Alhazensches Problem

Problem der geometrischen Optik

Das Alhazensche Problem, benannt nach dem mittelalterlichen arabischen Astronomen Alhazen, ist ein Problem der geometrischen Optik. Es fragt nach der Lage eines Reflexionspunktes auf einer kugelförmigen, spiegelnden Oberfläche bei vorgegebenen Punkten des Strahlenverlaufs. Da dieses Problem schon in der Optik des Claudius Ptolemäus untersucht wurde, spricht man manchmal auch vom Ptolemäischen Alhazenschen Problem.

Gegeben sind und sowie die reflektierende Kugel. Finde den Reflexionspunkt !
Das Alhazensche Problem als Suche nach einem gleichschenkligen Dreieck.

Formulierung des Problems Bearbeiten

Gegeben seien zwei Punkte   als Lichtquelle und   Detektor, etwa als beobachtendes Auge, und eine spiegelnde Kugeloberfläche, die die Verbindungsstrecke von   von   nach   nicht schneidet. Auf welchen Punkt   der Kugeloberfläche muss ein von   ausgehender Lichtstrahl treffen, damit er in den Punkt   reflektiert wird?[1]

Dies wird zu einem ebenen, geometrischen Problem, wenn man sich in eine Ebene begibt, die die Punkte  ,   und den Kugelmittelpunkt enthält. Gegeben sind zwei Punkte   und   und ein Kreis, der die Verbindungsstrecke von   von   nach   nicht schneidet. Für welchen Punkt   der Kreislinie schließen die Geraden   und   denselben Winkel mit der Tangente durch   ein?

Man unterscheidet ein äußeres und ein inneres Problem, je nachdem, ob die beiden Punkte innerhalb oder außerhalb des Kreises liegen. Beim inneren Problem spricht man auch vom Alhazenschen Billard Problem (man stelle sich einen kreisförmig begrenzten Billardtisch vor). Man kann das Problem dann auch so formulieren, dass man das gleichschenklige Dreieck sucht, dessen Umkreis der gegebene Kreis ist und dessen Schenkel durch die beiden gegebenen Punkte verlaufen.[2] Dies ist äquivalent zu folgendem Problem. Finde für zwei vorgegebene Punkte innerhalb eines Kreises die maximale Ellipse, die diese Punkte als Brennpunkte hat und noch innerhalb des Kreises liegt. Ein Berührpunkt aus Kreis und Ellipse ist dann die gesuchte Lösung.[3]

Eine weitere äquivalente geometrische Umformulierung für das äußere Problem fragt zu einem gegebenen Kreis und zwei außerhalb gelegenen Punkten   und  , deren Verbindungsstrecke die Kreislinie nicht schneidet, nach dem Punkt   der Kreislinie, so dass die Summe   der Streckenlängen   und   minimal wird.[4]

Geometrische Lösung Bearbeiten

 
Skizze zur geometrischen Lösung des Alhazenschen Problems.

Dieses bereits auf Claudius Ptolemäus zurückgehende Problem wurde von Alhazen im 11. Jahrhundert gelöst und im fünften und sechsten Buch seines Werks Kitab al-Manazir beschrieben. Diese Lösung gilt als sehr kompliziert. Christian Huygens und René Sluze haben im 17. Jahrhundert die Konstruktion im Rahmen einer längeren Korrespondenz wesentlich vereinfacht. Das Ergebnis dieser Arbeit besteht in der Konstruktion eines Paares sich im rechten Winkel schneidender Geraden, zu denen Hyperbeln mit diesen Geraden als Asymptoten konstruiert werden. Deren Schnittpunkte mit der Kreislinie (des vorgegebenen reflektierenden Spiegels) ergeben dann den gesuchten Reflexionspunkt. Die in der erwähnten Korrespondenz erreichte schrittweise Vereinfachung und weitere historische Angaben finden sich im unten angegebenen Artikel Alhazens Spiegelproblem.[5]

Algebraische Lösung Bearbeiten

Ohne Einschränkung betrachten wir den Einheitskreis   mit der begrenzenden Kreislinie  . Die Punkte   und   werden in der komplexen Ebene durch komplexe Zahlen   und   dargestellt. Dann gilt:

Das Polynom vierten Grades

 

hat Nullstellen  . Unter diesen ist diejenige mit minimalem Wert   der gesuchte Lösungspunkt.[6]

Damit ist das Problem auf die Lösung einer Gleichung vierten Grades zurückgeführt. Das ist bekanntlich algebraisch lösbar.

Unlösbarkeit mit Zirkel und Lineal Bearbeiten

 
Skizze zum Beispiel.

In der geometrischen Betrachtungsweise interessiert die Konstruktion mit Zirkel und Lineal. Jack M. Elkin hat gezeigt, dass dies im Allgemeinen nicht möglich ist.[7] Als Beispiel betrachte man die Punkte   und   im Einheitskreis. Die obige algebraische Lösung führt nach Multiplikation mit dem Hauptnenner auf die Polynomgleichung

 .

Numerisch findet man zwei Lösungen auf dem Einheitskreis (auf vier Nachkommastellen gerundet):

  und  

Zum Nachweis der Nichtkonstruierbarkeit des Realteils von   setze   ins Polynom ein, multipliziere aus, extrahiere den Imaginärteil und ordne nach geraden und ungeraden Potenzen von  . Man erhält

 .

Quadriert man beide Seiten, so hat man nur noch gerade Potenzen von  . Ersetzt man darin   durch   (denn unsere komplexe Nullstelle liegt ja auf dem Einheitskreis) und bringt wieder alles auf eine Seite, so erhält man ein Polynom achten Grades mit ganzzahligen Koeffizienten zur Bestimmung von  . Zerlegt man dieses in irreduzible Faktoren (etwa mit dem Kronecker-Verfahren), so erhält man einen Faktor

 ,

der als einziger für eine Nullstelle   in Frage kommt. Nach dem Lemma von Gauß ist dieses Polynom auch über   irreduzibel, ist also gleich dem Minimalpolynom von  . Die Körpererweiterung   hat damit den Grad  . Es erfüllt zwar die notwendige Bedingung für eine konstruierbare Zahl, diese ist aber nicht hinreichend, den   muss in einem Körperturm aus Körpererweiterungen vom Grad 2 liegen. Man kann zeigen, dass dies nicht der Fall ist. Daher ist das Alhazensche Problem im Allgemeinen nicht mit Zirkel und Lineal lösbar.[8]

Einzelnachweise Bearbeiten

  1. Franka Miriam Brückler: Geschichte der Mathematik kompakt. In: Springer Spektrum. 2017, ISBN 3-662-55351-1, 2.5 Geometrie in mittelalterlichen moslemischen Ländern, S. 77.
  2. Eric W. Weisstein: CRC Concise Encyclopedia of Mathematics. 2. Auflage. Chapman & Hall, 12. Dezember 2002, S. 54, Alhazen's Billard Problem.
  3. Masayo Fujimura, Parisa Hariri, Marcelina Mocanu, Matti Vuorinen: The Ptolemy–Alhazen Problem and Spherical Mirror Reflection. In: Comput. Methods Funct. Theory. Band 19. Springer, 2019, S. 135–155, doi:10.1007/s40315-018-0257-z.
  4. Roger C. Alperin: Mathematical Origami: Another View of Alhazen's Optical Problem. In: Thomas Hull (Hrsg.): Origami3. Taylor & Francis Ltd, 15. November 2017, S. 86.
  5. J. A. Lohne: Alhazens Spiegelproblem. In: Nordisk Matematisk Tidskrift. Band 8, 1970, S. 5–35, JSTOR:24524859.
  6. Masayo Fujimura, Parisa Hariri, Marcelina Mocanu, Matti Vuorinen: The Ptolemy–Alhazen Problem and Spherical Mirror Reflection. In: Comput. Methods Funct. Theory. Band 19. Springer, 2019, S. 135–155, Theorem 1.1, doi:10.1007/s40315-018-0257-z.
  7. Jack M. Elkin: A deceptively easy problem. In: The Mathematics Teacher. Band 58, Nr. 3, März 1965, S. 194–199, JSTOR:27968003.
  8. Peter M. Neumann: Reflections on Reflection in a Spherical Mirror. In: The American Mathematical Monthly. Band 105, Nr. 6, 1998, S. 523–528, JSTOR:2589403.