Diego Neria Lejárraga

spanischer ex-transsexueller Mann

Diego Neria Lejárraga (* ca. 1967 in Plasencia, Spanien) ist ein spanischer trans Mann, der am 24. Januar 2015 von Papst Franziskus in einer Privat-Audienz empfangen wurde. Er war damit der erste trans Mensch, der von einem Papst eingeladen und empfangen wurde.[1]

Leben Bearbeiten

Diego Neria wurde als biologisch weibliches Kind geboren. Er stammt aus einer wohlsituierten, sehr gläubigen katholischen Familie, die eine enge Beziehung zur Kirche pflegte und einen eigenen Paso bei der Semana Santa von Plasencia hatte.[2] Diego fühlte sich von klein auf als Junge. Jedes Jahr zu Weihnachten schrieb er einen Brief mit Wünschen an die Heiligen drei Könige, die jedoch nie erfüllt wurden, weil er immer nur Spielzeug für kleine Jungs haben wollte.[3]

Als er in die Pubertät kam, wurde sein Leidensdruck immer größer. Er fühlte sich seinem Schicksal ausgeliefert in einem Körper, den er nicht akzeptieren konnte: „Mein Kerker war mein eigener Körper, weil er absolut nicht mit dem übereinstimmte, was meine Seele fühlte.“[4] Er versteckte seinen Körper so gut er konnte, ging im Sommer weder mit Freunden ins Schwimmbad, noch in den Swimmingpool seiner Eltern.[5] Seinen Oberkörper verband er und trug nur Kleidungsstücke, die drei Größen zu groß waren, um die Teile seines Körpers zu bedecken, die er verabscheute.[6]

Obwohl seine Eltern und seine Schwester von seiner Problematik und seinem Leidensdruck wussten, und laut Diego Neria eine liebevolle Atmosphäre in der Familie herrschte, bat seine Mutter ihn, keine geschlechtsangleichenden Maßnahmen zu unternehmen, solange sie lebt. Daher wartete er. In ihren letzten Lebensjahren kümmerte er sich um seine Mutter und kontaktierte ein Jahr nach ihrem Tod, im Alter von 40 Jahren einen plastischen Chirurgen, um seinen Körper umzuwandeln zu lassen.[6]

Während seiner Transition lebte er auf halbem Wege zwischen Madrid und Plasencia; später kehrte er völlig verändert in seine Heimatstadt zurück.[7] Er erlebte dort heftige soziale Ablehnung und Ausgrenzung, besonders in seiner Gemeinde, wo er als „unwürdig“ beschimpft wurde. Ein Priester nannte ihn „Tochter des Teufels“.[8][1]

Diego Neria litt unter diesen Diskriminierungen und lebte sehr zurückgezogen. Eines Tages entschloss er sich, einen Brief an Papst Franziskus zu schreiben. Bei der Weiterleitung des Briefes war ihm der Bischof von Plasencia, Amadeo Rodríguez Magro, behilflich, bei dem er seit einiger Zeit Ermutigung und Unterstützung gefunden hatte.[6]

Audienz beim Papst Bearbeiten

Am 8. Dezember 2014 erhielt Diego Neria Lejárraga einen Anruf von Papst Franziskus von einer anonymen Nummer.[6] Er habe seinen Brief gelesen und dieser sei ihm sehr zu Herzen gegangen, und er wolle ihn sehen.[9] Bei einem zweiten Anruf des Papstes vereinbarten sie ein Treffen am 24. Januar 2015 im Vatikan.[10]

Das Treffen zwischen Diego Neria Lejárraga, seiner Partnerin und dem Papst fand in der Casa Santa Marta im Vatikan statt und dauerte etwa eine Stunde. Diego Neria fragte den Papst, „ob es heute, nach seiner Geschlechtsangleichung, irgendein Eckchen für ihn in der Kirche gebe“. Daraufhin umarmte ihn der Papst.[11] Neria gab nur wenige Einzelheiten über das Treffen preis, aber er sagte später über den Papst: „Er ist die personifizierte Güte... In der Gegenwart von Papst Franziskus fühlt man sich geliebt, respektiert, umarmt. Ich bewunderte ihn vor dem Besuch, aber das war nichts im Vergleich zu der Verehrung, die ich jetzt für ihn empfinde“.[12]

Neria bekam, nachdem Medienberichte über das Treffen erschienen waren, viele Nachrichten von mitfühlenden Mitmenschen. Auch seine persönliche Situation veränderte sich: das Mobbing in seiner Heimatstadt und -Gemeinde wurde weniger. Nach eigenen Worten habe er durch das Treffen mit dem Papst Frieden gefunden.[13][6] Auf der anderen Seite bekam er eine öffentliche Aufmerksamkeit, insbesondere durch die internationalen Medien.[14]

Reaktionen Bearbeiten

Die Nachricht von dem Treffen mit dem Papst ging durch die internationale Presse.

Der Vatikan und die spanischen Bischöfe gaben keinen offiziellen Kommentar zu dem Treffen ab, sondern verwiesen darauf, dass es sich dabei um eine Privatangelegenheit des Papstes handele.[15]

Führende LGBT-Aktivisten in der katholischen Kirche äußerten sich gegenüber dem National Catholic Reporter sehr erfreut über das Treffen von Papst Franziskus mit Diego Neria. So sagte Francis DeBernardo, ausführender Direktor des New Ways Ministry: „Ich denke, dass das Treffen mit dem transgender Mann eine Geste nicht nur von pastoraler Fürsorge war, sondern von ehrlichem Interesse, etwas über Transgender-Erfahrungen aus erster Hand zu lernen.“[16] DeBernardo meldete jedoch gleichzeitig Bedenken an, das Treffen überzubewerten: „In diesem Moment würde ich nicht das Wort ‚Akzeptanz‘ verwenden, um die Haltung des Vatikans gegenüber der Transgender Gemeinschaft zu beschreiben. Ich denke ‚Dialog‘ wäre ein besseres Wort. … Die Weigerung des Vatikans, das Treffen zu verifizieren, ist ein anderes Zeichen, warum ich nicht denke, dass man ihre Haltung schon als ‚Akzeptanz‘ bezeichnen kann.“[17]

Jeannine Gramick, Mitbegründerin von New Ways Ministry äußerte in einer Stellungnahme gegenüber dem National Catholic Reporter: „Jorge Mario Bergoglios Verehrung der Maria, Löserin der Knoten, fand ihren Ausdruck in Papst Franziskus' Umarmung des Transgender-Spaniers... Dies war eine weltweite Umarmung, die zurückstrahlt auf Transgender-Menschen rund um den Globus.“[18]

Sehr erfreut zeigte sich auch Volker Beck, zu dieser Zeit religionspolitischer Sprecher der Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen, über die Nachricht von der Audienz des Papstes mit dem spanischen Transmann: „Ich begrüße diesen Schritt ausdrücklich“. Es sei an der Zeit, dass die katholische Kirche „im Sinne christlicher Nächstenliebe Transsexuellen, aber auch Lesben und Schwulen mit Respekt begegnet“.[1]

Neria selbst erwartet keine großen Veränderungen „über Nacht“ in der offiziellen Haltung der Kirche zu Transsexualität, hält solche aber für möglich.[19]

Papst Franziskus erklärte einige Monate später im Oktober 2016, Transmenschen dürften nicht ausgegrenzt werden, ihre Fälle seien differenziert zu betrachten, und sie sollten „… von den Gemeinden integriert, begleitet und ‚näher zu Gott‘ geführt werden. … Genau das würde Jesus heutzutage tun.“ Der Vatikan gab auch zu dieser Äußerung des Papstes keine offizielle Stellungnahme ab.[20]

Siehe auch Bearbeiten

Weblinks Bearbeiten

Einzelnachweise Bearbeiten

  1. a b c „Papst empfängt Transsexuellen zu Audienz“, n-tv, 27. Januar 2015, (zuletzt abgerufen am 18. Januar 2018).
  2. „Nació en el seno de una familia bien situada, católica y practicante. Con paso propio en la Semana Santa placentina. Con una estrecha relación con la Iglesia.“ Ana B. Hernandez: „El bendito encuentro entre Francisco y Diego“, in: Hoy, 26. Januar 2015 (spanisch), zuletzt abgerufen am 21. Januar 2018.
  3. „Sus cartas a los Reyes Magos parecía que nunca llegaban. Porque jamás tuvo el regalo que pedía: aquello que le permitiera ser niño. Y su desilusión llevaba a su madre a esconderse para que no la viera, y llorar. Porque ella sabía que Sus Majestades de Oriente no podían traer a su ‘niño’ el regalo que cada Navidad pedía.“ Ana B. Hernandez: „El bendito encuentro entre Francisco y Diego“, in: Hoy, 26. Januar 2015 (spanisch), zuletzt abgerufen am 21. Januar 2018.
  4. „Mi cárcel era mi propio cuerpo porque no se correspondía en absoluto con lo que mi alma sentía“ Ana B. Hernandez: „El bendito encuentro entre Francisco y Diego“, in: Hoy, 26. Januar 2015 (spanisch), zuletzt abgerufen am 21. Januar 2018.
  5. „Y lo escondió durante años como pudo. «No conocí un verano feliz en el que poder ir a la piscina con los amigos», reconoce con tristeza. Ni siquiera se daba chapuzones en la piscina que sus padres hicieron para él en la casa familiar. Porque, simplemente, no quería verse.“ Ana B. Hernandez: „El bendito encuentro entre Francisco y Diego“, in: Hoy, 26. Januar 2015 (spanisch), zuletzt abgerufen am 21. Januar 2018.
  6. a b c d e Ana B. Hernandez: „El bendito encuentro entre Francisco y Diego“, in: Hoy, 26. Januar 2015 (spanisch), zuletzt abgerufen am 21. Januar 2018.
  7. „Por fin, su cuerpo y su alma se habían encontrado.“ Ana B. Hernandez: „El bendito encuentro entre Francisco y Diego“, in: Hoy, 26. Januar 2015 (spanisch), zuletzt abgerufen am 21. Januar 2018.
  8. „«¿Cómo te atreves a entrar aquí con tu condición? No eres digno», le dijeron algunos de comunión diaria cuando Diego volvió a su iglesia. «Eres la hija del diablo», escuchó un día en plena calle de boca de un sacerdote.“ Ana B. Hernandez: „El bendito encuentro entre Francisco y Diego“, in: Hoy, 26. Januar 2015 (spanisch), zuletzt abgerufen am 21. Januar 2018.
  9. „No sabía qué estaba pasando hasta que el Santo Padre le dijo que había leído su carta y le había llegado al alma. La emoción apenas le permitió abrir la boca, pero el Papa le pidió que se calmara y le dijo que quería verle, y que le llamaría más adelante para fijar la fecha del encuentro“. Ana B. Hernandez: „El bendito encuentro entre Francisco y Diego“, in: Hoy, 26. Januar 2015 (spanisch), zuletzt abgerufen am 21. Januar 2018.
  10. „El 20 de diciembre, mientras paseaba por Sevilla, ciudad en la que reside su prometida. El Santo Padre volvió a telefonear a Diego. Y le propuso, si les venía bien a él y a su mujer, la fecha del 24 de enero, a las cinco de la tarde, en El Vaticano para verse.“ Ana B. Hernandez: „El bendito encuentro entre Francisco y Diego“, in: Hoy, 26. Januar 2015 (spanisch), zuletzt abgerufen am 21. Januar 2018.
  11. „Diego le preguntó al Santo Padre entonces si tal como es hoy, si después de su reasignación de género, hay algún rincón en la casa de Dios para él. Y el Papa Francisco ayer le abrazó en El Vaticano.“ Ana B. Hernandez: „El bendito encuentro entre Francisco y Diego“, in: Hoy, 26. Januar 2015 (spanisch), zuletzt abgerufen am 21. Januar 2018.
  12. “He is ‘la bondad personificada (kindness made in person).’ There isn’t a second of that visit that I don’t recall,” Neria says... “In the presence of Pope Francis you feel loved, respected, embraced. I admired him before visiting, but that was nothing compared to the devotion I have for him now.” Tierney Mcafee & Praxilla Trabattoni: Touched by the Pope. Transgender man denounced by parish priest says visit with pope Francis gave him a safe place to leave his pain behind, in People Celebrity, 17. September 2015, im Net: People Celebrity, 17. September 2015 (englisch) zuletzt abgerufen am 22. Januar 2018
  13. Tierney Mcafee & Praxilla Trabattoni: „Touched by the Pope. Transgender man denounced by parish priest says visit with pope Francis gave him a safe place to leave his pain behind“, in People Celebrity, 17. September 2015, im Net: People Celebrity, 17. September 2015 (englisch) zuletzt abgerufen am 22. Januar 2018
  14. Transgender man: I met with pope Francis, CNN, 31. Januar 2015, abgerufen am 25. Januar 2018
  15. „Vatican spokesmen and the local Spanish bishop's office declined to comment on the meeting, insisting the Pope's private meetings are just that.“ Transgender man: I met with pope Francis, CNN, 31. Januar 2015, abgerufen am 25. Januar 2018
  16. „I think that his meeting with the transgender man was a gesture not only of pastoral care, but of genuine interest in learning about the transgender experience from a firsthand source,“ Francis DeBernardo, executive director of New Ways Ministry, told NCR in an email. Pope Francis meets with, hugs transgender man, in National Catholic Reporter, 30. Januar 2015, abgerufen am 21. Januar 2018.
  17. DeBernardo said while he was pleased with the development, he was also cautious. „At this time, I wouldn't use the word 'acceptance' to describe the Vatican's stance toward the transgender community. I think ‚dialogue‘ would be a better word,“ he said. „The Vatican's reluctance to verify the meeting is another indication of why I don't think their attitude can yet be called ‚acceptance‘,“ DeBernardo said. Pope Francis meets with, hugs transgender man, in National Catholic Reporter, 30. Januar 2015, abgerufen am 21. Januar 2018.
  18. deutsche Übersetzung von: Pope Francis meets with, hugs transgender man, in National Catholic Reporter (NCR), 30. Januar 2015, abgerufen am 25. Januar 2018.
  19. „Neria, a civil servant, told CNN that he's not an activist for transgender people and dosen't expect changes overnight. ...‚But if this Pope has a long life, which all of his followers hope,‘ Neria says, ‚I think things will change.‘“ Transgender man: I met with pope Francis, CNN, 31. Januar 2015, abgerufen am 25. Januar 2018
  20. „Papst: Homo- und Transsexuelle nicht ausgrenzen“, in: „Katholisch.de“, 3. Oktober 2016, zuletzt abgerufen am 25. Januar 2018.