Dies ist ein Entwurf, der noch nicht fertig ist.

Sehr geehrte Leserin, sehr geehrter Leser!

Am 12. September stimmt das Europäische Parlament über einen Entwurf für eine Urheberrechtsrichtlinie ab. Sollte dieser Entwurf beschlossen werden, wäre es uns nicht mehr möglich, diese Enzyklopädie im gegenwärtigen Umfang weiterzuführen. Besonders problematisch für die Wikipedia sind Artikel 11 und 13 des Entwurfs.

  • Artikel 11 sieht eine Lizenzierungspflicht auf Links und Zitate auf bzw. aus Werken von Presseverlagen vor. Der Link ist ein essentielles Element des Internets, das zwischen einzelnen Texten ein Netz spannt. Texte werden online gestellt, um gefunden und gelesen zu werden. Die Einschränkung von Verlinkungen ergibt keinen Sinn und behindert den Informationsfluss. Durch eine Verlinkung entsteht dem Urheber eines online gestellten Werks kein Nachteil, wäre das Auffinden von Netzinhalten unerwünscht, so wären sie nicht ins Internet gestellt worden. Es ist nicht ersichtlich, welcher Schaden durch eine Lizenzierungspflicht abgegolten werden soll. Abgesehen vom bürokratischen Aufwand wären solche Lizenzierungen nicht finanzierbar – ein früherer Vorschlag des für den Entwurf zuständigen Abgeordneten Axel Voss sah gar ein faktisches Verbot, solche Lizenzen kostenfrei zu vergeben, vor.[1]
Die Befürworter einer solchen Lizenzierungspflicht führen an, dass sie mit ihrem Entwurf so genannte Snippets, dies sind Links mit einem kurzen Zitat aus dem verlinkten Text, unterbinden wollen. Ein solches kurzes Zitat ist bereits die Überschrift eines Artikels. Auch wenn ein allein aus einer URL bestehender Link nicht von diesem Entwurf erfasst sein sollte, wäre ein Link, der die Überschrift eines Artikels enthält, von diesem Vorschlag betroffen. Wikipedia befolgt die Zitierregeln, die im Rahmen einer Fußnote als Quellenangabe die Benennung des Titels eines Textes erfordern.
Ein weiterer Effekt von Artikel 11 ist die Verunmöglichung von Zitaten aus Presseerzeugnissen. Dies steht im Widerspruch zum etablierten Zitatrecht, das durch Artikel 10 der Berner Übereinkunft zum Schutz von Werken der Literatur und Kunst geschützt wird. Das Zitat ist eine der Grundlagen des Informationsaustauschs, eine Einschränkung des Zitatrechts stellt den Informationsaustausch und darauf aufbauende Grundrechte wie die Meinungsfreiheit in Frage und ist daher abzulehnen.
Artikel 11 würde es uns aus finanziellen und organisatorischen Gründen unmöglich machen, Presseartikel als Quelle für enzyklopädische Inhalte zu verwenden. Wikipedia wäre gezwungen, auch aus bestehenden Inhalten Einzelnachweise auf und Zitate aus Presseartikeln zu entfernen.
  • Artikel 13 würde die Wikipedia dazu zwingen, einen Uploadfilter für sämtliche benutzergenerierten Inhalte zu erstellen. Daraus entstünden der Enzyklopädie drei Hauptprobleme:
Erstens: Ein solcher Filter müsste eigens entwickelt werden, es gibt keine gängigen oder erprobten Lösungen. Zur Kontrolle des Filters ist ein hoher Ressourcenaufwand notwendig.
Zweitens: Es ist unklar, ob Wikipedia proaktiv Muster sämtlicher urheberrechtlich geschützter Werke – der Datenumfang wäre nicht zu unterschützen – in den Filter einspielen müsste oder ob dieser nur Werke erfassen müsste, zu deren Filterung die Wikipedia von Rechteinhabern präemptiv aufgefordert würde. Im ersten Fall wäre der Aufwand zur Filtererstellung kaum überschau- und bewältigbar. Im zweiten Fall müsste man jedem behaupteten Rechteanspruch vertrauen. In einem aktuellen Fall beansprucht auf Youtube ein Musiklabel die Rechte an einer vom dortigen Uploader selbst eingespielten Aufnahme eines Werks von Johann Sebastian Bach.[2] In einem anderen Fall wird Vogelgezwitscher als Urheberrechtsverletzung beansprucht[3].
Drittens: Uploadfilter sind anfällig für False Positives. Da das dahinter stehende System eine Beweislastumkehr erfordert, muss jemand, dessen Werk von einem Uploadfilter fälschlicherweise erfasst wird, sich vom Verdacht freibeweisen. Etablierte Mechanismen wie der Digital Millennium Copyright Act fordern den Nachweis einer Urheberrechtsverletzung von demjenigen ein, der sie beansprucht.
Artikel 13 ignoriert, dass es keine bewährten Uploadfilter gibt, die von der Wikipedia kurzfristig eingeführt werden könnten. Um sicherzugehen, dass ein Uploadfilter den noch auszujudizierenden Rahmenbedingungen entspricht, und sich dadurch gegen Haftungsansprüche abzusichern, müsste ein solcher Filter möglichst weiche Filterkriterien anwenden, wodurch es zu einer „Überfilterung“ kommen würde. Die Openstreetmap verweist in ihrer Stellungnahme darauf, dass im Fall einer Geodatenbank eine korrekte Darstellung eine exakte Darstellung der Realität ist, wodurch sich alle korrekten Darstellungen ähnlich sind. In solch einem Fall ist einem maschinelle Prüfung auf Ähnlichkeit, wie sie ein Uploadfilter vornimmt, nicht sinnhaft durchführbar. Ein Uploadfilter, dessen Einrichtung für die verhältnismäßig gut ausgestattete Wikipedia eine schwere Hürde wäre, wäre für zahlreiche kleinere Projekte im Bereich des freien Wissens wie die OpenStreetMap finanziell und organisatorisch nicht bewältigbar. Artikel 13 gefährdet
  1. Draft compromise amendments on Article 11 and corresponding recitals, Artikel 11, Abs. 1, 28. März 2018
  2. The future is here today: you can’t play Bach on Facebook because Sony says they own his compositions, Boingboing, 5. September 2018
  3. Guy Gets Bogus YouTube Copyright Claim... On Birds Singing In The Background, Techdirt, 27. Februar 2018