Tamamo no Mae

Fuchsfrau in der japanischen Mythologie

Tamamo no Mae (jap. 玉藻前) ist eine legendäre Fuchsfrau in der japanischen Mythologie. Die Legende wird in verschiedenen Versionen erzählt, gemeinsames Element ist jedoch, dass die schöne, talentierte Tamamo no Mae zur Lieblingskonkubine des Exkaisers Toba aufsteigt und ihn beinahe in den Tod treibt, bis ihre Identität als zauberischer Fuchs aufgedeckt wird. Als negatives Beispiel einer Füchsin in Menschengestalt bildet sie das Gegenstück zur aufopfernden Fuchsfrau Kuzunoha.

Tamamo-no-Mae (Farbholzschnitt von Chikanobu, 1886)

Der Name Tamamo no Mae bedeutet wtl. „Hofdame (no mae 前 ist in diesem Fall ein höfischer Titel) Edelstein (tama 玉) – Seegras (mo 藻)“. Er wird u. a. mit „Prinzessin Juwelengras“ oder „Edelstein-Maid“ übersetzt. Tama 玉 kann allerdings auch als versteckter Hinweis auf Tamamos wahre Identität als (Fuchs-)Geist (tama 霊) gedeutet werden.

Legende und Überlieferungen

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Tamamo no Mae gelangt an den kaiserlichen Hof, wo sie zur Lieblingskonkubine des Herrschers aufsteigt. Sie ist nicht nur besonders schön, sondern auch gelehrt und setzt den gesamten Hof durch ihre Kenntnis des Buddhismus in Erstaunen. In einer Version stellt sie ihre besonderen Fähigkeiten außerdem unter Beweis, als sie den Palast mit von ihrem Körper ausgehenden Licht erleuchtet, nachdem ein heftiger Windstoß alle Lichter gelöscht hat.

Nach einiger Zeit unter ihrem Einfluss erkrankt der Herrscher und ruft Wahrsager und Astrologen zu Hilfe. Abe no Yasuchika, ein Meister der Yin Yang Divination, deckt ihre wahre Identität als Fuchs und ihre bösen Absichten auf. In Fuchsgestalt (als weißer, neunschwänziger Fuchs) flieht sie in die Nasu-Ebene im Norden Japans, wo sie solange gejagt wird, bis sie sich in einen großen Stein verwandelt. Von dem Stein gehen giftige Dämpfe aus, die jedes Lebewesen töten, das in seine Nähe kommt – daher sein Name: „Todesstein“ (sesshōseki 殺生石). Die Legende wurde bereits im Nō-Theater unter dem Titel Sesshōseki dramatisiert und endet mit einer Erlösung der Tamamo no Mae durch den Wanderpriester Gennō Zenji (1329–1400), der damit den Fluch des Todessteins beendet.[1]

Karen Smyers[2] zufolge stammt die früheste geschriebene Fassung der Tamamo-Legende aus dem Jahr 1444. Andere Aussagen dazu finden sich z. B. bei Eisaburo Kusano[3] und S. Akashi.[1] In jedem Fall wurde die Geschichte schon früh dramatisiert und gelangte schließlich auch auf die Bühne des populären Kabuki-Theaters. Die im Nō, Kabuki und Kyōgen unter den Namen Sesshōseki und Tamamo-no-Mae geführten Stücke beruhen jedenfalls alle auf dem gleichen Stoff der Dame Tamamo. Auch die Ukiyoe-Künstler der Edo-Zeit fanden in der dämonisch-schönen Fuchsfrau ein lohnendes Motiv.[4]

Historische Vorbilder

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Was die Identität des Herrschers angeht, der Tamamo verfällt, wird die Sachlage dadurch kompliziert, dass es sich um den Exkaiser Toba (1103–1156, r. 1107–1128) handelt, während der regierende Tennō sein Sohn, der Kind-Kaiser Konoe (1139–55, r. 1142–55), ist. Da wir uns aber in der Zeit der „regierenden Exkaiser“ (s. Insei-System) befinden, liegt die Macht beim Vater, nicht beim Sohn. Westliche Quellen bringen die beiden Figuren jedoch mitunter durcheinander.[5] Die Gestalt der Tamamo soll auf die Hofdame Fujiwara no Nariko (藤原 得子; 1117–1160) zurückgehen, die ihrerseits großen Einfluss auf Exkaiser Toba hatte.

 
Die Fuchsfrau Daji in einer Darstellung von Hokusai

Die ausführlichsten Varianten der Legende enthalten außerdem den Hinweis, dass Tamamo die Inkarnation einer uralten Fuchsgestalt sei, die schon in Indien und China die jeweiligen Herrscher ins Verderben trieb.[6] Sie wird vor allem mit Gestalt der Baosi[7] (8. Jh. v. Chr.) identifiziert, die laut chinesischen Legenden jedoch eine Art Drachenfrau war, während von der grausamen Hofdame Daji[8] (11. Jh. v. Chr.) auch in China angenommen wird, sie sei ein Fuchs gewesen.[9] Immer jedoch führte der Einfluss der Damen zum Sturz einer Dynastie.

Auch in Japan spielt die Legende in der Zeit, als die politische Führung vom Hof des Tennō in die Hände des Kriegeradels (Samurai) überwechselte. Es mag sein, dass manche vormodernen Historiker versucht waren, diese Umstände dem unheilvollen Einfluss von Hofdamen zuzuschreiben, wie dies die chinesische Geschichtsschreibung tat, und dass dies den Keim der Tamamo-Legende darstellte. Andererseits ging die Dynastie des Tenno nicht vollends unter. In der Tamamo-Legende schwingt daher auch manchmal eine Art nationaler Stolz mit, dass man dem Unwesen dieser Fuchsfrau in Japan ein Ende bereiten konnte und daher über stabilere politische Verhältnisse verfügt als China.

Literatur

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  • S. Akashi: Inari. In: Zeitschrift für Missionswissenschaft und Religionswissenschaft. St. Ottilien, 43. 1928, S. 150–151.
  • Alexander Krappe: Far Eastern fox lore. In: California folklore quarterly 3. 1944, 2, S. 124–147.
  • Eisaburo Kusano: Weird tales of Old Japan. Tokyo 1953, S. 95–108.
  • Klaus Mailahn: Der Fuchs in Glaube und Mythos. Münster 2006, ISBN 3-8258-9483-5, S. 190–194.
  • Stanca Scholz-Cionca: Fuchsgestalten im frühen Kyôgen. In: Der Fuchs in Kultur, Religion und Folklore Zentral- und Ostasiens 2. Wiesbaden 2002, S. 137–152.
  • Karen Ann Smyers: The Fox and the Jewel. Shared and Private Meanings in Contemporary Japanese Inari Worship. University of Hawaii Press, Honolulu 1999.
  • Marianus W. De Visser: The fox and the badger in Japanese folklore. In: Transactions of the Asiatic Society of Japan. 1908, S. 1–159.
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Commons: Tamamo no Mae – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
  • Tamamo no Mae auf zwei Schriftrollen (Emaki) in klassischem Japanisch
  • Japanese Dakini. Abgerufen am 22. Februar 2006.
  • Hoji – Spiritual Being. In: Japanese Mythology – The Gods of Japan. Abgerufen am 22. Februar 2006.
  • The Death Stone. Ehemals im Original (nicht mehr online verfügbar); abgerufen am 27. Februar 2006.@1@2Vorlage:Toter Link/kitsune.org (Seite nicht mehr abrufbar. Suche in Webarchiven)
  • Station 9 – Sesshoseki. In: Basho’s World. Ehemals im Original (nicht mehr online verfügbar); abgerufen am 23. Februar 2006.@1@2Vorlage:Toter Link/www.uoregon.edu (Seite nicht mehr abrufbar. Suche in Webarchiven)
  • Bernhard Scheid: Kitsune-Motive. In: Religion-in-Japan: Ein digitales Handbuch. Universität Wien, 2001, abgerufen am 9. April 2022.

Einzelnachweise

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  1. a b Akashi 1928, S. 150–151.
  2. Smyers 1999, S. 232.
  3. Kusano 1953, S. 95–108.
  4. Kitsune Motive (Religion-in-Japan)
  5. Stanca Scholz-Cionca: Fuchsgestalten im frühen Kyôgen. In: Der Fuchs in Kultur, Religion und Folklore Zentral- und Ostasiens 2. Wiesbaden 2002, S. 142–145
  6. Alexander Krappe: Far Eastern fox lore. In: California folklore quarterly 3. 1944, 2, S. 129
  7. Baosi 褒姒, auch: Pao-ssu, jap. Hōji, die Konkubine, die erst lachte, als sämtliche Fürsten ihretwegen zum (sinnlosen) Appell erschienen.
  8. Daji 妲己, jap. Dakki, die Lieblingskonkubine des letzten Kaisers der Shang-Dynastie, bekannt für ihre Vorliebe für die Vivisektion von Untertanen.
  9. Who and What Was Pao-Ssu? (22. Februar 2011).