Irreduzibles Polynom

Polynom, das sich nicht als Produkt zweier nicht invertierbarer Polynome schreiben lässt

In der Algebra, einem Teilgebiet der Mathematik, ist ein irreduzibles Polynom ein Polynom, das sich nicht als Produkt zweier nicht invertierbarer Polynome schreiben lässt und somit nicht in „einfachere“ Polynome zerfällt. Ihre Bedeutung für die Polynomringe ist in den meisten Fällen (Polynome über faktoriellen Ringen) mit der Bedeutung von Primzahlen für natürliche Zahlen gleich.

Definition Bearbeiten

Die Definition lässt sich bereits für Integritätsringe formulieren. Es ist bekannt, dass der Polynomring über einem Integritätsring selbst nullteilerfrei ist. Dies ist der Grund, dass die Definitionen von irreduziblen Elementen übernommen werden kann. Da in vielen Fällen nur Körper behandelt werden und die Definition dort einfacher ist, wird auch die Definition für diesen Spezialfall aufgeführt. In der allgemeinen Definition kann man sich trivialerweise auf eine Variable beschränken.

Definition allgemein für Integritätsringe Bearbeiten

Es sei   ein Integritätsring. Dann heißt ein Polynom   irreduzibel, wenn   nicht invertierbar in   ist und für   und   entweder   oder   invertierbar ist.

Definition speziell für Körper Bearbeiten

Es sei   ein Körper. Dann heißt ein Polynom   aus dem Polynomring in   Unbestimmten irreduzibel, wenn   nicht konstant ist und es keine nichtkonstanten Polynome   gibt, so dass   gilt. Falls solche Polynome existieren, so heißt   auch reduzibel oder zerlegbar.

Eine äquivalente Beschreibung lautet: Irreduzible Polynome sind genau die irreduziblen Elemente im Ring  .

Primpolynome und irreduzible Polynome im Vergleich Bearbeiten

Ein Polynom   heißt prim oder Primpolynom, wenn für alle   mit der Eigenschaft   folgt:   oder  . Ist der Ring sogar faktoriell, so ist auch   faktoriell (Satz von Gauß). Insbesondere sind alle Körper faktoriell und damit auch die zugehörigen Polynomringe.

Für Polynome über faktoriellen Ringen (also auch für Polynome über einem Körper) sind Primelemente auch irreduzible Elemente und umgekehrt. Es gilt zudem eine bis auf Assoziiertheit eindeutige Zerlegung von Polynomen in Primpolynome.

Es lassen sich in diesen faktoriellen Ringen die Irreduzibilität von Polynomen auch auf die Irreduzibilität von Polynomen über dem Quotientenkörper zurückführen. Dieses Problem ist aber nicht zwangsläufig einfacher zu lösen. Man beachte dazu, dass ein Polynom aus einem faktoriellen Ring   genau dann prim ist, wenn das Polynom entweder konstant einem Primelement ist, oder irreduzibel und primitiv (d. h. größter gemeinsamer Teiler aller Koeffizienten ist  ) in dem Quotientenkörper über  .

Irreduzibilitätskriterien Bearbeiten

In sehr vielen Bereichen kommen Polynome in einer Variablen vor, deren Irreduzibilität weitere Folgerungen möglich macht, z. B. grundlegend in der Galoistheorie und exemplarisch als Anwendung das chromatische Polynom in der Graphentheorie. (Siehe auch Minimalpolynom). Wichtig ist es deshalb, einfache Entscheidungskriterien für die Irreduzibilität zur Hand zu haben.

Das Irreduzibilitätskriterium von Eisenstein Bearbeiten

Das Eisensteinkriterium ist ein hinreichendes (aber nicht notwendiges) Kriterium für die Irreduzibilität eines Polynoms in einer erweiterten Koeffizientenmenge. Sei dazu   ein Integritätsring,   ein Polynom mit Koeffizienten aus   und   der Quotientenkörper von  . Findet man ein Primelement  , so dass gilt:

  •  
  •   für   sowie
  •  

dann ist   irreduzibel über  . Es wird häufig angewendet für   und  . Man kann die Bedingung der Teilbarkeit durch das Primelement   auch überall durch Enthaltensein in einem Primideal von   ersetzen.

Ist   faktoriell und das Polynom   primitiv, d. h. der größte gemeinsame Teiler aller Koeffizienten ist  , dann ist   auch in   irreduzibel.

Reduktionskriterium Bearbeiten

Auch das Reduktionskriterium ist nur ein hinreichendes Kriterium für die Irreduzibilität eines Polynoms. Es sei wieder   ein Integritätsring mit Quotientenkörper   und   ein Primelement. Sei   ein Polynom mit  . Wenn   mit den modulo   reduzierten Koeffizienten in   irreduzibel ist, dann ist in jeder Zerlegung   mit   automatisch   oder   (dies impliziert mit dem Lemma von Gauß Irreduzibilität von   in  , falls   faktoriell ist).

Beispiele Bearbeiten

  • Über Körpern gilt:
    • Jedes Polynom vom Grad 1 ist irreduzibel. Besitzt ein irreduzibles Polynom eine Nullstelle, so hat es Grad 1.
    • Insbesondere hat jedes irreduzible Polynom über einem algebraisch abgeschlossenen Körper wie   Grad 1.
    • Jedes Polynom über   vom Grad 2 oder vom Grad 3 ist genau dann irreduzibel, wenn es keine Nullstelle in   hat.[1]
  • Jedes irreduzible Polynom über den reellen Zahlen hat Grad 1 oder 2, folglich entweder die Form   mit   oder   mit  . Das hängt damit zusammen, dass der algebraische Abschluss   Grad 2 über   hat.
  •   irreduzibel über       für eine Primzahl aus  , oder   ist primitiv und irreduzibel über  
  •   ist irreduzibel. Um dies einzusehen, zeigt man, dass alle irreduziblen Faktoren   des Polynoms den gleichen Grad haben. Da   prim ist, muss das Polynom dann entweder irreduzibel sein, oder in Linearfaktoren zerfallen. Letzteres kann aber nicht sein, da das Polynom in   keine Nullstelle besitzt. Um nun zu zeigen, dass alle   den gleichen Grad haben, kann man eine Nullstelle   im Zerfällungskörper des Polynoms betrachten. Da das Polynom invariant unter der von   induzierten Abbildung ist, sind auch   Nullstellen. Im Zerfällungskörper hat das Polynom also die Gestalt  . Für jeden irreduziblen Faktor   gibt es somit ein  , so dass   Nullstelle des verschobenen Polynoms   ist. Mit   ist auch   irreduzibel, d. h. alle irreduziblen Faktoren   haben den gleichen Grad wie das Minimalpolynom von  .
  • Das Polynom   ist irreduzibel, denn es ist primitiv und ein irreduzibles Polynom in den rationalen Zahlen. Man wende dazu das Reduktionskriterium an. Das Polynom mit den reduzierten Koeffizienten modulo   ist dabei  , und dies ist irreduzibel.
  •   ist irreduzibel. Dies folgt aus dem Eisensteinkriterium nur mit dem Primelement  .
  • Für eine Primzahl   ist das Polynom   für  ,  , irreduzibel über  . Das Minimalpolynom von   über   ist also  . Als Folgerung ergibt sich beispielsweise, dass die Quadratwurzel aus   eine irrationale Zahl ist (oder eine  -te Wurzel aus einer Primzahl mit  ).
  •   (oder als Element aus   – man beachte, dass es primitiv ist) ist irreduzibel (Eisensteinsches Kriterium). Das Primelement ist dabei  . Dieses Polynom ist allerdings nicht separabel, d. h., es hat im algebraischen Abschluss von   eine mehrfache Nullstelle. Dieses Phänomen tritt nicht in   auf.

Literatur Bearbeiten

  • Christian Karpfinger, Kurt Meyberg: Algebra. Gruppen – Ringe – Körper. 2. Auflage. Spektrum Akademischer Verlag, Heidelberg 2010, ISBN 978-3-8274-2600-0, Kapitel 18.

Einzelnachweise Bearbeiten

  1. Ed Dubinsky, Uri Leron: Learning abstract algebra with ISETL. 2019, ISBN 978-3-662-25454-7, S. 232 (Satz 6.17).