Wilm-Wilm-Foxtrott heißt ein berühmt gewordener „Fuchstanz“ des Münchener Komponisten Wilhelm Wieninger, nach dessen Spitznamen Wilm-Wilm[1] er benannt ist. Er wurde auch unter dem Titel „Eldorado“[2] bekannt und erschien zuerst 1919 beim Musikverlag von Fritz Schuberth Jr. in Leipzig.[3] Er wurde auch in die Sammlung Für Diele und Salon. 26 Mode-Tänze aufgenommen, die der Verlag Anton J. Benjamin Hamburg-Leipzig veranstaltete.[4]

Hintergrund Bearbeiten

Mit Ernest Tompas „Mariposa“ und „Fox-Trot Mondain“[5] und Siegwart Ehrlichs „Flanell“[6] und „Man tanzt Foxtrott“[7] zählt der „Wilm-Wilm“-Foxtrott mit zu den frühesten in Deutschland entstandenen Foxtrott-Kompositionen.

Berühmt wurde der „Wilm-Wilm“-Foxtrott dadurch, dass ihn der Komponist Paul Hindemith in seiner „Kammermusik Nr. 1“ mit dem „Finale: 1921“ an ungewohnter Stelle zitiert. Nach deren Uraufführung bei den Musiktagen in Donaueschingen 1922, wo die ungewohnte Kombination von E- und U-Musik das bürgerliche Konzertpublikum irritierte, wurde er zum „Bürgerschreck“ der 1920er Jahre.[8]

Der 1890 geborene Wilhelm Wieninger,[9] der den Professorentitel führte, war mit dem Graphikkünstler Ludwig Hohlwein befreundet[10] und schrieb Tanz-[11] und Kabarettmusik,[12] womit er eine gewisse lokale Berühmtheit erlangte. Er soll als Erster den Ausdruck Jazz in seiner Musik verwendet haben.[13] In der Nacht vom 13. auf den 14. November 1927 schoss er sich in München in selbstmörderischer Absicht eine Kugel in den Kopf.[14]

Notenausgaben Bearbeiten

  • Wilm Wilm: Foxtrott [Kl.] Lpz., F. Schuberth jr. (W1W) [ca. 1920], 4°. - Farb. ill. Titel sign. Seché: zwei Tänzer auf Podesten.
  • Für Diele und Salon. 26 Mode-Tänze. 26 grosse Erfolge. Ausgabe für Piano solo, Piano & Violine, Piano, Violine und Cello und Violine solo. Hamburg / Leipzig. Anton J. Benjamin. o. J. [ca. 1920], Verlags-Nr. A.J.B. 6860. Originalbroschur, 4°. 80 Seiten. Farbig ill. Titel.

Enthält u. a.: Wilm-Wilm, Wilm-Wilm-Foxtrott / H. Labadie, Sur l`onde (Meereswogen). Valse Boston / W. Kollo, Schiebermaxe. Onestep / O. Fetrás, Flottes Carré. Lanciers.

Interpreten Bearbeiten

Der erste Musiker, der Wilm-Wilms Foxtrott bereits im März 1919 bei Parlophon auf die Grammophonplatte spielte, war Marek Weber, der damals mit seiner Künstlerkapelle im vornehmen Berliner Grand Hotel Esplanade am Potsdamer Platz im Engagement war. Für Beka nahm der Kapellmeister J. Schura Polischuk[15] den Titel im Frühjahr 1920 auf. In „Erster Tanz-Orchester-Besetzung“ spielte ihn die Odeon-Tanz-Musik; ebenfalls ein Tanz-Orchester (mehr verrät das Etikett nicht) nahm ihn für die Gramophone auf. Er erschien auch als Notenrolle für mechanische Musikinstrumente im Handel.

Tondokumente Bearbeiten

  • Serie 1: Moderne Tänze. Foxtrot von Wilm Wieninger, gespielt von Marek Weber mit seiner Künstler-Hauskapelle vom Hotel Esplanade Berlin. Parlophon [P. 399-II] [Matr.] 2-2434, aufgen. 25. März 1919[16]
  • Eldorado. Foxtrot (Wilm-Wilm) Orchester J. Schura Polischuk. Favorite F 228-II (Matr. F-021 von Beka Matr. 30 441), aufgen. 7. Jänner 1920
  • Wilm-Wilm-Foxtrot (Wilhelm Wieninger) Odeon-Tanz-Musik. Erste Tanz-Orchester-Besetzung. Odeon 311.325 (Matr. xBe 1977), aufgen. Jänner 1920
  • Wilm-Wilm-Foxtrot (Wilhelm Wieninger) Tanz-Orchester. Gramophone 15 764 / 0940.791 (Matr. 1307 L), rec. 12.04.20
  • Notenrollen:
    • Welte rot (T-100) No. 3385 Wilm - Wilm Foxtrot (Wilm - Wilm) gesp. v. Hans Renner[17]
    • Notenrolle für Triola 25 Note (mechan. Zither) Nr. 112: Wilm-Wilm Foxtrot (Wilm-Wilm)[18]

Literatur Bearbeiten

  • Camilla Bork: Im Zeichen des Expressionismus: Kompositionen Paul Hindemiths im Kontext des Frankfurter Kulturlebens um 1920 (= Frankfurter Studien, Schott Musikwissenschaft. Band 11). Verlag Schott, 2006, ISBN 3-7957-0117-1, S. 31.
  • Martin Demmler: Komponisten des zwanzigsten Jahrhunderts. Verlag Philipp Reclam, 1999, ISBN 3-15-010447-5, S. 177.
  • Hans Emons: Montage - Collage - Musik (= Kunst-, Musik- und Theaterwissenschaft. Band 6). Verlag Frank & Timme, 2009, ISBN 978-3-86596-207-2, S. 109.
  • Josef Häusler: Spiegel der neuen Musik - Donaueschingen. Verlag Bärenreiter, 1996, ISBN 3-476-01467-3, S. 38.
  • Stephen Hinton: The idea of Gebrauchsmusik: a study of musical aesthetics in the Weimar Republic (1919–1933) with particular reference to the works of Paul Hindemith 1919–1933 (= Outstanding dissertations in music from British universities. Band 24). Garland Pub., 1989, ISBN 0-8240-2009-X, S. 165 u. 171.
  • Library of Congress, Copyright Office (Hrsg.): Catalog of Copyright Entries: Musical compositions. Teil 3, Library of Congress, Copyright Office 1933, S. 1785 [zu Nr. 5761, 5762]
  • Karin Ploog: Als die Noten laufen lernten... Teil 2: Geschichte und Geschichten der U-Musik bis 1945, Komponisten - Librettisten - Texter. Verlag BoD – Books on Demand, 2016, ISBN 978-3-7386-7287-9.
  • Dieter Rexroth, Kulturamt der Stadt Bonn: Am Beispiel Paul Hindemith: Musik und Kunst der Zwanziger. Reihe Workshop 20.-23. März 1975, Kultur Forum, Bonn Center, Stadttheater Bonn-Bad Godesberg. Kulturamt der Stadt Bonn, um 1975.
  • Heribert Schröder: Tanz- und Unterhaltungsmusik in Deutschland 1918–1933 (= Orpheus-Schriftenreihe zu Grundfragen der Musik / Orpheus-Schriftenreihe zu Grundfragen der Musik. Band 58). Verlag für systematische Musikwissenschaft, 1990, ISBN 3-922626-58-0, S. 274.
  • Sabine Schutte: Ich will aber gerade vom Leben singen--: über populäre Musik vom ausgehenden 19. Jahrhundert bis zum Ende der Weimarer Republik. Band 1 (= Geschichte der Musik in Deutschland. Rororo. Band 7793). Verlag Rowohlt, 1987, ISBN 3-499-17793-5.
  • Hyesu Shin: Kurt Weill, Berlin und die zwanziger Jahre: Sinnlichkeit und Vergnügen in der Musik (= Berliner Musik Studien. Band 23). Studio Verlag, 2002, ISBN 3-89564-076-X, S. 55.
  • International Society for Jazz Research, Hochschule für Musik und Darstellende Kunst in Graz. Institut für Jazzforschung (Hrsg.): Jazz research. Band 21, Verlag Akademische Druck, 1989, S. 132.
  • Friedbert Streller: Sergej Prokofjew und seine Zeit (= Grosse Komponisten und ihre Zeit). Laaber-Verlag, 2003, ISBN 3-89007-554-1, S. 36.
  • Carl Friedrich Whistling, Adolf Moritz Hofmeister (Hrsg.): Hofmeisters Handbuch der Musikliteratur. Band 18, Teil 1, S. 742.

Einzelnachweise Bearbeiten

  1. vgl. Werbeplakat Wilm Wilm, Dancing Componist, von Ludwig Hohlwein, gedruckt bei der Kunstanstalt Graphia, München
  2. Eldorado hieß damals ein berühmtes Berliner Szenelokal, in dem Travestieshows gezeigt wurden, vgl. wiki
  3. Von Seché illustr. Notentitel abgebildet bei dreiraaben.de (Memento vom 29. November 2016 im Internet Archive)
  4. Verlags-Nr. A.J.B. 6860, Bandtitel illustr. abgeb. bei ZVAB.com (abgerufen 28. November 2016)
  5. Ernest Tompa war eines der zahlreichen Pseudonyme, unter denen der Komponist und Arrangeur Camillo Morena, eigentl. Karl Elias Mieses (* 1867 - † unbek.) arbeitete, vgl. dazu Ploog, Als die Noten laufen lernten...Teil 2. S. 228; Schröder, Tanz- und Unterhaltungsmusik. S. 259; Schutte, Ich will aber gerade vom Leben singen. S. 283. Sein Foxtrot “Mariposa” (Schmetterling) wurde ebenfalls am 25. März 1919 von Marek Weber aufgenommen (auf Parlophon 2-2438, anzuhören auf youtube.com), Notentitel abgeb. bei imagesmusicales.be
  6. Es muß ja nicht grad' Flanell sein — Foxtrott. Blasorchester. Beka 30198, aufgen. 20. Februar 1919.
  7. Jll. Notentitel abgeb. bei imagesmusicales.be
  8. vgl. „Das berüchtigte Finale: 1921 greift auf den Foxtrott (Fuchstanz) von Wilm-Wilm zurück und damit auf jenen „Kitsch“ der 1920er Jahre, den Hindemith selbst schrieb, wenn ihm „keine anständige Musik“ mehr einfiel ...“ (so der Kammermusikführer.de); „he was a cabaret composer and went by the nickname "Wilm-Wilm". Hindemith quoted a Wilm-Wilm foxtrot in his "Kammermusik No. 1 with Finale 1921".“ (Benjamin Zimmer, Jan. 22, 2007); „Hindemith zitiert hierin einen populären Foxtrott des Tanzmusik-Komponisten Wilm Wilm. Die Kombination von E- und U-Musik irritierte und entsetzte das bürgerliche Konzertpublikum.“ (Mario-Felix Vogt, Skandalumwitterte Klänge der zwanziger Jahre, bei folkwang-uni.de 22.04.2009). Anzuhören auf youtube.com
  9. VIAF ID:74278601 (Person). Permalink: http://viaf.org/viaf/74278601 DNB 103961739
  10. Von Ludwig Hohlwein ist ein Exlibris 'Wilm Wilm' aus dem Jahre 1919 erhalten. Es zeigt das Porträt des Wilhelm Wieninger (gen. Wilm Wilm), Tanzmusikkomponist und Freund Ludwig Hohlweins: elegant gekleidet, lächelnd nach links blickend, einen Zylinderhut in seiner Hand; links unten das 'Fox'- Schild, als Anspielung auf den Komponisten. 15,5 × 10,5 cm (Darstellung); 27 × 20,5 cm (Blattgröße). Radierung auf cremefarbenem Papier. Rechts oben im Druck bez.: WILM WILM; links unten im Druck in Versalien sign., dat. und bez.: Ludwig Hohlwein 19 München. In: Ausstellungs-Katalog Ludwig Hohlwein, Münchner Stadtmuseum 1996, S. 236, Nr. 275/3, abgebildet bei liveauctioneers.com
  11. z. B. den Fox-Trot “Paddy” (Wilm-Wilm, 2. Okt. 1919), vgl. oldposters.com, oder den Boston “Libelle”, der in mehreren Aufnahmen vorliegt, vgl. DNB, u. a. auch von Marek Weber mit seiner Künstlerkapelle vom Esplanade, Parlophon P. 1062 (Matrizennummer: 2-2565) ; Notentitel m. farb. Titelill., sign. Seché, abgeb. bei dreiraaben.de (Memento vom 29. November 2016 im Internet Archive)
  12. so z. B. das Chanson “Du kleiner schlanker Nachtkumpan” auf einen Text von Georg Queri, dessen Notentitel Ludwig Hohlwein illustrierte. Es erschien 1920 bei Fritz Schuberth Jr. in Leipzig ; abgeb. bei imagesmusicales.be
  13. vgl. fes.de: Volksstimme. Tageszeitung der Sozialdemokratischen Partei im Regierungsbezirk Magdeburg. 38. Jahrgang, Nr. 268, Dienstag, den 15. November 1927, S. 3 : „Freitod eines Komponisten. München, 14. November. In der vergangenen Nacht hat sich der Musikprofessor Wilhelm Wieninger durch einen Kopfschuß getötet. Professor Wieninger ist unter dem Komponistennamen “Wilm-Wilm” bekannt und der Schöpfer zahlreicher neuer Modetänze. Er hat zum ersten Mal das Wort “Jazz” in seiner Musik gebraucht.“
  14. vgl. Benjamin Zimmer, Jan. 22, 2007 : Two Jazz Articles (1919, 1927), bei linguistlist.org: 15. November 1927, „Frederick (MD) Post, S. 1, col. 3: Creator Of "Jazz" A Suicide. Munich, Bavaria, Nov. 14. (AP.)--Prof. Wilhelm Wieninger, widely known here as a dance music composer, committed suicide today by shooting. Prof. Wieninger is credited with having been the first to use the word "jazz" in music.“ ---- Washington Post, Nov. 15, 1927, S. 1/1 : „The suicide in Bavaria of Prof. Wieninger puts into the Hall of Fame the inventor of jazz, but it comes as something of a shock to learn that this style of music had its origin in Munich instead of Harlem.
  15. zu diesem vgl. Artikel von user ‘formiggini’ Sa Nov 08 2014, 00:03 bei grammophon-platten.de
  16. auf dem Parlophon-Vorkriegs-label “Frau mit Schallplatte vor Trichtergrammophon” Matr. Nr. gleich Best. Nr. „2-2434“, auf dem Nachkriegs-Etikett “Röschen” Best. Nr. P. 399-II und Matr. Nr. 2434 ; bei Zwarg, PARLOPHON Matrix Numbers —2-250 to 2-2999: German, PDF online, S. 302, heißt der Foxtrot “Eldorado”.
  17. vgl. Liste der Musikwerkstatt Monschau (Stand März 2005)
  18. vgl. Kevin McElhone's Table of triola bei foxtail.com (Memento vom 29. November 2016 im Internet Archive)