Aconia Fabia Paulina

Römische Aristokratin und Priesterin

Aconia Fabia Paulina[1] († 384/ 387) war eine spätantike aristokratische Römerin. Sie war Tochter des Suffektkonsuls Aconius Catullinus Philomatius und seit 344 mit Vettius Agorius Praetextatus verheiratet. Sie hatten Besitzungen auf Esquilin und dem Aventin, die durch dort gefundene Inschriften abgesichert sind. Sie wurde in verschiedene Mysterienkulte eingeführt. Die meisten Informationen sind vom Grabmal ihres Mannes bekannt, das ein ihr zugeschriebenes Trauergedicht enthält. Außerdem wird sie in zwei Briefen des Kirchenvaters Hieronymus erwähnt.

Vorderseite des Grabdenkmals für Praetextatus und Paulina, CIL 6, 1779

Leben Bearbeiten

Ehe mit Praetextatus Bearbeiten

 
Inschrift mit den Priesterämtern von Paulinas Mann, CIL 6, 1778

Paulina war die Tochter des Aconius Catullinus Philomatius, eines bekannten Aristokraten, der von 342 bis 344 das Amt des Praefectus urbi von Rom innehatte und 349 Suffektkonsul war. Im Jahr 344 heiratete sie Vettius Agorius Praetextatus,[2][3] der mehrfach Statthalter war und schließlich 384 zum praefectus praetorio Italia ernannt wurde. Er war Mitglied mehrerer Mysterienkulte, in die er Paulina einführte. So war sie in den Fruchtbarkeitskult der Ceres und der Mysterien von Eleusis, sowie den lernaischen Mysterien des Dionysos und der Demeter eingeweiht. Zudem war sie Priesterin der weiblichen Gottheiten Isis als Isiaca, Hekate als Hierophantin und der Magna Mater als Tauroboliata.[4][5][6] Die Priesterämter werden auf dem Grabdenkmal ihres Mannes (CIL 6, 1779) in verkürzter Form genannt und auf einer Statuenbasis (CIL 1780) erweitert.[7] Durch die Nennung der Ämter waren sie und ihr Ehemann als Vertreter der alten heidnischen Ordnung erkennbar.[8] Nach Kahlos werden die verschiedenen Gottheiten explizit erwähnt, um zu erklären, dass Paulina anders als viele Ehefrauen der Zeit an die heidnischen Gottheiten ihres Mannes und nicht an Christus glaubte.[9]

Die Ehe mit Praetextatus wird in der Inschrift des gemeinsamen Grabdenkmals als heilig und Paulina als Geschenk der Götter bezeichnet. Zudem wird die Freundschaft und Kameradschaft der Ehepartner beschrieben. Diese Lobpreisungen werden in der Literatur als Hinweis auf die große Eigenständigkeit mancher Frauen in der Spätantike gesehen. Die ihr zugeschriebenen Tugenden Keuschheit, Reinheit und Frömmigkeit beschreiben eine ideale römische Frau.[10][11]

Besitzungen auf Esquilin und Aventin Bearbeiten

Praetextatus und Paulina besaßen mindestens zwei Häuser. Eines befand sich auf dem Esquilin,[12] wahrscheinlich zwischen der Via Merulana und der Viale del Monte Oppio in Rom, wo heute der Palazzo Brancaccio steht. Der Garten um den Palast, die sogenannten Horti Vettiani,[13] erstreckte sich bis zum heutigen Bahnhof Roma Termini. Bei archäologischen Untersuchungen in diesem Gebiet wurden Überreste eines Hauses mit zwei Inschriften[14] sowie zwei römische Bleirohrinschriften mit den Namen von Praetextatus und Paulina gefunden.[15] Darunter befand sich der Sockel einer Statue, die Coelia Concordia, einer der letzten Vestalinnen, gewidmet war, die nach dem Tod von Praetextatus im Jahr 384 eine Statue zu seinen Ehren errichtet hatte; als Gegenleistung für diese Ehre widmete Paulina Concordia eine Statue.[16] Ein zweites Haus könnte sich auf dem Aventin befunden haben, wo eine Inschrift gefunden wurde, die auf eine Statue des Praetextatus in dessen Haus verweist.[17][18]

Trauergedicht Bearbeiten

Die wichtigste Quelle für Paulinas Leben ist das Grabdenkmal für Praetextatus (CIL 6,1779), das 1750 in Rom an unbekannter Stelle gefunden wurde und heute in den Kapitolinischen Museen ausgestellt wird.[19] Es wurde als Staatsdenkmal auf dem Forum Romanum nahe der Phokassäule aufgestellt.[20] Im Gegensatz zu anderen Inschriften des 5. Jahrhunderts wurde dieses Monument aus griechischem Marmor nicht wiederverwendet. Es trägt über der Hauptinschrift ein Relief aus Girlanden, Blattkranz und Füllhorn, an den Rändern Säulen und auf den Seiten Darstellungen von Urceus und Patera, was auf die heidnischen Traditionen der Aufsteller verweist.[21]

Auf der Vorderseite des Grabdenkmals befindet sich die Beschreibung des cursus honorum von Praetextatus und auf den anderen drei Seiten ein Gedicht in jambischen Senarien. Auf den schmalen Seiten lobt Praetextatus im Elogium die Tugenden seiner Ehefrau und auf der Rückseite preist Paulina ihren Ehemann und ihre gemeinsame Liebe.[22][23] Diese Laudatio geht wahrscheinlich auf Paulinas Trauerrede (laudatio funebris) für ihren Mann zurück.[24] Der Text auf der Vorderseite wurde nach Niquet vor ihrem Tod gefertigt und erst nach ihrem Tod um die letzten Zeilen ergänzt.[21]

Dies ist nach Stevenson eine der wenigen bekannten Trauerreden durch eine römische Frau der Spätantike.[25] Das Gedicht wird von Hieronymus in einem Brief erwähnt, in dem er Praetextatus verspottet und behauptet, er sei in der Hölle.[26] Nach Kahlos reflektiert diese Aussage die Grabrede der Paulina, in der sie zweimal hofft, mit ihrem Mann im Himmel vereint zu werden.[27] In einem weiteren Brief beklagt Hieronymus, dass Paulina im Gegensatz zur christlichen Briefadressatin zumindest Glauben habe.[28]

Über den Todeszeitpunkt von Paulina besteht Uneinigkeit. Kahlos nimmt an, dass sie 384 kurz nach ihrem Mann verstarb.[29] Nach Niquet starb sie allerdings erst drei Jahre später im Jahr 387. Dies begründet sie mit einer Statuenbasis (CIL 6, 1778), die nach der Konsuldatierung an der Schmalseite das Jahr 387 belegt. In dieser Inschrift werden nur die Ämter des Praetextatus aufgezählt und sie ist wohl eine Abschrift des Grabdenkmals (CIL 6, 1779).[30]

Ihr Kind unbekannten Geschlechts widmete ihnen ein Denkmal im Haus auf dem Aventin.[31][32] In einem Brief von Hieronymus wird eine Praetexta erwähnt, die sich mit ihrem Mann Hymetius in seinem Freundeskreis bewegte und von einigen Autoren als Tochter von Paulina vermutet wird.[33][34]

Rezeption in De excidio Hierosolymitano Bearbeiten

Im Kapitel 2.4 von De excidio Hierosolymitano des Pseudo-Hegesippus aus dem späten 4. Jahrhundert wird eine Jungfrau Paulina eingeführt, die von einem Bewunderer unter falschen Vorwänden in einen Isistempel gelockt und dort vergewaltigt wird. Darauf reagiert Kaiser Tiberius, indem er den Täter hinrichten lässt. Nach MacRae ist diese Übertragung aus Flavius JosephusJüdischer Krieg eine Analogie zu Aconia Fabia Paulina und als christliches Pamphlet zu lesen. Der Sittenverfall während der römischen Kaiserzeit und die unkeusche Paulina sollen als Negativbeispiel im Gegensatz zur idealen asketischen christlichen Frau stehen. Für Zeitgenossen war der Zusammenhang mit der offen heidnischen Paulina erkennbar.[35]

Quellen Bearbeiten

Literatur Bearbeiten

  • Camilla Campedelli: Der Grabaltar von Praetextatus und Praetextatus und Paulina. Eine aristokratische Liebeserklärung über den Tod hinaus. In: Gymnasium. Band 129, Nummer 3, 2022, S. 215–233.
  • Maijastina Kahlos: Fabia Aconia Paulina and the Death of Praetextatus – Rhetoric and Ideals in Late Antiquity (CIL VI 1779). In: Arctos. Band 28, Nummer 1, 1994, S. 13–25 (Digitalisat).
  • Maijastina Kahlos: Vettius Agorius Praetextatus. A senatorial life in between (= Acta Instituti Romani Finlandiae. Band 26). Institutum Romanum Finlandiae, Rom 2002, ISBN 952-5323-05-6.
  • Rodolfo Lanciani: Ancient Rome in the Light of Recent Discoveries. Houghton Mifflin Harcourt, Boston/New York 1898, S. 169–170 (Digitalisat).
  • Duncan MacRae: Ludibrium Paulinae: Historiography, Anti-Pagan Polemic, and Aristocratic Marriage in De excidio Hierosolymitano 2.4. In: Journal of Late Antiquity. Band 14, Nummer 2, 2021, S. 229–256.
  • Heike Niquet: Monumenta virtutum titulique. Senatorische Selbstdarstellung im spätantiken Rom im Spiegel der epigraphischen Denkmäler (= Heidelberger Althistorische Beiträge und Epigraphische Studien. Band 34). Franz Steiner, Stuttgart 2000, ISBN 3-515-07443-0, S. 237–252.
  • Jane Stevenson: Women Latin Poets. Language, Gender, and Authority, from Antiquity to the Eighteenth Century. Oxford University Press, Oxford 2008 (2005), ISBN 978-0-19-818502-4, S. 71 f.

Einzelnachweise Bearbeiten

  1. Sie wird Aconia Fabia Paulina in CIL 6, 1779, Fabia Aconia Paulina in CIL 6, 1780, Fabia Paulina in CIL 6, 2145 oder Paulina in CIL 6, 1779 und bei Symmachus, Briefe 1,48 genannt.
  2. Maijastina Kahlos: Vettius Agorius Praetextatus. A senatorial life in between (= Acta Instituti Romani Finlandiae. Band 26). Institutum Romanum Finlandiae, Rom 2002, ISBN 952-5323-05-6, S. 23.
  3. CIL 6, 1779: hi coniuncti simul vixerunt ann(is) XL.
  4. Maijastina Kahlos: Vettius Agorius Praetextatus. A senatorial life in between (= Acta Instituti Romani Finlandiae. Band 26). Institutum Romanum Finlandiae, Rom 2002, ISBN 952-5323-05-6, S. 71–84.
  5. Jane Stevenson: Women Latin Poets. Language, Gender, and Authority, from Antiquity to the Eighteenth Century. Hrsg.: Oxford University Press. Oxford 2008, ISBN 978-0-19-818502-4, S. 71 f.
  6. CIL 6, 1779: tu Dindymenes (Magna Mater) Atteosq(ue) antistitem/ teletis honoras taureis consors pius/ Hecates ministram trina secreta edoces/ Cererisque Graiae tu sacris dignam paras
  7. Heike Niquet: Monumenta virtutum titulique. Senatorische Selbstdarstellung im spätantiken Rom im Spiegel der epigraphischen Denkmäler (= Heidelberger Althistorische Beiträge und Epigraphische Studien. Band 34). Franz Steiner, Stuttgart 2000, ISBN 3-515-07443-0, S. 244.
  8. Anne Kolb, Joachim Fugmann: Tod in Rom. Grabinschriften als Spiegel römischen Lebens (= Kulturgeschichte der antiken Welt. Band 106). Verlag Philipp von Zabern, Mainz 2008, ISBN 978-3-8053-3483-9, S. 69.
  9. Maijastina Kahlos: Vettius Agorius Praetextatus. A senatorial life in between (= Acta Instituti Romani Finlandiae. Band 26). Institutum Romanum Finlandiae, Rom 2002, ISBN 952-5323-05-6, S. 74.
  10. Maijastina Kahlos: Vettius Agorius Praetextatus. A senatorial life in between (= Acta Instituti Romani Finlandiae. Band 26). Institutum Romanum Finlandiae, Rom 2002, ISBN 952-5323-05-6, S. 146–150.
  11. CIL 6, 1779
  12. Zum Haus siehe Federico Guidobaldi: Domus: Vettius Agorius Praetextatus. In: Eva Margareta Steinby (Hrsg.): Lexicon Topographicum Urbis Romae. Band 2. Quasar, Rom 1995, S. 164 (Digitalisat)
  13. Sale degli Horti Tauriani - Vettiani |. In: museicapitolini.org. Kapitolinische Museen, abgerufen am 26. April 2024 (italienisch).
  14. CIL 6, 1781 (Vettii Agorii) und CIL 6, 2145.
  15. CIL 15, 7563.
  16. CIL 6, 2145.
  17. Maijastina Kahlos: Vettius Agorius Praetextatus. A senatorial life in between (= Acta Instituti Romani Finlandiae. Band 26). Institutum Romanum Finlandiae, Rom 2002, ISBN 952-5323-05-6, S. 25–27.
  18. CIL 6, 1777: ut etiam statuae (sic, für statua) ipsius domus honoraret insignia
  19. Anne Kolb, Joachim Fugmann: Tod in Rom. Grabinschriften als Spiegel römischen Lebens (= Kulturgeschichte der antiken Welt. Band 106). Verlag Philipp von Zabern, Mainz 2008, ISBN 978-3-8053-3483-9, S. 68.
  20. Heike Niquet: Monumenta virtutum titulique. Senatorische Selbstdarstellung im spätantiken Rom im Spiegel der epigraphischen Denkmäler (= Heidelberger Althistorische Beiträge und Epigraphische Studien. Band 34). Franz Steiner, Stuttgart 2000, ISBN 3-515-07443-0, S. 238, 248.
  21. a b Heike Niquet: Monumenta virtutum titulique. Senatorische Selbstdarstellung im spätantiken Rom im Spiegel der epigraphischen Denkmäler (= Heidelberger Althistorische Beiträge und Epigraphische Studien. Band 34). Franz Steiner, Stuttgart 2000, ISBN 3-515-07443-0, S. 239.
  22. Maijastina Kahlos: Fabia Aconia Paulina and the Death of Praetextatus – Rhetoric and Ideals in Late Antiquity (CIL VI 1779). In: Arctos. Band 28, Nr. 1, 1994, S. 16 f.
  23. CIL 6, 1779
  24. Maijastina Kahlos: Fabia Aconia Paulina and the Death of Praetextatus – Rhetoric and Ideals in Late Antiquity (CIL VI 1779). In: Arctos. Band 28, Nr. 1, 1994, S. 16–18.
  25. Jane Stevenson: Women Latin Poets. Language, Gender, and Authority, from Antiquity to the Eighteenth Century. Hrsg.: Oxford University Press. Oxford 2008, ISBN 978-0-19-818502-4, S. 71 f.
  26. Hieronymus, Epistolae 23,3.
  27. Maijastina Kahlos: Fabia Aconia Paulina and the Death of Praetextatus – Rhetoric and Ideals in Late Antiquity (CIL VI 1779). In: Arctos. Band 28, Nr. 1, 1994, S. 18 f.
  28. Hieronymus, Epistolae 39,3.
  29. Maijastina Kahlos: Vettius Agorius Praetextatus. A senatorial life in between (= Acta Instituti Romani Finlandiae. Band 26). Institutum Romanum Finlandiae, Rom 2002, ISBN 952-5323-05-6, S. 24.
  30. Heike Niquet: Monumenta virtutum titulique. Senatorische Selbstdarstellung im spätantiken Rom im Spiegel der epigraphischen Denkmäler (= Heidelberger Althistorische Beiträge und Epigraphische Studien. Band 34). Franz Steiner, Stuttgart 2000, ISBN 3-515-07443-0, S. 239–244.
  31. Heike Niquet: Monumenta virtutum titulique. Senatorische Selbstdarstellung im spätantiken Rom im Spiegel der epigraphischen Denkmäler (= Heidelberger Althistorische Beiträge und Epigraphische Studien. Band 34). Franz Steiner, Stuttgart 2000, ISBN 3-515-07443-0, S. 247.
  32. CIL 6, 1777: parenti publice privatim(que) reverendo ut etiam statuae ipsius domus honoraret insignia constituti locari curavit
  33. Maijastina Kahlos: Vettius Agorius Praetextatus. A senatorial life in between (= Acta Instituti Romani Finlandiae. Band 26). Institutum Romanum Finlandiae, Rom 2002, ISBN 952-5323-05-6, S. 24 f.
  34. Hieronymus, Epistolae 107,5
  35. Duncan MacRae: Ludibrium Paulinae: Historiography, Anti-Pagan Polemic, and Aristocratic Marriage in De excidio Hierosolymitano 2.4. In: Journal of Late Antiquity. Band 14, Nr. 2, 2021, S. 229–256.