser Orden wurde nur selten an Mannschaftsdienstgrade verliehen[6], wenngleich eine Vergabe an Mannschaftssoldaten in der letzten Kriegsphase keine Ungewöhnlichkeit mehr darstellte.[7]

Der Erhalt des Eisernen Kreuzes I. Klasse erwies sich in den folgenden Jahren als eine wichtige Grundlage für Hitlers politische Karriere im Lager der (militaristischen) völkischen Rechten, da der Orden sozusagen den materiellen Beleg dafür darstellte, dass er im Krieg mutig gekämpft hatte, was in den Augen der meisten Angehörigen der politischen Rechten die Voraussetzung dafür darstellte, dass ein Mann den Anspruch erheben durfte, eine führende politische Rolle einzunehmen. Dementsprechend warb Hitler in der Anfangszeit seiner Karriere auch auf Propagandaplakaten, in denen er als Versammlungsredner angekündigt wurde, häufig mit dem Umstand, dass er vier Jahre im Krieg gekämpft und mit dem Eisernen Kreuz I. Klasse ausgezeichnet worden war.[8]

Einige Jahre, nachdem Hitler aufgrund von Emmerich von Godins Antrag mit dem Eisernen Kreuz I. Klasse ausgezeichnet worden war, kam es zu dem ironischen Ereignis, dass Hitlers Karriere im November 1923 beinahe von Godins jüngerem Bruder Michael von Godin beendet wurde, d. h. dass Hitlers Karriere beinahe ausgerechnet von einem Bruder jenes Mannes beendet wurde, der im Jahr 1918 dadurch, dass er damals als vorgesetzter Offizier von Hitler die Verleihung des Eisernen Kreuzes I. Klasse an diesen initiiert hatte, (unbewusst) maßgeblich dazu beigetragen hatte, eine wichtige Voraussetzung dafür zu schaffen, damit Hitler später im Deutschland der Jahre nach dem Ersten Weltkrieg im völkisch-nationalistischen Lager als Politiker Karriere machen konnte (nämlich, dass dieser Inhaber einer relativ selten vergebenen Kriegsauszeichnung war, die ihn als tapferen Frontkämpfer auswies und ihm so Renommee). Von zwei Brüdern (zwei Angehörigen derselben Familie) hatte also der erste Bruder durch einen von ihm vollzogenen militärischen Verwaltungsakt (unwissentlich) daran mitgewirkt, eine entscheidende Voraussetzung dafür zu schaffen, dass Hitler in den Nachkriegsjahren als Politiker der nationalen Szene Karriere machen konnte, während der zweite Bruder dieser Karriere einige Jahre später beinahe ein Ende setzte.

Zu der Beinahe-Beendigung von Hitlers 1919/1920 begonnener politischen Karriere durch Michael von Godin im Jahr 1923 kam es folgendermaßen:

Als Offizier der Bayerischen Landespolizei leitete Michael von Godin am 9. November 1923 in München die Niederschlagung des Hitler-Putsches, d. h. die Niederschlagung von Hitlers Versuch, durch einen gewaltsamen Umsturz von München aus die Herrschaft in Deutschland zu übernehmen. Michael von Godin fungierte an diesem Tag Kommandeur jener Landespolizei-Abteilung, die dem von Hitler angeführten Demonstrationszug der Putschisten vom Bürgerbräukeller zur Feldherrnhalle – mit dem die Umstürzler die Bevölkerung und die Sicherheitskräfte der Stadt auf ihre Seite ziehen wollten – am Münchener Odeonsplatz den Weg versperrte und schließlich das Feuer auf die Putschisten eröffnete.[9]

Die Folge dieses Zusammenstoßes war, dass vier Polizisten und vierzehn Putschisten im Schusswechsel der Polizei mit den Putschisten ums Leben kamen (Hitler selbst entging nur knapp einer tödlichen Polizeikugel, während der direkt neben ihm laufende Max Erwin von Scheubner-Richter tödlich getroffen wurde) und dass der Zug der Putschisten aufgelöst wurde, bzw. auseinanderstob. Auf diese Weise wurde das Putschunternehmen durch die von Michael von Godin kommandierten Polizeikräfte faktisch beendet.

Die Niederschlagung des Putsches durch die von Godins Bruder kommandierte Landespolizei zeitigte als unmittelbare Folgen, dass Hitlers Partei aufgelöst und verboten wurde, und dass er selbst als Hochverräter in Haft genommen wurde, womit seine politisch Laufbahn vorerst beendet war und auch dauerhaft beendet hätte sein können, wenn die bayerische Regierung und zumal die Justiz ihn in der Folgezeit nicht mit ungewöhnlicher Großzügigkeit behandelt hätten, indem sie ihm bereits nach kurzer Haft die Freiheit zurückgaben und ihm eine erneute politische Betätigung erlaubten.

Nachkriegszeit Bearbeiten

Nach Kriegsende und Demobilisierung wurde Godin 1919 mit dem Charakter als Major aus dem Militärdienst verabschiedet. Er schloss sich daraufhin 1920 dem Freikorps Epp an und nahm an der Niederschlagung des Ruhraufstandes teil.

Später verbrachte er einige Zeit in Rumänien, um sich auf die Bewirtschaftung des angestammten Besitzes der mütterlichen Familie vorzubereiten. Da sich dies zerschlug, nahm Godin 1923 eine Tätigkeit bei der Dresdner Bank in Berlin und ab 1926 bei der Allianz Versicherung auf. In seinen letzten Lebensjahren konnte er aufgrund von politischen Schwierigkeiten durch die NSDAP keine Arbeit mehr finden.

Im November 1933 stattete Godin Hitler in Berlin einen Besuch ab, bei dem er diesem das Original des Antrages auf Verleihung des Eisernen Kreuzes I. Klasse, den er im Juli 1918 zu seinen Gunsten eingereicht hatte, übergab. Das Treffen soll in unterkühlter Atmosphäre abgelaufen sein.

Am Nachmittag des 22. November 1934 wurde Godin auf einer Bank im Berliner Bellevuepark mit einem Revolver in der Hand erschossen aufgefunden. Die Todesumstände haben immer wieder Anlass zu Spekulationen gegeben, ob es sich um Suizid oder einen getarnten Mord handelte.[10]

Archivische Überlieferung Bearbeiten

Godins Militärpersonalakte hat sich in der Abteilung Kriegsarchiv des Bayerischen Hauptstaatsarchivs erhalten.

Familie Bearbeiten

Godin hatte sich am 2. April 1921 mit Elisabeth, geschiedene von Lamezan, geborene Freiin von Bonnet zu Meautry (* 1886) verheiratet. Die Ehe blieb kinderlos.

Literatur Bearbeiten

Einzelnachweise Bearbeiten

  1. Genealogisches Handbuch des Adels. Bd. 39 der Gesamtreihe, 1967, S. 259.
  2. Jahresbericht über das K. Wilhelms-Gymnasium zu München 1899/1900.
  3. Bayerische Verlustliste. Nr. 43 vom 6. November 1914, S. 2336.
  4. Rudolf von Kramer, Otto von Waldenfels: VIRTUTI PRO PATRIA. Der königlich bayerische Militär-Max-Joseph-Orden. Kriegstaten und Ehrenbuch 1914–1918. Selbstverlag des Militär-Max-Joseph-Ordens, München 1966, S. 144–145.
  5. Zitiert nacht Anton Joachimsthaler: Hitlers Weg begann in München 1913-1923, 2000, S. 173 und 347. Der Text wird auch sonst häufig in der Sekundärliteratur wiedergegeben, so bei Werner Maser: Adolf Hitler: Legende, Mythos, Wirklichkeit, 1989, S. 144; oder bei Ernst Deuerlein: Der Aufstieg der NSDAP in Augenzeugenberichten, 1968, S. 80. Während der Jahre der NS-Diktatur war er weit verbreitet, so zum Beispiel durch Publikationen, wie Du bist die Nation ("Tornisterschrift über den Führer", erhalten in: Bundesarchiv Berlin: NS 18/178).
  6. Peter Longerich: Hitler. Biographie, 2015, ("[Das Eiserne Kreuz I. Klasse war] eine für einen Mannschaftsdienstgrad außerordentlich seltene Auszeichnung"); Ian Kershaw: Hitler. 1889 – 1936, 2013 ("[Das Eiserne Kreuz I Klasse war] eine seltene Auszeichnung für einen Gefreiten"); Richard Bauer: München, "Hauptstadt der Bewegung": Bayerns Metropole und der Nationalsozialismus, 1993, S. 24 ("Das Eiserne Kreuze I. Klasse, das an Mannschaftsdienstgrade nur selten vergeben wurde"); Christian Graf von Krockow: Hitler und seine Deutschen, 2001, S. 36 ("Im Ersten Weltkrieg, als es im Gegensatz zum Zweiten noch keine Ordensinflation gab, war dies [das EK I. Klasse] eine durchaus nicht alltägliche und besonders für Mannschaftsdienstgrade seltene Auszeichnung."); Ralf Georg Reuth: Hitler: Eine politische Biographie, 2017 ("[Hitler erhielt] das an Mannschaftsdienstgrade selten verliehene Eiserne Kreuz Erster Klasse."); Volker Ullrich (Historiker): Adolf Hitler: Die Jahre des Aufstiegs, 1889-1939, 2013, S. 86 ("[er erhielt das] Eiserne Kreuz I. Klasse - für einen Gefreiten nicht gerade eine alltägliche Auszeichnung"); René Schilling: "Kriegshelden". Deutungsmuster heroischer Männlichkeit in Deutschland 1813-1945, 2002, Schöningh, S. 351f. ("[das] an Mannschaftsdienstgrade selten vergebene Kreuz I. Klasse").
  7. Günther Hebert: "Thomas Weber, Hitlers erster Krieg. Der Gefreite Hitler im Weltkrieg - Mythos und Wahrheit", in: Zeitschrift für Bayerische Landesgeschichte, 2012, S. 602. Die Forschungen von Thomas Weber referierend ("bei Mannschaftsdiesgraden war das [mit dem EK I. Klasse ausgezeichnet zu werden] die Ausnahme, aber, vor allem gegen Ende des Krieges, nicht gar so selten.").
  8. Christian Graf von Krockow: Hitler und seine Deutschen, 2001, S. 37 ("Die praktische Bedeutung des Eisernen Kreuzes ist ohnehin kaum hoch genug einzuschätzen; - nach 1918 sicherte es dem Mann aus Österreich in den Wechseln den Wechselfällen seiner politischen Laufbahn im tieferen Sinn das Recht, als Deutscher vor Deutschen zu sprechen und ihr Führer zu werden: Als Soldat war er einer von ihnen geworden, und er hatte sich bewährt.")
  9. Hans von Godin: Strafjustiz in rechtloser Zeit mein Ringen um Menschenleben in Berlin, 1943-45, 1990, S. 107 ("[Hans von Godin] kommandierte am 9. November 1923 als Polizeileutnant das Wachbataillon der bayerischen Landpolizei, welches auf seinen Schießbefehl Hitlers sogenannten Putsch vor der Feldherrnhalle in München niederschlug."); Thomas Weber: Hitler's First War Adolf Hitler, the Men of the List Regiment, and the First World War, 2010, S. 267 ("[Hitler's putsch ended] when Bavarian police - commanded by Michael Freiherr von Godin, the brother of the former commander of Hitler's regiment who had awarded the Iron Cross 1st Class to Hitler - opened fire on Hitler and his followers"); Günther Hebert: Thomas Weber, Hitlers erster Krieg. Der Gefreite Hitler im Weltkrieg - Mythos und Wahrheit, in: Zeitschrift für Bayerische Landesgeschichte, 2012, S. 602. Die Forschungen von Thomas Weber referierend: "[Godins] Bruder Michael - Held durch Zufall - war der Führer der Landespolizei-Abteilung, die 1923 auf die Putschisten vor der Feldherrnhalle das Feuer eröffnete."
  10. Todesdatum nach Genealogisches Handbuch des Adels, Bd. 79 der Gesamtreihe, 1982, S. 202. Vereinzelt wird auch der 23. November als Todestag angegeben, so hier ([1]) unter Verweis auf Erinnerungen eines Neffen von Godin.