Charakteristisch für die Altstadt von Pavia sind die zahlreichen Geschlechtertürme, von denen heute noch 20 übrig sind. Im Mittelalter mussten es aber viel mehr gewesen sein, wie ein Fresko in der Kirche von San Teodoro zeigt, das Pavia zwischen 1522 und 1524 darstellt. Die Türme wurden größtenteils zwischen dem 11. und 13. Jahrhundert erbaut, als die ghibellinische Stadt eine Phase großer städtebaulicher und demographischer Entwicklung durchlief.[1]

Türme von Pavia
Türme von Pavia

Türme von Pavia

Daten
Ort Pavia
Baustil Romanik
Baujahr 11. und 13. Jahrhundert

Geschichte

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Die ersten Geschlechtertürme von Pavia sind aus dem Jahr 1018 dokumentiert und wurden zu einer Zeit erbaut, als in Pavia und Umgebung sowie in weiten Teilen Oberitalien herrschaftliche Burgen noch nicht weit verbreitet waren.[2] Zwischen dem 11. und 12. Jahrhundert verlegten mehrere Landadelsfamilien ihren Wohnsitz in die Stadt, weshalb man in der Vergangenheit glaubte, dass die Geschlechtertürme von diesen Adelsfamilien gebaut worden seien. In Wirklichkeit sind die Geschlechtertürme jedoch ein typisch städtischer Gebäudetyp und ihre Vorbilder waren höchstwahrscheinlich die Türme befestigter Paläste von kirchlichen und weltlichen Herren, wie der Königspalast von Pavia aus dem 9. und 10. Jahrhundert. In Pavia wie in anderen Städten wurden die Türme nicht für Verteidigungszwecke gebaut, ihre Größe und Höhe waren dafür ungeeignet, sondern für repräsentative und propagandistische Aufgaben. Sie waren in der Tat der direkteste Ausdruck von Größe und Macht der verschiedenen Familien.[3]

Die meisten Geschlechtertürme entstanden in den Ecken der Häuserblocks, in die Pavia unterteilt war. Innerhalb der ersten Wehrmauer (Pavia am Ende des 12. Jahrhunderts verfügte über drei Wehrmauern, von denen die erste aus der Römerzeit stammte) besaßen die meisten Adelsfamilien mehrere Paläste und Häuser in unmittelbarer Nähe zueinander, wodurch die politische und soziale Solidarität der Familie symbolisiert wurde. Diese Gebäude wurden von einem Turm flankiert.[4] Ein Beispiel dafür ist der Turm der Familie Catassi. Er steht noch heute, wenn auch nicht mehr in der ursprünglichen Höhe, an der Ecke der Piazza della Posta und der Via Galliano. Neben den Häusern der Familie waren in dem Block auch die Kirchen San Giovanni dei Catassi und San Giorgio dei Catassi zu finden. Oft ließen die Familien ähnliche, kleinere Artefakte auf ihren Gütern auf dem Land errichten, wie die Familie Torti, die an der Porta Pertusi (laut den Steuerunterlagen von 1254) ein Viertel kontrollierten. Dort befanden sich die Kirchen Santa Onorata dei Torti und Santa Maria dei Torti. Das Landgut der Familie, das 1259 erstmals erwähnt wurde, erhielt den Namen Torre de' Torti stand, der 1259 erstmals erwähnt wurde und heute noch als kleine Ansiedlung der Gemeinde Cava Manara existiert.

In der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts, als die Visconti die Kontrolle über Pavia übernahmen, verloren die Geschlechtertürme als Symbol des Ansehens und der Macht an Bedeutung, so dass die Höhe einiger Türme verringert wurde und andere baulich in eine Loggia umgewandelt wurden. Die folgenden Jahrhunderte erlebten den Niedergang der Geschlechtertürme. Bedenken hinsichtlich ihrer Stabilität führten vor allem im 17. und 18. Jahrhundert zum Abriss oder zur Absenkung eines Großteils der Türme. Laut der historischen und ikonographischen Dokumentation sollte es mindestens 65 Türme gegeben haben. Davon sind 20 bis heute (teilweise) erhalten.[5][6]

 
Pavia, Kirche von San Teodoro, Fresko, das Pavia darstellt, Detail (1522-1524) sind einige der zahlreichen Türme zu sehen, die noch in der ersten Hälfte des sechzehnten Jahrhunderts vorhanden sind.

Bautechniken

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Der Bau der Türme war eine kostspielige Angelegenheit, selbst wenn man berücksichtigt, dass das zur Familie gehörige Gesinde dazu herangezogen wurde. Die Türme wiesen einen quadratischen Grundriss mit einer Seitenlänge von im Mittel etwa 5 Metern und einem 2–3 Meter tiefen Fundamenten auf, bestehend aus Pfählen, die in den mit Flusskiesel und Mörtel bedeckten Boden eingeschlagen wurden.[7]

Die Ecksteine der Türme wurden darauf mit riesigen Steinblöcken (die am häufigsten verwendeten Steine sind Granit, Gneis, Sandstein und in geringerem Maße Kalkstein (insbesondere Ammoniticus Rosso Veronese) errichtet. Oft wurden dafür Materialien aus klassischer Zeit wiederverwendet. Für die dünneren und leichteren Mauern des restlichen Baukörpers wurde eine Schalenbauweise verwendet: Zwischen eine dicke Innenwand und eine dünneren Außenwand wurden Steinen und Mörtel gefüllt.[8]

Im Allgemeinen enthalten die Außenwänden Öffnungen für die Baugerüste, die offen blieben, um Einrüstungen für Reparaturen zu ermöglichen. Für das Mauerwerk der Türme wurden Ziegel verwendet, die ca. 27,5 × 6,5 cm groß waren und 13 cm hoch waren und sehr sorgfältig angeordnet wurden. Die Dicke des Mauerwerks beträgt insgesamt etwa 2 Meter.[9]

Obwohl die meisten Geschlechtertürme heutzutage höhenmäßig reduziert sind, und die meisten von ihnen etwa gleichhoch wie die benachbarten Häuser und Palazzi sind, gibt es dennoch auch heute noch Geschlechtertürme von bemerkenswerter Höhe, wie zum Beispiel der 51 Meter hohe Torre del Maino oder der Torre di San Dalmazio (41 Meter).[10] oder der Turm von San Dalmazio (41 Meter).[11][12]

Liste der erhaltenen Türme

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  • Torre Fraccaro, Piazza Leonardo da Vinci.
  • Torre dell’Orologio, Piazza Leonardo da Vinci.
  • Torre del Maino, Piazza Leonardo da Vinci.
  • Torre di San Dalmazio, Via Luigi Porta.
  • Torre Belcredi, Via Luigi Porta.
  • Torre di Santa Mostiola, Via Luigi Porta.
  • Torre dei Catassi, Kreuzung Piazza della Posta-Via Galliano.
  • Torre di Casa Beccaria May, zwischen Piazza Borromeo und Via San Giovanni in Borgo.
  • Torre auf der Piazza Borromeo.
  • Torre in der Via Scarpa, Kreuzung Via Pedotti.
  • Torre in der Via Capsoni.
  • Torre in der Via della Rocchetta, Kreuzung Via Capsoni.
  • Torre in der Via Sant’Ennodio, Kreuzung Corso Garibaldi.
  • Torre in der Via Ressi, Kreuzung Via Corridoni (nur der untere Teil blieb erhalten).
  • Torre in der Via Siro Comi, Kreuzung Corso Garibaldi.
  • Torre in der Via Mentana, Kreuzung via Galliano.
  • Torre in der Via Sacchi, Kreuzung Via Spallanzani.
  • Torre degli Aquila, Strada Nuova.
  • Torre in der Via dei Liguri, Kreuzung Vicolo del Torrione.
  • Torre in der Via Pessani, Kreuzung Via Maffi.
  • Torre in der Via Frank, Kreuzung Via Cardano.
  • Torre im Vicolo Novaria.
  • Ruinen von zwei Türmen in einem Keller der Via Luigi Porta.

Einzelnachweise

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  1. Comune di Pavia: Die mittelalterlichen Türme. In: vivipavia.it. Comune di Pavia, 2024, abgerufen am 20. Juli 2024.
  2. Aldo A. Settia: L’esportazione di un modello urbano: torri e caseforti nelle campagne del Nord Italia. In: Società e Storia. 237-297 Auflage. Nr. 12. Franco Angeli, 1981, ISSN 0391-6987 (italienisch).
  3. Peter Hudson: Archeologia urbana e programmazione della ricerca: l’esempio di Pavia. 33-44 Auflage. All’Insegna del Giglio, Firenze 1981, ISBN 978-88-7814-745-4 (italienisch).
  4. Fabio Romanoni: Sicurezza e prestigio: le torri "familiari" nel contado pavese. In: Rinaldo Comba, Francesco Panero, Giuliano Pinto (Hrsg.): Motte, torri e caseforti nelle campagne medievali (secoli XII- XV). 147-155 Auflage. Centro Internazionale di Studi sugli Insediamenti Medievali, Cherasco 2007 (italienisch, academia.edu).
  5. Marialuisa Sacchi: L’architettura civile del Medioevo in Pavia: analisi di alcune torri private. In: Bollettino della Società Pavese di storia Patria. 59-115 Auflage. Nr. 49. New Press, 1997, ISSN 2239-2254 (italienisch).
  6. Enea Gualandi: Le torri di Pavia. In: Bollettino della Società Pavese di Storia Patria. 15-28 Auflage. Nr. 54. Società Pavese di Storia Patria, 1954, ISSN 2239-2254 (italienisch).
  7. Regione Lombardia: Torre Fraccaro. In: lombardiabeniculturali.it. Regione Lombardia, 2014, abgerufen am 20. Juli 2024 (italienisch).
  8. Marta Brambati: Architettura civile nel Medioevo: le torri “minori” di Pavia. In: Annali di Storia Pavese. 61-72 Auflage. Nr. 27. Provincia di Pavia, 1999, ISSN 0392-5927 (italienisch).
  9. Rossana Bossaglia: Torri civili del Medioevo Pavese. In: Arte Lombarda. 198-201 Auflage. Nr. 4. Vita e Pensiero, 1959, ISSN 0004-3443 (italienisch).
  10. Regione Lombardia: Torre del Maino. In: lombardiabeniculturali.it. Regione Lombardia, 2014, abgerufen am 20. Juli 2024 (italienisch).
  11. Lorenzo Jurina: Il consolidamento strutturale della torre San Dalmazio a Pavia. In: Realta e prospettive della costruzione metallica nell'architettura, nelle infrastrutture e negli impianti industriali: giornate italiane della costruzione in acciaio: Riva del Garda, 15-18 ottobre 1995. 35-70 Auflage. Collegio dei Tecnici dell'Acciaio, Milano 1996 (italienisch).
  12. Raffaella De Marco, Sandro Parrinello, Alessia Miceli: Documentation strategies for a non-invasive structural and decay analysis of medieval civil towers: an application on the Clock Tower in Pavia. In: Restauro Archeologico. 18-43 Auflage. Nr. 28. Firenze University Press, 2020, ISSN 2465-2377 (englisch, academia.edu).

Literatur

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  • Fabio Romanoni, Sicurezza e prestigio: le torri "familiari" nel contado pavese. In: Rinaldo Comba, Francesco Panero, Giuliano Pinto (Hrsg.): Motte, torri e caseforti nelle campagne medievali (secoli XII- XV). 147-155 Auflage. Centro Internazionale di Studi sugli Insediamenti Medievali, Cherasco 2007.
  • Marta Brambati, Architettura civile nel Medioevo: le torri “minori” di Pavia, in “Annali di Storia Pavese”, XXVII (1999), S. 61– 72, ISSN 0392-5927.
  • Marialuisa Sacchi, L’architettura civile del Medioevo in Pavia: analisi di alcune torri private, in “Bollettino della Società Pavese di storia Patria”, XLIX (1997), S. 59– 115, ISSN 2239-2254.
  • Aldo A. Settia, L’esportazione di un modello urbano: torri e caseforti nelle campagne del Nord Italia, in “Società e Storia”, XII (1981), S. 237– 297, ISSN 0391-6987.
  • Peter Hudson, Archeologia urbana e programmazione della ricerca: l’esempio di Pavia, Firenze, All’Insegna del Giglio, 1981, ISBN 978-88-7814-745-4.
  • Donata Vicini, Lineamenti urbanistici dal XII secolo all'età sforzesca, in Storia di Pavia, III, L'arte dall'XI al XVI secolo, Milano, Banca del Monte di Lombardia, 1996, S. 9– 81.
  • Rossana Bossaglia, Torri civili nel Medioevo pavese, in "Arte Lombarda", IV (1959), S. 198-201, ISSN 0004-3443.
  • Enea Gualandi, Le torri di Pavia, in "Bollettino della Società Pavese di Storia Patria", LIV (1954), S. 15-28, ISSN 2239-2254.
  • Crisanto Zuradelli, Le torri di Pavia, Pavia, Fusi, 1888.
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